Wie erhält man einen Organspendeausweis? Unter welchen Voraussetzungen dürfen Ärzte Organe entnehmen? Und wer entscheidet, wenn der Wille des potenziellen Spenders unbekannt ist? 10 Fragen und Antworten zur Organspende.
Berlin, 24.02.2022 - Die Bereitschaft zur Organspende wächst: Nach einer Befragung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) sind rund 73 Prozent der Deutschen bereit, selbst Spender oder Spenderin zu werden. Doch die Zahl der tatsächlichen Organspender war im vergangenen Jahr wieder leicht rückläufig: Nach Angaben der BZgA wurden 2020 von 913 Verstorbenen Organe entnommen, zwei Prozent weniger als im Vorjahr. Noch immer warten tausende Patientinnen und Patienten in Deutschland auf ein möglicherweise lebensrettendes Spenderorgan.
Der Bedarf an Spenderorganen ist hoch. Allein in Deutschland wurden Ende 2020 nach Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation noch rund 9.500 Organe benötigt. Für die Empfänger sind die Organe überlebenswichtig. Denn die Chancen für eine erfolgreiche Transplantation und ein langfristiges Überleben mit einem Spenderorgan stehen heute sehr gut: Fünf Jahre nach einer Herztransplantation leben international noch etwa 72 Prozent der Empfänger, fünf Jahre nach einer Nierentransplantation sogar noch 76 Prozent, wenn die Spende nach dem Tod des Organspenders erfolgte. Auch bei anderen Organen sehen die Zahlen ähnlich aus. So leben beispielsweise nach einer Lebertransplantation nach fünf Jahren noch 68 Prozent der Empfänger, nach einer Transplantation der Bauspeicheldrüse 65 Prozent. Das geht aus der Heidelberger Collaborative Transplant Study (CTS) für den Zeitraum ab dem Jahr 2000 hervor. Grundsätzlich kann ein Spender, dem mehrere Organe entnommen wurden, bis zu sieben Menschenleben retten.
Den Angaben der Deutschen Stiftung Organtransplantation zufolge wurden 2020 in Deutschland 2.941 Organe von Verstorbenen gespendet – am häufigsten Nieren (1.447), Lebern (746), Lungen (342) und Herzen (320). Den geringsten Anteil machten Bauchspeicheldrüsen (79) und Dünndarmspenden (7) aus. Die Spende einer Niere ist auch als Lebendspende möglich. Dies heißt, ein Angehöriger spendet eine seiner beiden Nieren zu Lebzeiten. Nach der Transplantation leben in solch einem Fall nach fünf Jahren noch 86 Prozent der Empfänger.
Für die Bereitschaft zur Organspende gilt in Deutschland die „Entscheidungslösung“. Das bedeutet: Eine Organentnahme darf nur mit ausdrücklicher Einwilligung des Spenders erfolgen. Diese kann durch ein formloses Schreiben oder eine entsprechende Formulierung in der Patientenverfügung dokumentiert werden. Eine einfache Möglichkeit, seine Bereitschaft zu erklären, ist auch der Organspendeausweis. Im Portemonnaie mitgeführt, ist er im Notfall leicht zu finden und schafft schnell Klarheit. Im Testament sollte man die Spendenbereitschaft hingegen nicht festhalten. Bis zu dessen Öffnung vergeht in der Regel so viel Zeit, dass eine Organspende nicht mehr möglich ist.
Ein Organspendeausweis kann einfach und schnell z. B. auf den Webseiten des Bundesministeriums für Gesundheit oder der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) heruntergeladen und ausgedruckt werden. Oder Sie nutzen die Möglichkeit, den Ausweis als Plastikkarte zu bestellen. Der Versand ist kostenlos. Außerdem erhalten Sie Organspendeausweise kostenlos in vielen Apotheken und Arztpraxen. Die BZgA bietet den Organspendeausweis zudem in 28 weiteren Sprachen an.
Eine Altersgrenze nach unten besteht nicht. Bis zum 14. Lebensjahr entscheiden die Erziehungsberechtigten über Zustimmung oder Widerspruch. Jugendliche ab 14 Jahren haben die Möglichkeit, einer Organentnahme selbst zu widersprechen. Ab dem vollendeten 16. Lebensjahr dürfen potenzielle Spender oder Spenderinnen einer Organspende auch selbst zustimmen und einen Organspendeausweis mit sich führen. Eine Altersgrenze nach oben gibt es nur bedingt. In den meisten Fällen ist nicht das Alter des Spenders maßgeblich, sondern der Zustand der Organe. Ein spezielles Programm, das sogenannte Eurotransplant Senior Program (ESP), regelt, dass Organe älterer Menschen an ältere Empfänger abgegeben werden.
