Berlin, 20.02.2020 - „Nie wieder Demenz - Heilmittel gegen Alzheimer gefunden!“ Mit vollmundigen Versprechungen löst so manche Schlagzeile Hoffnungen aus. Aber wie kann man überprüfen, ob darauf überhaupt Verlass ist? Hier kommen Studien ins Spiel. Denn Aussagen zu Wirkungen von Arzneimitteln, medizinischen Tests oder Maßnahmen beruhen in der Regel auf Studien. Allerdings ist Studie nicht gleich Studie. Je nachdem, was erforscht werden soll, kommen nämlich verschiedene Typen von Studien zum Einsatz – mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen hinsichtlich ihrer Aussagekraft.
Wenn Forscher etwa herausfinden wollen, ob ein neues Medikament wirksam ist, führen sie eine Interventionsstudie durch. Mit Intervention ist der Eingriff in das Krankheitsgeschehen durch eine gezielte Behandlung gemeint – z. B. durch die Einnahme eines Medikaments, einen operativen Eingriff oder eine Diät.
Typische Interventionsstudien sind die klinischen Zulassungsstudien für ein neues Medikament. Dabei handelt es sich um randomisiert-kontrollierte Studien (RCTs): Bei diesen Studien werden die Teilnehmer nach dem Zufallsprinzip einer Behandlungs- oder einer Kontrollgruppe zugeordnet. Dadurch werden zwei Gruppen gebildet, die sich bis auf die Behandlung im Rahmen der Studie nicht unterscheiden. Wird in der Behandlungsgruppe eine stärkere Wirkung der Therapie gemessen als in der Kontrollgruppe, lässt sich dies auf die Behandlung zurückführen. Klassischerweise wird dabei die Wirkung einer Substanz mit der eines Scheinmedikaments (Placebo) verglichen.
Dieser Studientyp hat die höchste Aussagekraft und ist damit am besten geeignet, die Wirksamkeit und Sicherheit eines neuen Wirkstoffs zu beweisen. Denn eine randomisierte kontrollierte Studie (RCT) ist der einzige Studientyp, der es erlaubt, verlässliche Aussagen über Ursache und Wirkung zu treffen.
Wenn eine Studie beispielsweise zeigt, dass Menschen, die viele Karotten essen, seltener an Brustkrebs erkranken als solche, die das nicht tun, liegt die Schlussfolgerung nahe: „Karotten schützen vor Brustkrebs“. Es könnte aber auch sein, dass Menschen, die viele Karotten essen, generell auf eine vollwertige Ernährung achten, einen gesünderen Lebensstil pflegen und schädliche Genussmittel wie Alkohol, Nikotin etc. meiden – und dies möglicherweise die hinter der Korrelation steckende Ursache ist.
Bei vielen Krankheiten gibt es Eigenschaften, Verhaltensweisen oder Umwelteinflüsse, die das Risiko zu erkranken erhöhen. Man spricht dann von Risikofaktoren. Rauchen gilt beispielsweise als ein Risikofaktor für Lungenkrebs. Dass Rauchen tatsächlich eine Ursache für Lungenkrebs ist, ließe sich durch eine randomisiert-kontrollierte Studie sicherlich belegen. Allerdings ist es ethisch nicht vertretbar, Studienteilnehmer Zigarettenrauch auszusetzen, um deren Effekt auf die Entstehung von Krebs zu untersuchen. Hier kommen nicht-interventionelle Beobachtungsstudien ins Spiel.
In einer Beobachtungsstudie wird eine Gruppe von Personen über einen bestimmten Zeitraum beobachtet, ohne dass die Untersucher die Bedingungen steuern oder kontrollieren. Die Forscher betrachten lediglich, wie sich z.B. ein Risikofaktor, eine Ernährungsweise oder eine laufende Behandlung auswirkt. Dann werden Untergruppen mit verschiedenen Merkmalen – zum Beispiel Raucher und Nichtraucher - im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand verglichen.
Beobachtungsstudien haben im Vergleich zu randomisiert-kontrollierten Studien eine geringere Aussagekraft. Auch wenn es in der beobachteten Rauchergruppe mehr Lungenkrebsfälle gibt, stellt sich die Frage, ob der Unterschied tatsächlich auf das untersuchte Merkmal (Rauchen bzw. Nichtrauchen) zurückzuführen ist oder ob andere Einflüsse, die nicht erfasst wurden, der Grund sind. Tatsächlich ist es so, dass Rauchen der Risikofaktor Nummer eins für Lungenkrebs ist. Theoretisch könnte aber auch eine allgemein ungesunde Lebensweise der wahre Grund für die höhere Krebsrate sein
Prospektiv oder retrospektiv: Werden vorhandene Daten ausgewertet oder neue Daten erhoben?
Studien lassen sich außerdem noch in prospektive und retrospektive Studien einteilen:
- Bei einer prospektiven (vorausschauenden) Studie wird der Ablauf und die Datenauswertung so geplant, dass eine vorab festgelegte Fragestellung damit beantwortet werden kann. Die Daten werden erst ab Studienbeginn erhoben und ausgewertet. Der Klassiker ist die randomisiert-kontrollierte Studie.
- Bei einer retrospektiven (rückwärtsgerichteten) Untersuchung wird vorhandenes Datenmaterial analysiert oder Personen rückblickend zu ihrer Erkrankung befragt. Die Geschehnisse liegen zu Studienbeginn in der Vergangenheit. Die Daten sind dann beispielsweise in Krankenakten bereits dokumentiert, oder sie werden durch Befragungen rückblickend erhoben. Ein typisches Beispiel ist die Fall-Kontroll-Studie.
Schauen Sie also möglichst nach, mit welchem Studientyp eine Erkenntnis gewonnen wurde. Einer prospektiven RCT können Sie mehr vertrauen als einer (retrospektiven) Beobachtungsstudie.