Mit einem Glas Sekt anstoßen, eine Flasche Bier zum Feierabend öffnen, einen Schnaps trinken, um die Verdauung zu fördern – manchmal wird einem erst im Rückblick bewusst, wie viel und wie häufig man Alkohol trinkt. Manch einer stellt sich dann vielleicht die Frage, ob das schon problematisch ist. Sie zu beantworten ist nicht immer leicht.
„Problematischer Alkoholkonsum“ ist kein medizinisch eindeutig festgelegter Begriff. Es gibt aber Anhaltspunkte, die auf einen problematischen Umgang mit Alkohol hinweisen können.
Ab welcher Alkoholmenge kann sich das Risiko negativer Folgen erhöhen?
Riskanter Konsum
Auch in kleinen Mengen ist der Konsum von Alkohol nicht völlig risikofrei. Als riskanter Alkoholkonsum wird eine Trinkmenge bezeichnet, bei der langfristig mit schweren gesundheitlichen Schäden zu rechnen ist. Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) gibt im Alkoholatlas 2022 nachfolgende Grenzwerte für einen riskanten Alkoholkonsum an. Diese dienen zur groben Orientierung und gelten nur für gesunde Erwachsene. Sie beziehen sich nicht auf schwangere Frauen oder Menschen mit einer Erkrankung. Ein riskanter Alkoholkonsum liegt demnach vor, wenn
- Frauen täglich mehr als 10 Gramm reinen Alkohol trinken,
- Männer täglich mehr als 20 Gramm reinen Alkohol trinken.
Außerdem wird empfohlen, an nicht mehr als fünf Tagen pro Woche Alkohol zu trinken, damit man sich nicht daran gewöhnt.
Rauschtrinken oder Binge Drinking
Rauschtrinken oder auch „Binge Drinking“ bedeutet, dass man mindestens einmal im Monat 60 Gramm oder mehr reinen Alkohol zu einer einzigen Trinkgelegenheit konsumiert. Das sind z. B. drei Flaschen Bier à 0,5 Liter oder etwas mehr als drei normalgroße Gläser Wein à 0,2 Liter.
Sind bereits negative Folgen durch das Trinken von Alkohol eingetreten, gilt dies aus medizinischer Sicht als „schädlicher Konsum“. Damit ist nicht gemeint, dass man einmalig nach einer Feier einen „Kater“ hatte. Schädlicher Konsum bedeutet, dass es mindestens einen Monat lang oder wiederholt in den vergangenen 12 Monaten zu negativen körperlichen, psychischen oder sozialen Folgen kam. Dazu zählen etwa ein eingeschränktes Urteilsvermögen, beispielsweise im Straßenverkehr, oder eine Veränderung des Verhaltens. Das kann zu Schwierigkeiten auch in zwischenmenschlichen Beziehungen führen.
Im Gegensatz zur Alkoholabhängigkeit besteht beim schädlichen Alkoholkonsum (noch) kein übermächtiger Wunsch oder Zwang, Alkohol zu konsumieren. Der Übergang vom schädlichen zum abhängigen Alkoholkonsum ist allerdings fließend.
Eine Befragung aus dem Jahr 2021 ermittelte den Alkoholkonsum der deutschen Bevölkerung zwischen 18 und 64 Jahren. Demnach wiesen 21,1 Prozent der befragten Männer und 22,9 Prozent der befragten Frauen, die in den letzten 30 Tagen Alkohol getrunken hatten, einen riskanten Alkoholkonsum auf. 3,3 Prozent der Männer, die in den letzten 30 Tagen Alkohol getrunken hatten, bzw. 2,9 Prozent der Frauen nahmen sogar gefährliche Mengen an Alkohol (> 60 g Reinalkohol pro Tag bei Männern und > 40 g Reinalkohol pro Tag bei Frauen) zu sich.
Laut Alkoholsurvey aus dem Jahr 2021 haben 3,6 Prozent der 12- bis 17-Jährigen riskante Konsummengen zu sich genommen. Die Prävalenz bei 18- bis 25-Jährigen liegt hier bereits bei 16,7 Prozent, wobei Männer und Frauen gleichermaßen betroffen sind.
