Berlin, 05. Mai 2021 - Im Behandlungszimmer wird viel gemessen, was unserer Gesundheit dienen soll, zum Beispiel der Blutdruck oder der Blutzucker. Sind die Werte zu hoch oder niedrig, kann dies ein Hinweis auf eine Erkrankung sein. Doch ab wann gilt man als krank? Wie werden solche Grenzwerte überhaupt festgelegt? Und welche Rolle spielen sie bei der Behandlung?

Manche Erkrankungen machen sich mit eindeutigen Symptomen bemerkbar – etwa eine Erkältung mit Husten und Schnupfen. Wir fühlen uns krank. Andere spüren wir meist nicht sofort, Bluthochdruck oder Diabetes beispielsweise. Darum erfasst die Ärztin oder der Arzt regelmäßig Messwerte, anhand derer man feststellen kann, ob eine Erkrankung vorliegt oder nicht. Die gemessenen Werte werden mit dem sogenannten Grenzwert verglichen. Wird ein Grenzwert über- oder unterschritten, kann dies ein Hinweis auf eine Erkrankung sein. Grenzwerte dienen also der Diagnostik.

Was muss bei der Messung beachtet werden? Button: Infokorb-Ablage In den Infokorb legen

Wenn ein Messwert einmal über oder unter einem Grenzwert liegt, spricht das nicht zwangsläufig für eine Erkrankung. Denn Messwerte können schwanken – auch bei gesunden Personen. Eine wichtige Rolle für die Aussagekraft von Messwerten spielt beispielsweise der Zeitpunkt der Messung: Nach körperlicher Anstrengung oder bei Aufregung ist der Blutdruck in der Regel erhöht. Auch die Blutwerte ändern sich: So kann z. B. der Blutzuckerwert nach einer Mahlzeit ansteigen.

Bei Blutzuckerwerten ist zu beachten, ob es sich um einen sogenannten „nüchternen“ Wert handelt. Dies ist der Fall, wenn der Patient, die Patientin eine gewisse Zeit vor der Messung nichts gegessen hat. Für „nüchterne“ und „nichtnüchterne“ Blutzuckerwerte gelten unterschiedliche Grenzwerte. 

Neben den Schwankungen können auch Probleme bei der Messung die Werte verfälschen, z. B. wenn die Blutdruckmanschette falsch angelegt wird oder Fehler im Labor passieren.

Bei vielen Messwerten ist es also wichtig, dass sie zumindest zweimal an unterschiedlichen Tagen ermittelt werden, weil das Ergebnis ansonsten verfälscht sein kann. Dann besteht die Gefahr, dass eine Erkrankung übersehen oder fälschlicherweise festgestellt wird.

Beispiel Diabetes: Welche Rolle spielen Grenzwerte und Zielwerte bei der Behandlung?

Wie werden Grenz- und Zielwerte festgelegt?

Die Grundlage für die Festlegung von Grenz- und Zielwerten bilden wissenschaftliche Studien. Darin wird zum einen untersucht, ob man mit Werten außerhalb gewisser Bereiche ein höheres Risiko hat zu erkranken oder zu sterben. Zum anderen wird überprüft, ob es für Betroffene einen größeren Nutzen als Schaden hat, wenn die Werte durch eine Behandlung in einen bestimmten Bereich gebracht werden.

Wer legt Grenz- und Zielwerte fest? Button: Infokorb-Ablage In den Infokorb legen

Auf internationaler Ebene ist die WHO dafür zuständig, die für eine Erkrankung geltenden Grenzwerte zu bestimmen.

Zielwerte legen in der Regel die nationalen medizinischen Fachgesellschaften fest. Sie geben Leitlinien heraus, in denen die empfohlenen Schritte bei der Untersuchung und Behandlung einer Erkrankung beschrieben werden. Diese Empfehlungen richten sich nach aktuell verfügbaren Studienergebnissen und werden in der Regel von einer Gruppe medizinischer Experten zusammengestellt.

Können sich Zielwerte verändern? Button: Infokorb-Ablage In den Infokorb legen

Neue Studien bringen oftmals neue Erkenntnisse mit sich. Daraus folgt, dass sich empfohlene Zielwerte in den Leitlinien und damit auch die Empfehlungen für die Behandlung ändern können. 

Beispiel regionale Unterschiede: Es kann vorkommen, dass die jeweiligen Fachgesellschaften in verschiedenen Ländern unterschiedliche Zielwerte festlegen, z. B. weil sie Studienergebnisse unterschiedlich einschätzen. Manchmal wertet die eine Fachgesellschaft eine für eine Studie angewandte Methode als gängige Praxis, während eine andere Fachgesellschaft die gleiche Methode eher kritisch betrachtet.

Kontroverse Grenzwerte am Beispiel Blutdruck

Ähnliche Unterschiede und Kontroversen wie beim Bluthochdruck gibt es beim Thema Cholesterin: Hier empfiehlt wiederum die Europäische Leitlinie der ESC wesentlich niedrigere Therapie-Zielwerte für das LDL-Cholesterin als die entsprechenden US-amerikanischen Fachgesellschaften.

Quellen