Bei Depressionen spielen unterschiedliche Ansätze der Prävention mit je spezifischen Maßnahmen eine wichtige Rolle. Je nach Ansatz spricht man auch von Primär-, Sekundär- oder Tertiärprävention. Welche Methoden und Ziele diese präventiven Maßnahmen im Allgemeinen verfolgen, lesen Sie im Beitrag:
Primärprävention
Maßnahmen, die gesunde Menschen darin stärken sollen, psychisch gesund zu bleiben und Depressionen gar nicht erst zu entwickeln, fasst man unter dem Begriff Primärprävention zusammen.
Besonderheiten bei Kindern
Für Kinder und Jugendliche gelten ein positives Familienklima und soziale Unterstützung, zum Beispiel durch enge Freundschaften, als Schutzfaktoren gegen Depressionen. Wer sich in der Schule wohlfühlt, hat ebenfalls eine wichtige Ressource.
Sekundärprävention
Unter Sekundärprävention versteht man Maßnahmen, mit denen Depressionen frühzeitig erkannt werden sollen, um das Ausmaß und die Auswirkungen der Erkrankung zu begrenzen. Dazu gehören spezielle Früherkennungsuntersuchungen (Screenings). Sie können bei Patientinnen und Patienten erfolgen, bei denen ein Arzt oder eine Ärztin, zum Beispiel bei einem Hausarztbesuch, bestimmte Risikofaktoren für Depressionen festgestellt hat. Zu einer solchen Früherkennungsuntersuchung kann es gehören, dass die betroffenen Patienten oder Patientinnen aufgefordert werden, einen Fragebogen zu ihrer psychischen Gesundheit auszufüllen.
Tertiärprävention
In die Tertiärprävention fallen Maßnahmen, die das Risiko von Rückfällen (Rezidive) oder das Auftreten typischer Folgen und Komplikationen von Depressionen verringern sollen. Dazu können zum Beispiel sozialer Rückzug, Probleme am Arbeitsplatz, Erwerbsunfähigkeit oder Suizidabsichten bis hin zum tatsächlichen Suizid gehören.
Schulungen für Patientinnen und Patienten und Angehörige
Häufig kommt es nach einer ersten Depressionsepisode zu weiteren Episoden. Daher nimmt die Schulung von Patientinnen und Patienten und ihren Angehörigen im frühzeitigen Erkennen von Depressionssymptomen eine besondere Rolle ein. Entsprechende Schulungsangebote können beispielsweise bei der zuständigen Krankenkasse nachgefragt werden.
Medikamente zur Vorbeugung vor Rückfällen
Wenn Betroffene eine wiederkehrende (rezidivierende) depressive Störung haben, kann der Arzt oder die Ärztin eine vorbeugende Einnahme von Medikamenten vorschlagen. Man nennt dies auch medikamentöse Rezidivprophylaxe. Sie soll das Risiko weiterer depressiver Episoden mindern oder ein Wiederauftreten zumindest hinauszögern. Vor allem bei Patientinnen und Patienten mit sehr schweren depressiven Symptomen wird eine Rezidivprophylaxe mit Medikamenten manchmal bereits angeboten, wenn zum zweiten Mal eine depressive Episode aufgetreten ist. Die Patienten nehmen dabei über mindestens zwei Jahre hinweg das in der akuten Krankheitsphase verordnete Antidepressivum weiter ein.
Suizidprävention
Menschen mit Depressionen haben ein erhöhtes Risiko, dass infolge der Erkrankung Suizidgedanken auftreten und es zum Suizid kommt. Deshalb ist auch die Suizidvorbeugung ein wichtiger Teil der Tertiärprävention.
Depression und Suizid
Einen Suizid zu verhindern, die sogenannte Suizidprävention, ist ein ganz entscheidender Punkt, wenn Menschen Depressionen haben.
Werden Suizidgedanken geäußert, können Freunde und Angehörige den Erkrankten oder die Erkrankte unterstützen, indem sie ihn oder sie zum Arztbesuch motivieren. Der Arzt oder Therapeut, die Ärztin oder Therapeutin wird die Suizidgedanken im Patientengespräch offen und direkt ansprechen und über das weitere Vorgehen entscheiden.
