Berlin, 20.11.2020 - Bei der Frage nach den wichtigsten Organen im Körper denkt man eher selten an die Leber. Dabei ist ein Leben ohne sie nicht möglich, denn sie übernimmt viele wichtige Funktionen innerhalb unseres Stoffwechsels. Sie ist nicht nur für die Entgiftung da - mit ihrer Hilfe werden auch Nährstoffe aus der Nahrung in für den Körper nutzbare Stoffe verwandelt und gespeichert. Als einziges Organ des Körpers kann sie sogar nachwachsen. Doch wie funktioniert dieses zentrale Chemielabor unseres Körpers? Und warum haben Leberkrankheiten oft so fatale Folgen?
Sie ist eines unserer größten Organe und wiegt etwa anderthalb Kilogramm. Trotzdem spürt man sie in der Regel nicht. Die Leber liegt unter den Rippen rechts oben im Bauch unter dem Zwerchfell. Mit jedem Atemzug bewegt sie sich mit – beim Einatmen nach unten und beim Ausatmen nach oben. Als zentrales Stoffwechselorgan kann sie diverse Stoffe speichern, abbauen, umwandeln und herstellen.
Die Leber besteht aus dem rechten und dem linken großen Leberlappen, sowie zwei kleineren Lappen. Entscheidend aber ist der Feinaufbau des Lebergewebes. Denn insgesamt besteht dieses Organ aus schätzungsweise mehr als einer Million winziger Leberläppchen als kleinste Funktionseinheit, aufgebaut aus Leberzellen. Jedes Lederläppchen ist nur ein bis zwei Millimeter groß und sechseckig. In Gewebeproben sehen sie aus wie Bienenwaben.
Da die Nährstoffe und Schadstoffe über das Blut in die Leber und wieder heraus transportiert werden, ist die Leber zudem durchzogen von Blutgefäßen. Das größte ist die sogenannte Pfortader, eine Vene. Das andere große Blutgefäß ist die Leberarterie, die sauerstoffreiches Blut vom Herzen liefert. Jedes Leberläppchen hat eine Zentralvene. In den kleinsten Blutgefäßen des Lebergewebes, den Kapillaren, mischt sich das sauerstoffarme, nährstoffreiche Blut der Venen mit dem sauerstoffreichen Blut der Arterien.
Von unten aus dem Magendarmtrakt spült das Blut mit der Nahrung aufgenommene Nährstoffe durch die Pfortader in die Leber. Es kommt also nährstoffreiches Blut aus Dünndarm, Dickdarm und Magen in der Leber an. Aus den Nährstoffen – Fette, Kohlenhydrate und Eiweiße – gewinnt die Leber Energie, die der Körper z. B. für Bewegung, Stoffwechselprozesse oder Wärmeproduktion braucht. Diese gibt sie direkt wieder ab, wenn der Körper sie gerade benötigt oder wandelt sie um und speichert sie.
Die Leber spielt somit bei allen Stoffwechselprozessen eine zentrale Rolle: Beim Fettstoffwechsel können die Leberzellen Fette abbauen und so Energie erzeugen. Zudem können Fette umgebaut und gespeichert werden. Mit dem Stoffwechsel von Kohlenhydraten hilft die Leber den Zuckerspiegel im Blut konstant zu halten. Steigt der Blutzuckerspiegel - etwa nach einer Mahlzeit - nimmt die Leber den Zucker über die Pfortader auf und speichert ihn als Glykogen. Macht man später viel Sport, kann der Blutzuckerspiegel sinken. Die Leber reagiert und das Glykogen wird zu Traubenzucker (Glucose) abgebaut und ans Blut abgegeben. Auch Vitamine und die Mineralien Eisen und Kupfer kann die Leber speichern und sie ans Blut abgeben, wenn sie gebraucht werden.
Die Leber ist sehr produktiv. Sie stellt aus Eiweißbausteinen (Aminosäuren aus der Nahrung) verschiedene Eiweiße her, die sowohl für den Transport von Fetten oder Hormonen als auch für die Blutgerinnung wichtig sind. Auch ein großer Teil des körpereigenen Cholesterins entsteht in der Leber. Cholesterin ist wichtig für den Körper, unter anderem für die Bildung der Gallenflüssigkeit. Diese hilft im Darm Fette zu spalten und aufzunehmen. Bis zu einem Liter Gallenflüssigkeit kann die Leber pro Tag produzieren. Von der Leber gelangt diese gelblich, bräunlich oder olivgrüne Flüssigkeit über kleine Gallenkanäle in die Gallenblase, die direkt unter der Leber liegt. Außerdem hat die Leber eine weitere wichtige Aufgabe: In einer Schwangerschaft übernimmt die Leber des Fötus die Blutbildung bis zum siebten Monat.
