Berlin, 10. November 2020 - Seit der Ausbreitung des Coronavirus' ist auch das Thema medizinische Tests allgegenwärtig. Neben dem Erregernachweis auf bestimmte Viren, die Krankheiten wie Covid-19 oder auch die alljährliche Grippe verursachen, gibt es viele weitere Tests für die Diagnostik. Sie können Betroffenen und Ärzten helfen, bei Erkrankungen die richtige Therapie zu finden. Wie zuverlässig diese Tests sind, warum es auch ohne Erkrankung positive Ergebnisse geben kann und was Sie selbst vor einem Test beachten können – ein Überblick zum Nutzen und den Risiken von medizinischen Tests.

In der Diagnostik von Krankheiten sind medizinische Tests nicht mehr wegzudenken. Sie helfen Medizinern den Grund für bestimmte Beschwerden ihrer Patienten und Patientinnen zu finden oder auch Krankheiten in frühen Stadien zu erkennen. Zu einigen gesundheitlichen Fragen gibt es mittlerweile auch Tests für zu Hause – bestes Beispiel ist wohl ein Schwangerschaftstest. Doch Test ist nicht gleich Test: Denn manche Tests auf eine Krankheit oder das Risiko einer Erkrankung sind treffsicherer als andere.

Ein Test: Vier mögliche Ergebnisse Button: Infokorb-Ablage In den Infokorb legen

Wer einen Test auf eine Krankheit macht, hofft sicherlich doch nicht davon betroffen zu sein. In der Medizinersprache heißt das: Der Test fällt negativ aus - man ist gesund. Ein negatives Testergebnis ist also meist etwas Gutes für die Beteiligten. Ist ein Test hingegen positiv, bedeutet das: Der Test schlägt an, die Krankheit ist also vorhanden. Für Patienten ist ein positives Ergebnis in der Regel daher eine negative Nachricht.

Doch Testergebnisse sind nicht nur schwarz oder weiß. Denn kein Test liefert immer ein fehlerfreies Ergebnis. Ein Befund kann auch fälschlicherweise positiv bzw. negativ ausfallen. Ein falsch-positiver Corona-Test beispielsweise bedeutet: Der Test zeigt eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus an, die aber in Wahrheit gar nicht vorliegt. Die Folge: Man muss unnötigerweise in Quarantäne bzw. Isolation. Ein falsch-negativer Corona-Test hingegen bedeutet, dass der Test keine Erkrankung anzeigt, obwohl die Testperson infiziert ist. Damit würden Betroffene sich in falscher Sicherheit wiegen und könnten unwissentlich andere Menschen anstecken.

Es gibt also bei einem Test stets vier Möglichkeiten: 

  • a: Der Test ist positiv und ich bin tatsächlich positiv (richtig positiv)
  • b: Der Test ist positiv, ich bin aber tatsächlich negativ (falsch-positiv)
  • c: Der Test ist negativ, ich bin aber tatsächlich positiv (falsch-negativ)
  • d: Der Test ist negativ und ich bin tatsächlich negativ (richtig negativ).

Sicheres Testergebnis – was ist genau genug? Button: Infokorb-Ablage In den Infokorb legen

Wie lässt sich nun herausfinden, wie zuverlässig ein Testergebnis ist? Es gibt Kennzahlen für die Güte eines medizinischen Tests. Auch hier sind vier Aspekte zu bedenken. Denn die Frage, wie genau ein Test Erkrankte von Gesunden unterscheiden kann, lässt sich nicht mit einer Zahl beantworten. Und leider gibt es bei keinem Test eine 100-prozentige Trefferquote.

Sensitivität: Erkrankte richtig erkennen Spezifität: Gesunde richtig erkennen

Ein Beispiel dazu: Angenommen, zehn Prozent aller 80- bis 84-Jährigen in Deutschland würden an einer bestimmten Herzerkrankung leiden, für die ein Test entwickelt wurde. Bei 1.000 Personen dieser Altersgruppe haben also 100 die Krankheit tatsächlich, 900 haben sie nicht. Wenn ein Test von diesen 100 Betroffenen 98 erkennt und 2 nicht, spricht man von einer Sensitivität von 98 Prozent. Wenn der gleiche Test von den 900 Gesunden insgesamt 855 korrekterweise als gesund identifiziert und 45 fälschlicherweise als krank, spricht man von einer Spezifität von 95 Prozent.

Grafiken Vierfeldertafel als PDF

Positiver Test, und jetzt? Button: Infokorb-Ablage In den Infokorb legen

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich die Krankheit tatsächlich habe, wenn der Test positiv ist? Ideal wären diagnostische Tests mit einer Sensitivität und Spezifität von jeweils 100 Prozent. Diese Tests würden also alle Gesunden als gesund erkennen und alle Erkrankten als krank. Doch solche Tests gibt es nicht. Zudem gilt meist: Je höher der eine Wert, umso niedriger in der Regel der andere. Deshalb berechnet man zusätzlich den sogenannten Vorhersagewert, fachlich „prädiktiver Wert“ genannt.

