Hintergrund
Bei der Alkoholabhängigkeit handelt es sich um eine Suchterkrankung. Umgangssprachlich wird sie auch als Alkoholismus oder Alkoholsucht bezeichnet. Sie geht mit körperlichen, psychischen und sozialen Folgeschäden einher. Betroffene und Menschen, die eine Alkoholabhängigkeit bei sich vermuten, können sich an geeigneter Stelle Unterstützung suchen.
Verschiedene Merkmale weisen auf Alkoholabhängigkeit hin. Betroffene spüren insbesondere ein starkes Verlangen nach Alkohol und es fällt ihnen schwer, ihren Alkoholkonsum zu kontrollieren. Zu den Merkmalen gehört auch, immer mehr Alkohol zu trinken, um die Wirkung zu erzielen, die zuvor bei einer geringeren Dosis eingetreten ist. Dies bezeichnet man als Toleranzentwicklung. Außerdem weisen Entzugserscheinungen auf eine Alkoholabhängigkeit hin. Diese treten auf, wenn man für bestimmte Zeit keinen Alkohol getrunken hat. Sie können körperlich sein, z. B. Herzrasen, Schwitzen oder unwillkürliches Zittern. Zu den psychischen Entzugserscheinungen gehören innere Unruhe, ängstliche oder depressive Stimmung.
Verbreitung
Schätzungsweise waren im Jahr 2018 4,5 Prozent der Männer und 1,7 Prozent der Frauen im Alter zwischen 18 bis 64 Jahren von Alkohol abhängig, insgesamt geschätzt 3,1 Prozent der Bevölkerung in Deutschland in dieser Altersklasse. Das ergab der Epidemiologische Suchtsurvey (ESA), der in regelmäßigen Zeitabständen den Substanzkonsum der Allgemeinbevölkerung Deutschlands erfasst.
Risikofaktoren
Ein komplexes Zusammenspiel verschiedener biologischer, persönlicher, sozialer, umweltbezogener und kultureller Einflüsse begünstigt das Auftreten von Alkoholabhängigkeit. Dabei können folgende Aspekte eine Rolle spielen:
Verlauf
Der Verlauf einer unbehandelten Alkoholabhängigkeit lässt sich in vier Phasen unterteilen. In welcher Zeit und wie ausgeprägt Betroffene diese Phasen durchlaufen, ist individuell verschieden. Nicht jede und jeder durchläuft alle Phasen.
Symptome
Häufig erkennt man Alkoholabhängigkeit erst, wenn bereits negative körperliche, psychische und soziale Folgen offensichtlich sind. Zu Beginn treten kaum spürbare körperliche Beschwerden auf. Das Ausmaß der Folgen steigt meist mit der Dauer des Alkoholkonsums. Von Mensch zu Mensch können sich die genauen Folgen allerdings unterscheiden.
Hinweise auf einen erhöhten Alkoholkonsum geben beispielsweise ein verschlechterter körperlicher und psychischer Allgemeinzustand. Auch bestimmte körperliche Veränderungen, zum Beispiel an der Haut, können auf einen erhöhten Alkoholkonsum hinweisen.
Wenn die Wirkung des Alkohols nachlässt, können Entzugserscheinungen auftreten, zum Beispiel Unruhe, Zittern, ein beschleunigter Herzschlag, Fieber, Übelkeit oder Durchfall. Es kann auch zu Bewusstseinsstörungen kommen.
Diagnostik
Selten ist die Alkoholabhängigkeit der eigentliche Grund für einen Arztbesuch, sondern Beschwerden, die aus der Alkoholabhängigkeit resultieren.
Hinweise auf einen erhöhten Alkoholkonsum lassen sich dann beispielsweise durch das Erfragen der Krankengeschichte, eine körperliche Untersuchung und eine Blutuntersuchung finden. Welche Untersuchungen gemacht werden, hängt unter anderem vom eigentlichen Grund des Arztbesuchs und von den bereits bestehenden Folgeerkrankungen ab.
