Berlin, 09.09.2020 - Ob eine Arznei wirkt, wie groß ihr Nutzen ist und welche Schäden durch die Einnahme auftreten können – das sind die zentralen Fragen bei der Entwicklung neuer Medikamente. Um sie beantworten können, muss bei der Studienplanung, -Durchführung und -Veröffentlichung einiges beachtet werden. Hier fassen wir zusammen, worauf es ankommt und worauf Sie achten sollten, wenn Sie von neuen Ergebnissen zur Wirksamkeit von Behandlungen erfahren.
Kopfschmerztabletten sollen Kopfschmerzen lindern, Nasentropfen die Nase frei machen und Antidepressiva werden bei Depressionen eingesetzt. Dass Medikamente wirken können, wissen wir aus unserem täglichen Leben. Nur wie ihre Wirksamkeit nachgewiesen werden kann, wissen viele nicht.
Wenn es um die Wirksamkeit von neuen Behandlungs- oder Untersuchungsmethoden geht, werden in der Regel so genannte randomisiert-kontrollierte Studien (Randomized Controlled Trials/ RCTs) durchgeführt. Bei diesen Studien werden die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip einer behandelten oder einer Kontrollgruppe zugeordnet. Dadurch werden zwei Gruppen gebildet, die sich bis auf die Behandlung im Rahmen der Studie nicht unterscheiden. Wird in der Behandlungsgruppe eine stärkere Wirkung der Therapie gemessen als in der Kontrollgruppe, lässt sich dies auf die Behandlung zurückführen.
Klassischerweise wird dabei die Wirkung einer Substanz mit der eines Scheinmedikaments (Placebo) verglichen. Aber auch andere Vergleichsmaßstäbe werden oft angewendet: Der Vergleich mit „Nichts tun“ (Abwarten), der Vergleich mit einem oder mehreren bereits vorhandenen Medikamenten oder mit einer nicht-medikamentösen Therapie. Auch ist es möglich, mehrere Vergleichsgruppen mit unterschiedlichen Therapien parallel zu testen und zu vergleichen.
Ein frühes Beispiel für solch ein klassisches Experiment ist der Versuch des schottischen Marinearztes James Lind, im 18. Jahrhundert an Skorbut erkrankte Seeleute zu heilen: Er teste verschiedene Therapien an sechs Gruppen von Seefahrern, die alle unter ähnlichen Bedingungen lebten. Die Gruppe, die frische Zitrusfrüchte als Therapie erhielt, profitierte am meisten von der Therapie. Seine Schlussfolgerung: Vitamin-C-reiche Nahrungsmittel können Skorbut heilen.
Randomisierte Kontrollstudien sind für den Nachweis der Wirksamkeit einer Behandlung also unerlässlich. Dennoch bedeutet der Nachweis der Wirksamkeit nicht, dass das Medikament in jedem Fall auch jedem Patienten und jeder Patientin hilft. Denn klinische Studien zeigen lediglich Wahrscheinlichkeiten auf, die auf statistischen Berechnungen beruhen.
Dazu ein Beispiel: Durch die Einnahme eines Medikaments verbessern sich in der Behandlungsgruppe bei 60 von 100 Patienten die Symptome innerhalb einer Woche, in der Placebo-Gruppe stellen 30 von 100 eine Verbesserung fest. Also war das Medikament zwar wirksamer als ein Placebo, hat aber 40 von 100 Patienten nichts gebracht. Hinzu kommt: Auch individuelle Eigenschaften wie Geschlecht, Alter oder Gewicht können Einfluss darauf nehmen, ob und wie stark eine Behandlung anschlägt – auch wenn sie sich in Studien als wirksam herausgestellt hat.
Außerdem gilt: Eine einzelne Studie ist nicht so aussagekräftig wie mehrere Studien, die vergleichbare Ergebnisse liefern. Die höchste Beweiskraft (Evidenz) hat deshalb die systematische Übersichtsarbeit randomisiert-kontrollierter Studien, bei der die Ergebnisse mehrerer RCTs zu einer Art Gesamtergebnis zusammengeführt werden. Nähere Infos zu den Evidenzstufen verschiedener Studientypen finden Sie hier: https://www.stiftung-gesundheitswissen.de
Wie alle Untersuchungsverfahren, haben auch randomisiert-kontrollierte Studien nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile:
- Nicht alle medizinischen Fragestellungen können durch RCTs überhaupt beantwortet werden – z. B. lässt sich die Frage nach der Entstehung von Krankheiten nur selten per RCT beantworten.
- RCTs entsprechen nicht der realen Situation in Praxen und Kliniken: Die Zusammensetzung der Teilnehmenden von RCTs deckt sich nicht mit den Patienten, die Ärzte tagtäglich behandeln. Beispielsweise sind in der Regel Patienten, Patientinnen mit weiteren Erkrankungen, sogenannten Komorbiditäten, ausgeschlossen.
Was muss man wissen, um zu beurteilen, ob die Studienergebnisse relevant für einen selbst sind?
„Neues Medikament senkt Cholesterin um 50 Prozent“ – das klingt gut, das muss ich auch haben, denkt sich nun vielleicht der eine oder die andere. Doch wie kann man beurteilen, ob ein neuer Wirkstoff tatsächlich für einen selbst in Frage kommen könnte? Schauen Sie sich dazu diese Aspekte der Studie genauer an:
Ausschlaggebend für die Qualität und damit Aussagekraft einer randomisierten Studie ist ihr Aufbau oder Design. Einige wichtige Merkmale eines guten Studien-Aufbaus im Überblick:
Auch bei der Darstellung der Ergebnisse randomisierter Studien gibt es Vieles zu beachten. An oberster Stelle steht: Was gemacht wurde und was herausgefunden wurde, sollte objektiv und wertfrei wiedergegeben werden.
Was kann ich meinen Arzt, meine Ärztin fragen, wenn ich ein neues Medikament einnehmen soll?
https://www.gesundheit.uni-hamburg.de/wissen/grundwissen/wirksamkeit-von-medikamenten/arztfragen.html
Soll ich an einer klinischen Studie teilnehmen?
https://www.patienten-information.de/kurzinformationen/gesundheit-allgemein/klinische-studien
Konsortstatement mit einer Liste wichtiger Informationen, die Autoren bei Veröffentlichung randomisiert-kontrollierter Studien beachten sollten: http://www.consort-statement.org/
Nebenwirkungen melden:
https://nebenwirkungen.pei.de/nw/DE/home/home_node.html