41,9 Prozent der befragten Männer, die in den vorangegangenen 30 Tagen Alkohol getrunken hatten, berichteten, dass sie in dem Zeitraum mindestens eine Episode des Rauschtrinkens hatten. Unter den befragten Frauen waren dies 23,3 Prozent. Mit episodischem Rauschtrinken ist hier gemeint, dass an mindestens einem der letzten 30 Tage fünf oder mehr alkoholische Getränke konsumiert wurden. Ein besonders häufiges Rauschtrinken (mindestens einmal pro Woche) kommt dabei bei jungen Menschen zwischen 18 und 24 Jahren etwa doppelt so oft vor wie bei Erwachsenen zwischen 45 und 54 Jahren.
Darüber hinaus gibt es auch Daten, wie hoch der missbräuchliche Alkoholkonsum in Deutschland ist. Ein Alkoholmissbrauch liegt dann vor, wenn mindestens eines der folgenden vier Kriterien zutrifft: erhebliche Probleme in Haushalt, Familie oder Schule, Alkoholkonsum in gefährlichen Situationen, Probleme mit dem Gesetz infolge des Alkoholkonsums, soziale und zwischenmenschliche Probleme. Laut einer Studie von 2019 lag bei 4 Prozent der Männer und 1,5 Prozent der Frauen im Alter von 18 bis 64 Jahren ein missbräuchlicher Alkoholkonsum vor. Insgesamt sind das 2,8 Prozent der Deutschen in der Altersklasse.
Ein problematisches Trinkverhalten kann sich unterschiedlich äußern. Bei manchen ist es – zumindest aktuell – noch nicht sehr schwerwiegend, bei anderen können schon Folgeschäden bestehen, wie beispielsweise beim schädlichen Alkoholkonsum.
Bei der Einschätzung, ob ein problematischer Alkoholkonsum vorliegt, spielt u. a. die Trinkmenge eine Rolle:
- Trinken Sie regelmäßig und nicht nur gelegentlich deutlich über dem Schwellenwert für riskanten Konsum?
- Trinken Sie öfter als einmal im Monat Alkoholmengen, die über dem Schwellenwert für das Rauschtrinken liegen? Verlieren Sie dabei die Kontrolle über die Menge, die Sie trinken?
Neben der Trinkmenge können auch die Gründe für den Alkoholkonsum Hinweise auf ein problematisches Trinkverhalten geben. Hier kann man sich fragen: Trinkt man nicht vorrangig aus Genuss, sondern
- um Sorgen und Probleme zu verdrängen oder
- um mit Stress fertigzuwerden?
Problematisch kann das Trinkverhalten auch sein, wenn wiederholt negative Auswirkungen des Alkoholkonsums auftreten, etwa:
- Schwierigkeiten, Streit und Probleme in Partnerschaft oder Familie, in Freundschaften oder mit Arbeitskolleginnen und -kollegen aufgrund der Trinkgewohnheiten
- Eingeschränkte Leistungsfähigkeit oder Vernachlässigung wichtiger Aufgaben, was zu Problemen im Beruf führen kann
- Verletzungen oder Unfälle aufgrund des Alkoholkonsums, zum Beispiel mit dem Auto
- Körperliche Schäden durch Alkoholkonsum wie zum Beispiel eine Leberzirrhose
Weitere mögliche Anhaltspunkte für einen problematischen Alkoholkonsum bei wiederholtem Auftreten liegen dann vor,
- wenn man ein schlechtes Gewissen oder Schuldgefühle aufgrund seiner Trinkgewohnheiten hat,
- wenn man sich an Situationen nicht erinnern kann, weil man zu viel getrunken hat,
- wenn man morgens Alkohol braucht, um in Gang zu kommen oder
- wenn nahestehende Menschen Sorgen über den Alkoholkonsum äußern.
Alkoholkonsum während der Schwangerschaft ist immer problematisch, weil Alkohol nicht nur der schwangeren Frau, sondern auch dem ungeborenen Kind schaden kann.
Weitere Hinweise, woran man problematischen Alkoholkonsum erkennen kann, gibt Thomas Haustein, Sozialarbeiter und Suchtberater beim Caritasverband Berlin e.V. im Film:
Alle genannten Anhaltspunkte sind lediglich Hinweise darauf, dass ein problematischer Alkoholkonsum vorliegen kann. Dies muss nicht der Fall sein. Gleichzeitig gilt: Auch wenn keines dieser Beispiele zutrifft, kann das Trinkverhalten problematisch sein.
