Mein Name ist Leona Blumenthal, ich bin 1992 geboren. Seitdem ich denken kann, ist mein Vater alkoholkrank gewesen. Also ich hatte viele Zeiten in meinem Leben, wo ich wirklich Angst hatte, dass mich das auffrisst. Weil ich für mich auch immer so die Vorstellung hatte, wenn er irgendwann stirbt, dann hast du ja auch versagt, dann hast du ja auch nicht geschafft, ihn da rauszuholen.
Wenn ich zurückdenke und mir quasi aus heutiger Sicht einen Ratschlag geben müsste, würde ich zur kleinen Leona sagen, dass sie sich früher distanzieren soll. Und dass sie nicht diesen jahrelangen Kampf austragen soll, irgendwas am Vater ändern zu wollen. Das war einfach rückblickend vergeudete Energie.
Also als Kind hatte ich sehr große Angst vor meinen Vater, wenn er betrunken war. Er war einfach verändert und meine Mutter hat damals immer, wenn er betrunken war, dann Riegel vorgeschoben. Also ich bin dann am Wochenende nicht zu ihm gegangen. Und als ich älter wurde und dann auch selber ein Handy hatte und mein Vater mich persönlich natürlich auch kontaktieren konnte, ja, war ich an der Front quasi. Fühlte ich mich so ein bisschen ausgeliefert und habe dann aber diese Regel, die meine Mutter hatte, relativ schnell für mich auch übernommen. Also ich habe ihm gesagt: "Wenn du trinkst, komme ich nicht zu dir. Und dann möchte ich dich nicht sehen. Und dann wünsche ich auch, von dir nicht angerufen zu werden."
Also als ich jugendlich war, bin ich dann selber irgendwann in Therapie gegangen und habe mir halt Hilfe geholt – auch auf diesem Weg, den ich gerne gehen wollte. Das Wichtigste, was ich in der Therapie für mich gelernt habe, ist, dass ich meinen Vater nicht ändern kann und dass ich auch seinen Alkoholkonsum nicht ändern kann. Das war in der Tat eine schmerzliche Erfahrung. Weil natürlich mir als Jugendliche auch klar war, wenn dein Vater so weiter macht, wird er das nicht überleben.
Ich hatte tatsächlich eine Zeit lang so eine Findungsphase, wo ich wirklich überlegt habe, den Kontakt abzubrechen. Weil ich auch zeitweise wirklich dachte, daran kaputtzugehen. Und, ja, in meiner familiären oder auch therapeutischen Umgebung haben mir eigentlich alle dazu auch geraten, den Kontakt abzubrechen. Weil das so der einzige Weg wäre, überhaupt damit umgehen zu können. Und ich konnte das aber nicht, also ich konnte und wollte den Kontakt nicht abbrechen. Mein Vater war in seinen nüchternen Phasen auch ein super toller Vater. Und das habe ich halt nie eingesehen, diese schönen Dinge auch aufzugeben.
Also ich habe es geschafft, mithilfe der Therapie und halt auch, ja, familiären Rückhalt, den ich dann hatte, mich emotional auch etwas von meinem Vater zu distanzieren. Mir war bewusst, dass ich mich damit selber schütze, ja. Und dass es der einzige Weg ist, wie ich das überleben kann. Als junge Erwachsene habe ich dann einfach mit dem nötigen Rückhalt, den man für so eine schwierige Situation braucht, mich selber und meine Bedürfnisse ernster genommen und einfach erkannt, dass ich, ja, mich selber vor seinen Alkoholkonsum stellen muss. Ich habe einfach über die Jahre gelernt, meinen Vater anders zu lieben. Ich habe nie den Kontakt zu ihm abgebrochen und habe ihn im September 2019 leider an den Alkohol verloren.