Interview mit Prof. Dr. Doris Schaeffer über gute Gesundheitskommunikation

Berlin, 14.10.2021 - Die Gesundheitskompetenz der Deutschen lässt zu wünschen übrig. Viele haben wegen der Informationsflut Probleme, geeignete Informationen zu finden. Besonders betroffene Bereiche: Gesundheitsförderung und Prävention. Prof. Dr. Doris Schaeffer untersucht, wie Gesundheitskommunikation aussehen muss, damit sie wirksamer aktiviert.

Trotz der Fülle an Information verfügt mehr als die Hälfte der Bevölkerung nur über eine geringe Gesundheitskompetenz. Kann da Präventionspolitik überhaupt gelingen?

Seit Langem wird gefordert, dass Bürgerinnen und Bürger mehr Eigenverantwortung für ihre Gesundheit übernehmen sollen. Um das zu ermöglichen, und zwar auf Basis informierter Gesundheitsentscheidungen, benötigen sie Gesundheitskompetenz. Sie müssen also fähig sein, souverän mit gesundheitsrelevanter Information umzugehen: Sie finden, verstehen, beurteilen und nutzen können. Gerade in den Bereichen Gesundheitsförderung und Prävention findet die deutsche Bevölkerung es aber sehr schwierig, geeignete Information zu finden und zu beurteilen, wie Studien zeigen. 

Wie muss Gesundheitsinformation aussehen, damit sie Menschen hilft, bessere Gesundheitsentscheidungen zu treffen?

Das Internet ist mittlerweile nach dem Hausarzt die zweitwichtigste Informationsquelle. Dort ist inzwischen eine unüberschaubare Fülle an Informationen zu finden, aber teilweise auch unverständliche, manipulierte, interessengeleitete oder fragwürdige Informationen, die noch dazu sehr zersplittert sind. Hier ist noch viel zu verbessern: Online-Informationen müssen nicht nur gut verständlich und evidenzbasiert, sondern auch auf die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen und ihre Informationsbedürfnisse und -interessen zugeschnitten sein. Wünschenswert wären zudem gebündelte Informationen. Die Stiftung Gesundheitswissen versucht, diesen Weg zu gehen. Sie stellt verständliche und zuverlässige Informationen zu einem breiten Themenspektrum zur Verfügung, in dem Krankheitsfragen ebenso angesprochen werden wie Fragen zur Gesunderhaltung und Prävention. Zudem erprobt sie innovative Formen der Informationsvermittlung.

Gerade bei Prävention finden es viele schwierig, gute Informationen zu finden.

Prof. Dr. Doris Schaeffer

Gibt es Lebensphasen und Situationen, die sich besonders eignen, um Menschen anzusprechen?

Wir müssen schon im Kindes- und Jugendalter die Basis für ein präventives und gesundheitsförderliches Verhalten legen, aber auch dafür, in einer Informations- und Wissensgesellschaft wie unserer kompetent mit Information umgehen zu können. Natürlich sollten auch alle anderen Lebensphasen beachtet werden – zumal jede dieser Phasen mit eigenen Herausforderungen an die Gesundheitserhaltung einhergeht.

Wie etwa die Lebensphase Alter …

Ja, besonders im Alter ist Gesundheitskompetenz gefordert. Ältere Menschen gelten als vulnerable Gruppe und weisen ebenso wie Menschen mit chronischer Krankheit und Personen aus unteren Bildungs- und Sozialschichten eine geringere Gesundheitskompetenz als die Gesamtbevölkerung auf. Auf diese Situation gehen wir bislang zu wenig ein. Unsere Informationslandschaft ist zu wenig altersgerecht – und dass, obwohl unsere Gesellschaft immer älter wird, es also immer wichtiger ist, die Gesundheitskompetenz bis ins hohe Alter zu fördern.

Wo sehen Sie dazu kreative Ansätze?

Daran wird aktuell überall gearbeitet. An der Charité beispielsweise wird eine interaktive Lernplattform entwickelt, die älteren Menschen helfen soll, die elektronische Patientenakte kompetent zu nutzen. Und an der Universität Bielefeld entwickeln wir ein Programm zur Stärkung der digitalen Gesundheitskompetenz älterer Menschen. Es stößt auf großes Interesse, denn oft fehlt ihnen schlicht das digitale Know-how. Nicht selten mangelt es allerdings auch an der erforderlichen digitalen Ausstattung.

Wie sehr beeinflusst besseres Gesundheitswissen das tatsächliche Verhalten?

Wissen allein führt noch nicht zu verändertem Verhalten. Die WHO Europa hat deshalb aktuell die Arbeitsgruppe „Behavioural and Cultural Insights for Health“ eingerichtet. Sie denkt unter anderem darüber nach, wie eine Information so ausgerichtet werden kann, dass sie für das Alltagshandeln nützlich ist und verhaltenswirksam werden kann. Dieser Aspekt kommt bei der Gestaltung von Information bislang noch zu kurz.