Unspezifische Beschwerden, Befunde ohne Aussage und Therapieoptionen, die keine Besserung bringen: Seltene Erkrankungen stellen Mediziner oft vor Herausforderungen. Welche Erfahrungen Ärzte mit Seltenen Erkrankungen haben, wie oft sie damit in Berührung kommen und wie gut sie sich mit deren Versorgung auskennen – darüber gibt jetzt eine Befragung der Stiftung Gesundheitswissen Aufschluss.
Mit 75 Prozent hatte der Großteil der Ärzte schon einmal Kontakt zu einem Patienten mit einer Seltenen Erkrankung oder zumindest einer entsprechenden Verdachtsdiagnose. Das ist das Ergebnis einer Befragung der Stiftung Gesundheitswissen unter 455 Ärztinnen und Ärzten in Deutschland. Die Erhebung wurde beim forsa-Institut in Auftrag gegeben und fand im Frühjahr dieses Jahres statt. Mit 98 Prozent gaben vor allem Kinder- und Jugendmediziner an, bereits in Kontakt mit Seltenen Erkrankungen gekommen zu sein. Grund dafür könnte sein, dass mehr als die Hälfte dieser Krankheiten im Kindesalter beginnen. Auch Allgemeinmediziner (86 %) und Ärzte der Fachrichtung Innere Medizin (87 %) kommen häufiger mit Seltenen Erkrankungen in Kontakt.
Wenn sich Patienten mit einem Verdacht auf eine Seltene Erkrankung an ihren Arzt oder ihre Ärztin wenden oder Erkrankungen einfach nicht eingeordnet werden können, stellt sich oft die Frage nach dem nächsten Schritt. Dabei geben 75 Prozent der befragten Ärzte an, dass es ihnen schwerfällt, Patienten mit Seltenen Erkrankungen dabei zu unterstützen, sich im Versorgungssystem zurechtzufinden (Abb. 1). Auch sich selbst einen Überblick zu verschaffen, bewerten 66 Prozent der Mediziner als sehr oder eher kompliziert. „Die Ergebnisse machen deutlich, dass die Informationen zu möglichen Anlaufstellen und der Navigation im Versorgungssystem noch nicht ausreichend bekannt und etabliert sind“, sagt PD Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gesundheitswissen. „Deshalb erweitern wir das Angebot unseres Zentralen Informationsportals über Seltene Erkrankungen und bieten künftig auch wichtige Informationen für Ärzte“, so Suhr. Die Befragung biete dafür wichtige Impulse, um die Aufbereitung der Informationen noch zielgruppenadäquater zu gestalten.
Auch bei der Frage, wohin sich Patienten mit Seltenen Erkrankungen wenden können, sind passende Anlaufstellen nicht immer bekannt. Am ehesten kennen die Befragten die Zentren für Seltene Erkrankungen – 64 Prozent gaben an, von ihnen gehört zu haben. Spezialisierte Facharztpraxen oder Selbsthilfegruppen sind fast der Hälfte der befragten Ärzte bekannt (46 % bzw. 44 %). Die ambulante spezialfachärztliche Versorgung kennen dagegen nur noch 27 Prozent (Abb. 2). Das Zentrale Informationsportal über Seltene Erkrankungen (ZIPSE) der Stiftung Gesundheitswissen bündelt qualitätsgesicherte Angebote und hilft, vertrauensvolle Informationen zu finden. „Wir wollen Patientinnen und Patienten, aber auch Ärzten so eine Orientierung geben. Auch damit sie sich gezielter informieren können“, so Suhr.
Eine Seltene Erkrankung bringt für Patienten in den meisten Fällen eine lange Zeit der Unsicherheit mit sich. Im Durchschnitt erhalten Betroffene nach 5 Jahren eine Diagnose. Auch wenn viele Ärzte schon einmal Kontakt zu einem Patienten oder einer Patientin mit einer Seltenen Erkrankung hatten, kommen sie mitunter erst in diesem Moment mit der Thematik in Berührung. So gaben 43 Prozent der befragten Mediziner an, dass Seltene Erkrankungen im Medizinstudium gar nicht behandelt wurden (Abb. 3). Bei der Hälfte der Ärzte wurde das Thema lediglich oberflächlich im Medizinstudium behandelt. Nur 6 Prozent der Befragten gaben an, sich im Rahmen des Studiums vertiefend mit Seltenen Erkrankungen auseinander gesetzt zu haben.
Bei der Frage, was sich Ärztinnen und Ärzte an Unterstützungsmöglichkeiten beim Thema Seltene Erkrankungen wünschen, liegen Informationsmaterialien für Mediziner ganz vorn (66 %). Außerdem wünschen sie sich mit jeweils 55 Prozent Materialien zur Weitergabe an Patienten und Patientinnen sowie digitale Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten für Ärzte. Auch Lehr-veranstaltungen in der Ausbildung können sich 35 Prozent der Befragten vorstellen (Abb. 4).
Pressemittelung als PDF
Ansprechpartner
Kommunikations-Team
presse@stiftung-gesundheitswissen.de