Eine unterschriebene Einwilligung zur Organspende ist verbindlich – aber nicht endgültig. Sie wird bislang nicht registriert und kann jederzeit rückgängig gemacht werden. Wenn Sie Ihre Meinung ändern, reicht es also, die Erklärung zu vernichten.
Für 2022 ist jedoch ein zentrales Organ- und Gewebespende-Register vorgesehen. Es ist Teil des „Gesetzes zur Stärkung der Entscheidungsbereitschaft bei der Organspende“, das der Deutsche Bundestag im Januar 2020 verabschiedet hat.
In anderen Ländern Europas, z. B. Frankreich, Italien, Polen, Österreich und Spanien, gilt hingegen die Widerspruchslösung. Demzufolge ist ein Mensch solange Organspender, bis er aktiv widerspricht. Tut er dies nicht, können Ärzte im Fall seines Todes Organe entnehmen. Bei Auslandsaufenthalten gelten übrigens die Regelungen des jeweiligen Landes, nicht die des Heimatlandes.
Wenn die Organe eines Menschen aus medizinischer Sicht für eine Organspende geeignet sind, entscheiden zwei Faktoren darüber, ob eine Organentnahme tatsächlich auch durchgeführt werden darf: Erstens muss eine Einwilligung zur Organentnahme vorliegen. Zweitens müssen zwei Fachärzte unabhängig voneinander den Hirntod nach den Richtlinien der Bundesärztekammer feststellen.
Was bedeutet Hirntod?
Eine Person gilt als hirntot, wenn der unumkehrbare Ausfall der Gesamtfunktionen von Großhirn, Kleinhirn und Hirnstamm eindeutig nachgewiesen wurde. Sind diese Kriterien erfüllt, wird das Herz-Kreislauf-System eines Hirntoten kurzzeitig künstlich aufrechterhalten. So werden Organe weiter durchblutet, um sie anschließend zu transplantieren.
Stellen Ärzte oder Ärztinnen den Hirntod fest und es liegt keine Einwilligung zur Organspende vor, müssen nahestehende Angehörige entscheiden: etwa Ehepartner, volljährige Kinder oder Eltern. Dabei wird der mutmaßliche Wille des Verstorbenen zugrunde gelegt. Kennen die Angehörigen diesen nicht, fällt eine Entscheidung unter Umständen schwer. Umso wichtiger ist es, sich bereits zu Lebzeiten mit der Frage zu beschäftigen, ob man im Todesfall Organe für eine Transplantation zur Verfügung stellen möchte.
Die Stiftung Eurotransplant koordiniert und vermittelt die Vergabe von Spenderorganen in acht europäischen Ländern: Belgien, Deutschland, Kroatien, Luxemburg, Niederlande, Österreich, Slowenien und Ungarn. Menschen, die dort auf ein Spenderorgan warten, stehen auf einer gemeinsamen Warteliste. Eurotransplant führt gleichzeitig Listen mit den Daten aller in diesen Ländern gespendeten Organe. Menschen, die dringend ein Organ benötigen, haben dadurch bessere Chancen, im Notfall mit einem passenden Organ versorgt zu werden. Die Organvergabe erfolgt anhand bestimmter Kriterien. Angaben und Daten über gespendete Organe aus Deutschland leitet die Deutsche Stiftung Organtransplantation an Eurotransplant weiter.
Wer welches Spenderorgan erhält, hängt von der medizinischen Dringlichkeit, der Länge der Wartezeit und den Aussichten auf eine erfolgreiche Transplantation ab. Je nach Organ müssen dabei auch Kriterien wie die Übereinstimmung der Blutgruppe oder von bestimmten Gewebemerkmalen von Spender und Empfänger geprüft werden. Für die unterschiedlichen Organe gelten jeweils spezielle Vergabekriterien. In Deutschland legt die Bundesärztekammer die Richtlinien für die Wartelistenführung und Organvermittlung fest.
Bei einer Lebendorganspende werden in Deutschland Nieren oder Teile der Leber übertragen. Ebenfalls möglich ist die Transplantation von Teilen der Lunge, der Bauchspeicheldrüse oder des Dünndarms. Eine Besonderheit der Lebendorganspende ist, dass sie nur zwischen Menschen erfolgen darf, die sich persönlich nahestehen. Mit dieser Regelung soll Organhandel verhindert werden.
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Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (o.J.). Häufig gestellte Fragen zur Organspende, zur Gewebespende und zum Organspendeausweis (FAQs). Verfügbar unter: https://www.organspende-info.de/faq.html [16.05.2019].
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (o.J.). Bei der Lebendorganspende werden Organe oder Organteile von lebenden Menschen übertragen. Verfügbar unter: https://www.organspende-info.de/lebendorganspende.html [16.05.2019].
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (o.J.). Die Voraussetzungen zur Organspende werden geklärt. Verfügbar unter: https://www.organspende-info.de/organspende/voraussetzungen.html [31.05.2021].
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