Eine der bekanntesten Funktionen der Leber ist die Entgiftung des Körpers. Das Blut befördert nicht nur Nährstoffe aus dem Magendarmtrakt in die Leber, sondern auch schädliche Stoffe. Diese können von außen zugeführte Stoffe sein, wie zum Beispiel Alkohol oder Abbaustoffe von Arzneimitteln. Spezielle Enzyme in den Leberzellen bauen sie so um, dass sie ausgeschieden werden können. So funktioniert das auch bei körpereigenen Giftstoffen.
Ein Beispiel ist der Eiweißstoffwechsel: Hier entsteht beim Abbau von Eiweißen, die aus Aminosäuren bestehen, das giftige Ammoniak. In den Leberzellen wird es zu ungiftigem Harnstoff umgebaut. Der wird dann im Blut zur Niere transportiert und verlässt mit dem Urin den Körper. Diesen Weg von der Leber über Niere und Urin nehmen alle Substanzen, die gut wasserlöslich sind.
Entscheidend für die Entgiftungsfunktion, aber auch alle anderen Funktionen der Leber, ist ein besonderer Teil des Lebergewebes: ein Netz aus kleinen Blutgefäßen, den Kapillaren. Diese Kapillaren werden auch Lebersinusoiden genannt. Sie leiten das Blut mit allen enthaltenen Stoffen aus der Pfortader und der Arterie in die Leberzellen, wo sie verarbeitet werden. Bei der Entgiftung findet der Abbau der Abfallprodukte in den Leberzellen statt.
Schlecht wasserlösliche und damit auch im Blut schlecht lösliche Substanzen oder Abbauprodukte werden über die Gallenkapillare zur Gallenblase und dann zum Darm transportiert und mit dem Stuhl ausgeschieden. Diesen Weg gehen zum Beispiel große Arzneistoffmoleküle, u. a. Antibiotika. Die Leber filtert darüber hinaus Hormone, alte oder defekte Zellen sowie Bakterien aus dem Blut.
Bemerkbar macht sich die Entgiftungsfunktion der Leber vor allem beim Alkohol. Auch hier ist sie das zentrale Organ. Alkohol ist chemisch betrachtet Ethanol. Bei der Umwandlung von Alkohol durch Enzyme entsteht ein Abbauprodukt von Ethanol - das Acetaldehyd. Dieses wird anschließend durch ein zweites Leberenzym in Essigsäure verwandelt, die ausgeschieden werden kann. Acetaldehyd sorgt nicht nur für den Kater am Morgen danach, sondern gilt auch als krebserregend.
Mit kleinen Mengen kann die Leber meist gut umgehen - große Mengen davon schädigen aber die Zellfunktion der Leber. Alkohol kann dem Körper auch insgesamt schaden, weil er die Aufnahme wichtiger Nährstoffe wie Vitamine oder Folsäure hemmt. Die Leber baut Alkohol nur langsam ab, nämlich je zehn Kilogramm Körpergewicht etwa ein Gramm Alkohol pro Stunde, das entspricht bei Frauen etwa 0,1 Promille pro Stunde, bei Männern etwa 0,1 bis 0,2 Promille pro Stunde.
Da die Leber Alkohol auch zu Fett umwandelt, führt starker Alkoholgenuss nicht nur zu Fettablagerungen im Bauch, sondern auch an der Leber. Es entsteht die sogenannte Fettleber. Diese ist das frühe Stadium einer alkoholbedingten Lebererkrankung, die zur Folge hat, dass die Leber ihre Funktionen nicht mehr richtig erfüllen kann.
Bekannte Erkrankungen der Leber sind eine Fettleber, Hepatitis (Leberentzündung), eine Leberzirrhose oder Leberkrebs. Von einer Fettleber spricht man, wenn sich Fetttröpfchen in den Leberzellen ablagern. Ursachen sind Fettleibigkeit oder übermäßiger Alkoholkonsum. Bei einer Hepatitis können viele verschiedene Ursachen, wie Viren, Bakterien, Gifte, Medikamente oder zu viel Alkohol eine Entzündung des Lebergewebes auslösen. Ohne Behandlung kann sie zur Leberzirrhose führen. Dabei wird die Struktur der Leberläppchen und Gefäße nach und nach zerstört. Zurück bleibt knotiges Narbengewebe, so dass die Leber ihre Funktionen immer weniger erfüllen kann. Hauptursache der Leberzirrhose ist ein langjähriger übermäßiger Alkoholkonsum. Die Leberfibrose wiederum ist eine Vorstufe einer Leberzirrhose mit Entzündungen, zerstörten Leberzellen und Narbengewebe.
Viele Krankheiten, auch die Leberzirrhose, verlaufen anfangs ohne Symptome oder bleiben wegen allgemeiner, unspezifischer Symptome unentdeckt. Ein Grund dafür ist, dass sich in der Leber selbst keine Nervenzellen befinden, die schmerzempfindlich sind. Auch Leberkrebs wird häufig nur per Zufall entdeckt.