Berlin, 24.02.2022 – Unfälle oder Krankheiten können von einem Tag auf den anderen alles verändern. Tausende Menschen in Deutschland warten aufgrund von Organerkrankungen oder -verletzungen auf ein Spenderorgan. Im vergangenen Jahr wurden laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation aber nur von 913 Verstorbenen in Deutschland Organe entnommen. Und weniger als die Hälfte der Menschen, die Organe spendeten, traf die Entscheidung zu Lebzeiten selbst. Oft wird sie Angehörigen überlassen. Die individuelle Auseinandersetzung mit der Organspende muss durch kompetente Informationsangebote weiter gestärkt werden, fordert die Stiftung Gesundheitswissen. 

Viele Deutsche treffen zu Lebzeiten keine Entscheidung

Liegt im Todesfall bei Eignung zur Organspende keine eigene Verfügung vor, werden die nächsten Angehörigen aufgefordert, eine Entscheidung im Sinne des Patienten zu treffen. Von den im Jahr 2020 der Deutschen Stiftung Organtransplantation (DSO) gemeldeten 1.028 medizinisch geeigneten Organspendern in Deutschland, hatten Betroffene in 42 Prozent der Fälle selbst ihre mündliche oder schriftliche Zustimmung zur Organspende erteilt.  Bei 45,3 Prozent war die Entscheidung zur Spende aufgrund des vermuteten Willens des oder der Verstorbenen gefallen. Bei 12,2 Prozent basierte die Zustimmung zur Organspende auf der alleinigen Entscheidung der befragten Angehörigen.   

  • Wie entscheiden Angehörige in Deutschland zur Organspende?
  • Aus welchen Gründen entscheiden sich Angehörige für eine Organspende?
  • Aus welchen Gründen lehnen Angehörige eine Organspende ab?

Organspende: Wie entscheiden Angehörige?

Umfrageergebnisse zeigen noch immer hohen Informationsbedarf

Laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), die von April bis Mai 2020 mit mehr als 4.000 Teilnehmern in Deutschland durchgeführt worden war, äußerten 42 Prozent der Befragten, dass sie gern mehr Informationen zum Thema Organspende hätten. 37 Prozent gaben an, noch keine Entscheidung zur Organspende getroffen zu haben. „Wir müssen das Thema Organspende noch stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken und durch kompetente Wissensvermittlung Entscheidungshilfen liefern. Dazu sind alle Gesundheitsinformations-Anbieter aufgerufen. Es ist wichtig, dass sich möglichst viele Menschen mit dem Thema auseinandersetzen“, so der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Gesundheitswissen, Dr. Ralf Suhr.

Patientinnen und Patienten können sich auch bei ihren Hausärzten über die Voraussetzungen und Möglichkeiten einer Organ- und Gewebespende beraten lassen. Das sieht das aktualisierte Transplantationsgesetz vor. Die Regelung tritt zum 1. März 2022 in Kraft. Um die Spendenbereitschaft zu erhöhen, sollte ab 1. März 2022 auch ein zentrales Onlineregister starten. Doch der Start verzögert sich, weil vielen Krankenhäusern noch die technischen Voraussetzungen dafür fehlen. Außerdem sind sie aufgrund der Corona-Pandemie ohnehin stark belastet.

Organspende auf gleichbleibend niedrigem Niveau

Laut der statistischen Erhebungen von Eurotransplant war die Zahl der Menschen in Deutschland, die im Todesfall Organe spendeten, bis 2017 nahezu kontinuierlich gesunken. Lag sie im Jahr 2010 noch bei 1.271, waren es 2017 nur noch 769 Spender. Demnach spendeten im Jahr 2017 in Deutschland 502 weniger Verstorbene Organe als noch 2010 – ein Rückgang um fast 40 Prozent. Im Jahr 2018 stieg die Zahl der Organspender erstmals wieder an – auf 933. Dies ist ein Zuwachs von rund 21 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Zuletzt lag die Zahl 2020 bei 888. Eurotransplant erfasst dabei nur die Fälle, deren Organe entnommen wurden und tatsächlich transplantiert werden konnten.

Insgesamt spendeten 2020 nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Organspende 913 Menschen in Deutschland nach ihrem Tod Organe. „Letztlich ist die Bereitschaft zur Organspende eine persönliche Entscheidung, die allen Respekt verdient. Ich glaube an die Aufklärung. Wissen kann helfen, Ängste zu überwinden und zu rationalen Entscheidungen befähigen, auch wenn die Themen stark emotional beladen sind“, betont Dr. Ralf Suhr. 

Wir als Stiftung Gesundheitswissen sehen eine wichtige Aufgabe darin, durch gut aufbereitete, seriöse Informationen Vertrauen aufzubauen und den Menschen ihre Ängste vor der Auseinandersetzung mit dem Thema Organspende ein Stück weit zu nehmen.

Dr. Ralf Suhr, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Gesundheitswissen

Dennoch: Deutschland gehört zu den europäischen Schlusslichtern bei der Organspende

Wie die BZgA mitteilt, liegt die Zahl der Deutschen, die eine positive Einstellung zum Thema Organ- und Gewebespende haben, bei 82  Prozent. Dennoch gehört Deutschland weiterhin zu den europäischen Ländern mit dem geringsten Aufkommen an Organspendern nach Tod. Zuständig für die Vermittlung aller Spenderorgane, die in Deutschland, Belgien, Kroatien, Luxemburg, den Niederlanden, Österreich, Ungarn und Slowenien verstorbenen Menschen zur Transplantation entnommen werden, ist die gemeinnützige Stiftung Eurotransplant. Die Vergabe erfolgt anhand einer Liste nach Dringlichkeit und Erfolgsaussichten der Transplantation. Deutschland profitiert von der höheren Spendebereitschaft in den anderen Teilnehmer-Ländern. Seit Jahren werden mehr Organe aus dem Ausland importiert als abgegeben, bilanziert die DSO zuletzt in ihrem Jahresbericht 2018. Im Jahr 2018 wurden demnach 568 Spenderorgane nach Deutschland eingeführt, 421 gingen aus Deutschland in die anderen Eurotransplant-Länder. Die DSO verwies in diesem Zusammenhang in ihrem Jahresbericht zudem auf die Zahlen des Internationalen Registers für Organspende und -transplantation (Irodat). Demnach wurden in Deutschland im Jahr 2019 nur 11,2 Organspenden pro 1 Million Einwohner realisiert. Zum Vergleich: In Europas Spitzenreiter Spanien kamen auf 1 Million Einwohner 48,9 Organspenden.   

Quellen und weiterführende Informationen