  • Der positiv prädiktive Wert (PPW) zeigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein positives Testergebnis korrekt ist - man also die gesuchte Krankheit tatsächlich hat, wenn der Test positiv ist.
  • Der negativ prädiktive Wert (NPW) zeigt die Wahrscheinlichkeit, dass ein negatives Testergebnis korrekt ist - man also tatsächlich gesund ist, wenn der Test negativ ist.

Ermittelt wird der prädiktive Wert wieder anhand der sogenannten Vier-Felder-Tafel:
Der positiv prädiktive Wert PPW wird berechnet aus dem Anteil der richtig positiven Testergebnisse an allen positiven Testergebnissen (a geteilt durch a+b).
Der negativ prädiktive Wert NPW wird berechnet aus dem Anteil der richtig negativen Testergebnisse an allen negativen Testergebnissen (d geteilt durch d+c).

Beispiel: Der PSA-Test, ein Bluttest zur Früherkennung von Prostatakrebs, ist bei Männern, die wirklich an Prostatakrebs leiden häufig richtig positiv bzw. seltener falsch-negativ. Allerdings zeigt er bei Männern ohne Prostatakrebs oft falsch-positive bzw. seltener richtig-negative Ergebnisse. In einer großen internationalen Studie (ErSPC-Studie) lag sein positiver Vorhersagewert nur bei 24 Prozent. Besteht ein erhöhter PSA-Wert und damit ein Krebsverdacht, führt das häufig zu einer Gewebeentnahme, die den Krebsverdacht dann nicht bestätigt.

Auch die Krankheitshäufigkeit spielt eine Rolle Button: Infokorb-Ablage In den Infokorb legen

Die jeweiligen Vorhersagewerte, also sowohl der positiv prädiktive Wert als auch der negativ prädiktive Wert, hängen aber nicht nur von der Sensitivität und der Spezifität ab, sondern auch davon, wie oft die Krankheit in der Bevölkerung vorkommt (Krankheitshäufigkeit, medizinisch auch Prävalenz genannt). Das zeigt die Corona-Pandemie sehr gut. Selbst wenn Corona-Tests eine hohe Sensitivität und eine hohe Spezifität haben, können sie viele falsche Ergebnisse liefern – nämlich vor allem dann, wenn sehr viel und damit ungezielt getestet wird: 

Nehmen wir an von 100 getesteten Personen sind 50 infiziert. Die Prävalenz beträgt 50 Prozent – also die Hälfte der Bevölkerung ist von der Krankheit betroffen. Ein Test mit 99 Prozent Sensitivität und 98 Prozent Spezifität liefert 50 korrekt positive Ergebnisse und 49 korrekt negative. Es würde also nur eine Person falsch positiv und niemand falsch negativ getestet. Anders sieht es aus, wenn von den 100 getesteten Personen nur eine einzige Person tatsächlich infiziert ist. Dann würde der gleiche Test nur ein richtig-positives Ergebnis liefern, da die Sensitivität bei 99% liegt. Mit 100 getesteten Personen findet er die eine Person heraus, die tatsächlich infiziert ist. Dafür liefert er aber mit 98% Spezifizität bei 100 getesteten Personen zwei falsch-positive Ergebnisse – also mehr falsch positive als tatsächlich positive.

Beispiel Antikörpertests: Nach wissenschaftlichen Schätzungen haben nur etwa ein bis fünf Prozent der Bevölkerung Antikörper gegen die Krankheit COVID-19 im Blut. Gängige Antikörpertests haben eine Sensitivität von 94 Prozent und eine Spezifität von 99 Prozent. Wenn also 10.000 Menschen auf Antikörper im Blut getestet werden, haben bei einer Prävalenz von 1% statistisch 100 Menschen wirklich Antikörper im Blut, 9.900 Menschen nicht. Von den 100 Menschen mit Antikörpern findet der Test 94 (richtig-positiv), sechs sind falsch-negativ. Von den 9.900 Menschen ohne Antikörper werden bei einer Spezifität von 99 Prozent statistisch genau 9.801 Menschen korrekt negativ getestet, 99 erhalten ein falsch-positives Ergebnis. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein positives Testergebnis stimmt, liegt nur bei rund 49 Prozent (PPW: 94 geteilt durch 94+99=48,7%). Bei einer geringen Krankheitsverbreitung sind positive Testergebnisse also häufig falsch.

Kurz erklärt: Relative und absolute Zahlen

Checkliste vor einem Test Button: Infokorb-Ablage In den Infokorb legen

Bei der Frage zur Durchführung eines medizinischen Tests können Ihnen folgende Fragestellungen helfen:

Wie häufig und wie gefährlich ist die Krankheit? Welchen Nutzen hat der Test? Wie steht es um die Qualität des Tests? Ist der Test so gut wie er beworben wird? Was bedeutet das Testergebnis für mich? Welche Folgen kann das Testergebnis haben?

Checkliste Medizinische Tests als PDF

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