Nicht nur Ärztinnen und Ärzte, sondern auch Beratungsstellen sind wichtige Anlaufstellen, wenn Betroffene etwas gegen ihre Alkoholabhängigkeit tun möchten – und sei es auch nur, weil sie einen Verdacht haben. Das Gefühl, dass mit dem Alkoholkonsum etwas nicht stimmt, reicht schon aus, um ins Gespräch zu gehen. Beraterinnen und Berater, Ärzte und Ärztinnen erfragen zunächst das Ausmaß des Alkoholkonsums und die persönlichen Lebensumstände. Damit eine mögliche Alkoholabhängigkeit erkannt und richtig eingeschätzt wird, ist es wichtig, dass Betroffene offen für ein ehrliches Gespräch sind. Um die Diagnose Alkoholabhängigkeit stellen zu können, werden unter anderem psychologische Fragebögen verwendet. Möglicherweise nimmt die Ärztin, der Arzt Blut ab, denn auch bestimmte Blutwerte können auf eine Alkoholabhängigkeit hinweisen.
Auch die persönliche Motivation sowie die Behandlungsziele der Betroffenen werden erkundet. Es folgt der gemeinsame Entschluss zu weiteren Schritten. Auch wenn keine Alkoholabhängigkeit vorliegt, gibt es Hilfs- und Unterstützungsmöglichkeiten, um den Alkoholkonsum zu begrenzen oder ganz mit dem Trinken aufzuhören.
Alkoholabhängigkeit kann anhand verschiedener diagnostischer Kriterien festgestellt werden. Nicht alle müssen erfüllt sein. Sie liegt vor, wenn mindestens drei oder mehr der folgenden sechs Kriterien während der letzten 12 Monate gleichzeitig erfüllt gewesen sind.
Behandlung
Das wichtigste Therapieziel ist die Abstinenz. Abstinenz bedeutet, komplett auf den Konsum von Alkohol zu verzichten. Ist dies den Betroffenen (aktuell) nicht möglich, so kann der Konsum eingeschränkt, also weniger, seltener und mit größeren Abständen Alkohol getrunken werden. Die so verringerte Aufnahme von Alkohol soll (weitere) Folgeerkrankungen verhindern oder das Risiko dafür senken. Das jeweilige Behandlungsziel wird zusammen mit der betroffenen Person festgelegt. Gegebenenfalls besteht ein weiteres Ziel darin, den Konsum anderer Suchtmittel zu begrenzen. Die Behandlung zielt darauf ab, den Betroffenen ein möglichst gesundes Überleben und eine zufriedene Lebensgestaltung zu ermöglichen.
Die Behandlungsansätze richten sich nach den Wünschen des Patienten, der Patientin und den individuellen Gegebenheiten wie z. B. dem sozialen Umfeld, einer Unterstützung durch die Familie, eigener Motivation sowie Nebenerkrankungen. Abhängigkeit umfasst körperliche, psychische und soziale Faktoren, die bei der Behandlung alle mit in den Blick genommen werden. Die Therapie einer Alkoholabhängigkeit setzt sich meistens aus verschiedenen Bestandteilen zusammen.
In der Entzugsbehandlung können Medikamente unter Umständen zur akuten Unterdrückung von Entzugserscheinungen, Vermeidung von akuten Komplikationen oder zur langfristigen Verhinderung von Komplikationen aufgrund unbehandelter Entzugssyndrome eingesetzt werden. Zum Einsatz können Benzodiazepine, Clomethiazol, Antikonvulsiva oder Neuroleptika kommen. In der Entwöhnungsphase können Medikamente zur Vorbeugung von Rückfällen bei Abstinenz (sogenannte Anti-Craving-Medikamente) oder zur Verringerung der Trinkmenge beitragen. In Deutschland sind die drei Medikamente Acamprosat, Naltrexon und Nalmefen für die unterstützende ergänzende Behandlung von Alkoholabhängigkeit zugelassen.
Auch Apps können dabei helfen, langfristig nüchtern zu bleiben. Sogenannte Apps auf Rezept können Ärztinnen und Ärzte sogar verschreiben. Die Krankenkasse übernimmt dann die Kosten für solche digitalen Gesundheitsanwendungen (kurz DiGA). Im Gegensatz zu anderen Apps, müssen DiGA ein Prüfverfahren beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte durchlaufen. Nach erfolgreicher Prüfung werden sie in das DiGA-Verzeichnis aufgenommen.