Die Suizidprävention umfasst folgende Bereiche:
Auch wenn die Suizidrate in den letzten Jahrzehnten rückläufig ist, bleibt der Tod durch Suizid weiterhin ein ernst zu nehmendes Problem in Deutschland. Etwa einer von je 10.000 Menschen pro Jahr (Stand 2015) begeht laut der Gesundheitsberichterstattung des Bundes in Deutschland Suizid. Ein hohes Risiko besteht zum Beispiel bei Menschen mit psychischen Erkrankungen – vor allem Depressionen, Schizophrenie und Suchterkrankungen. Auch bei Menschen in sehr schwierigen und für sie unerträglichen Lebenssituationen oder bereits mit einem Suizidversuch in der Krankengeschichte ist das Suizidrisiko erhöht. Männer sind häufiger von einem Suizid betroffen als Frauen.
Im Überblick: Was sind bekannte Risikofaktoren für einen Suizid?
Suizidgedanken oder -handlungen können als schwerwiegende Folge von Depressionen auftreten. Für Angehörige stellt sich dabei oft die Frage, welche Anzeichen auf eine mögliche Suizidabsicht hindeuten können.
Untersuchungen zufolge können dies folgende Symptome sein:
- Hilflosigkeit
- Gefühle der Wertlosigkeit
- Gedanken der Betroffenen, dass die Welt ohne sie besser wäre
- Entscheidungsunfähigkeit
- Konzentrationsstörungen
- unüberlegtes aggressives Verhalten
- starke körperliche Symptome, zum Beispiel Schlaflosigkeit, Schwäche oder Appetitlosigkeit
Eine Suizidabsicht kann sich über mehrere Phasen aufbauen, bis ein Suizid tatsächlich erfolgt. Das wissenschaftliche Modell des österreichischen Psychiaters Walter Pöldinger beispielsweise beschreibt den möglichen Verlauf vom Auftreten erster Suizidgedanken bis hin zu einem Suizid bei Menschen mit Depressionen. Es kann als Orientierungshilfe verwendet werden. Der Verlauf kann sich jedoch individuell unterscheiden.
Modell: Eine Suizidabsicht kann sich über mehrere Phasen aufbauen.
Nach diesem Modell können sich Betroffene anfangs noch von Suizidgedanken abgrenzen. Dies heißt, Suizid wird noch nicht als Option gesehen. Betroffene äußern noch keine Suizidgedanken oder signalisieren, dass sie einen Suizid nicht in Betracht ziehen. Jedoch können Gedanken an den Tod oder der Wunsch, lieber tot sein zu wollen, auftreten. Dann spricht man von passiver Suizidalität.
Später kann es zu einer Phase des Abwägens kommen, in der Suizidgedanken mitgeteilt werden und Betroffene dadurch „um Hilfe rufen“.
Schließlich kann ein Entschlussstadium folgen, in dem sich Menschen mit Depressionen nicht mehr von den Suizidabsichten distanzieren. Sie können gegenüber ihrer Therapeutin oder ihrem Therapeuten oder Angehörigen nicht mehr zusichern, sich nichts anzutun. Möglich ist in diesem Stadium auch, dass konkrete Suizidvorbereitungen getroffen werden. Treten solche Anzeichen auf, müssen Betroffene dringend in eine Klinik eingewiesen werden.
Wenn der Entschluss zum Suizid feststeht, dann tritt häufig eine gewisse Ruhephase ein. Sie kann von anderen Menschen als Besserung der Depression missverstanden werden.
Der Zeitraum von den ersten Suizidgedanken bis zum möglichen Suizid kann sehr kurz sein oder auch mehrere Jahre lang. Der eigentliche Entschluss, Suizid zu verüben, und die konkrete Umsetzung dieses Vorhabens ergeben sich dabei häufig aus kurzfristigen Stimmungsschwankungen heraus, während sich Lebensmüdigkeit und Leidensdruck sowie Suizidgedanken über viele Jahre hinweg aufbauen und verstärken können.
Merke: Die hier beschriebenen Stadien sind der Versuch einer wissenschaftlichen Verallgemeinerung. Sie geben wieder, wie sich eine Suizidabsicht ankündigen und aufbauen kann. Nicht immer treten bei Betroffenen alle Phasen genau so auf.