Unterstützung bei Alkoholproblemen
Zunächst wird abgeklärt, ob der Alkoholkonsum wirklich problematisch ist und ob schon negative Folgen vorliegen. Dazu können auch Fragebögen wie zum Beispiel der Alcohol Use Disorder Identification Test (AUDIT) herangezogen werden. Liegt ein problematischer Konsum vor, werden gemeinsam Ziele entwickelt, die sich je nach den persönlichen Gegebenheiten unterscheiden.
Warum es aus Sicht des Experten Thomas Haustein sinnvoll sein kann, eine Beratungsstelle aufzusuchen, auch wenn man nicht alkoholabhängig ist:
Online-Selbsthilfe
Eine erste Möglichkeit, etwas zu verändern, bieten auch Online-Selbsthilfeprogramme. Sie können beispielsweise per E-Mail, SMS, Chat oder telefonisch von Psychologen und Psychologinnen begleitet werden. Oder sie sind so gestaltet, dass eine professionelle Begleitung vollständig entfällt. Online-Selbsthilfeprogramme basieren auf psychologischen Therapieansätzen, in der Regel der kognitiven Verhaltenstherapie und möglicherweise weiteren psychotherapeutischen Methoden.
In Deutschland sind verschiedene Online-Selbsthilfeprogramme verfügbar, die zum Ziel haben, den Konsum zu reduzieren oder gar keinen Alkohol mehr zu trinken. Studiendaten zur Wirksamkeit von unbegleiteten Selbsthilfeprogrammen, die unabhängig von der Mitgliedschaft in einer bestimmten Krankenkasse genutzt werden können, liegen aktuell (Stand August 2024) die Programme „Online Selbsthilfe Alkohol“, „Take Care of You (Alkcoach)“ und „Alcooquizz“ vor.
Wie arbeiten die Online-Selbsthilfeprogramme?
Die Online-Selbsthilfeprogramme richten sich an Menschen, die ihren Alkoholkonsum verringern oder vollständig auf Alkohol verzichten wollen. Es handelt sich dabei um eigenständige, internetbasierte, nichttherapeutische, vollautomatisierte und selbstgesteuerte Behandlungsprogramme, welche auf unterschiedlichen Endgeräten (Mobiltelefon, Tablet, Computer) verfügbar sind. Die Informationen liegen als Texte vor. Rückmeldungen erfolgen beispielsweise in Form von interaktiven Tabellen und Grafiken.
Das Programm unterstützt unter anderem dabei:
- einen Überblick über den eigenen Alkoholkonsum zu gewinnen, sich Ziele zu setzen und riskante Situationen zu identifizieren,
- Rückmeldungen zum Alkoholkonsum beziehungsweise zu konsumbezogenen Verhaltensweisen zu bekommen,
- Wissen und Fähigkeiten zu erwerben, um z. B. mit Gruppendruck oder dem starken Wunsch, Alkohol zu trinken, umzugehen.
Die Teilnehmenden können jederzeit auf die Selbsthilfeprogramme zugreifen. Die Laufzeit von „Online Selbsthilfe Alkohol“ und „Take Care of You (Alkcoach)“ beträgt jeweils sechs Wochen. „Alcooquizz“ ist eine Kurzintervention und die Anwendung dauert weniger als eine Stunde. Je nach Bedarf können sich Interessenten für ein kurzes oder längeres Programm entscheiden. Die Teilnahme an allen drei Online-Selbsthilfeprogrammen ist anonym und kostenlos.
Auch Apps können dabei unterstützen, weniger Alkohol zu trinken. Manche Apps können Ärztinnen und Ärzte sogar verschreiben, sodass die Krankenkasse die Kosten dafür übernimmt. Apps auf Rezept heißen digitale Gesundheitsanwendungen (kurz DiGA). Im Gegensatz zu anderen Apps müssen DiGA ein Prüfverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte durchlaufen. Nach erfolgreicher Prüfung werden sie in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen.
Weitere Maßnahmen
In manchen Regionen werden Gruppenprogramme für „kontrolliertes Trinken“ angeboten. Deren Ziel ist es, die Kontrolle über den Alkoholkonsum zurückzugewinnen. Sie können beispielsweise dazu anleiten, ein Trinktagebuch zu führen, sich selbst zu beobachten und zu lernen, wie man am besten mit Risikosituationen, Belastungen und möglichen Rückschlägen umgeht. Suchtberatungsstellen wissen, in welchen Regionen entsprechende Angebote bestehen.
Unter Umständen kommt auch eine Psychotherapie in Frage.