Wissenschaftliche Beratung: Univ. Ass. Mag. rer. nat. Thomas Semlitsch, Prof. Dr.med. univ. Andrea Siebenhofer-Kroitzsch
Autoren: Dr. Pia Gamradt, Jochen Randig, Lisa-Marie Ströhlein
Adipositas bedeutet starkes Übergewicht ab einem BMI von 30 kg/m². Dadurch steigt das Risiko für viele weitere Erkrankungen, z. B. Diabetes Typ 2 und Herzerkrankungen.
Die Behandlung von Adipositas zielt in erster Linie auf eine Änderung der Lebensgewohnheiten ab. Man nennt dies auch die Basistherapie. Dabei sollen die Betroffenen ihre Ernährung umstellen und für mehr Bewegung im Alltag sorgen. Beides soll dazu beitragen, das Übergewicht abzubauen. Eine Verhaltenstherapie kann diese Umstellung begleiten.
Reicht diese Behandlung nicht aus, kann in Absprache mit dem Arzt, der Ärztin zusätzlich ein Medikament eingesetzt werden. Eines dieser Medikamente heißt Liraglutid.
Liraglutid wirkt im Gehirn. Es soll Hungergefühl verringern und dafür sorgen, dass man sich länger satt fühlt. Liraglutid (3,0 mg) wird einmal täglich unter die Haut (am Bauch, Oberschenkel oder Oberarm) gespritzt.
In mehreren randomisiert-kontrollierten Studien (RCTs) wurde untersucht, ob Liraglutid die Gewichtsabnahme bei Menschen mit Adipositas unterstützt. Alle Menschen, die an den Studien teilnahmen, erhielten eine Basistherapie.
Per Zufallsprinzip wurden die Teilnehmenden in zwei Gruppen eingeteilt:
Die Teilnehmenden der Testgruppen spritzten sich täglich das Medikament Liraglutid.
Die Teilnehmenden der Kontrollgruppen spritzten sich täglich ein Medikament ohne Wirkstoff (Placebo).
Die Ergebnisse im Einzelnen
Ärztliche Leitlinien empfehlen, dass Menschen mit Übergewicht (BMI 25 bis 35) innerhalb von einem Jahr 5 Prozent ihres Gewichts abnehmen sollen. Bei einer Person, die 100 Kilogramm wiegt, wären das z. B. 5 Kilogramm. Menschen mit einem BMI von 35 oder höher sollten sogar 10 Prozent ihres Körpergewichts abnehmen. Bei einer Person, die 100 Kilogramm wiegt, wären das also 10 Kilogramm.
58 von 100 Personen, die Liraglutid spritzten, verloren fünf Prozent oder mehr ihres Gewichts. In den Kontrollgruppen, die kein Liraglutid bekamen, nahmen im Gesamtschnitt 26 von 100 Personen fünf Prozent oder mehr ihres Gewichts ab.
Wie viele Personen haben mit Liraglutid innerhalb eines Jahres zehn Prozent oder mehr ihres Gewichts verloren?
31 von 100 Personen, die Liraglutid spritzten, verloren zehn Prozent oder mehr ihres Gewichts. In den Kontrollgruppen ohne Liraglutid nahmen 9 von 100 Personen zehn Prozent oder mehr ihres Gewichts ab.
Welchen Einfluss hat Liraglutid auf das Wohlbefinden?
Das Spritzen von Liraglutid hatte keinen spürbaren Einfluss auf das Wohlbefinden der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer.
Welche Nebenwirkungen können beim Spritzen von Liraglutid auftreten und wie häufig sind sie?
Generelle Nebenwirkungen
Insgesamt traten bei Menschen, die Liraglutid einnahmen, etwas mehr Nebenwirkungen auf als in den Kontrollgruppen. 80 von 100 Personen mit Liraglutid berichteten von Nebenwirkungen. In den Gruppen ohne Liraglutid war dies bei 74 von 100 Personen der Fall.
Schwerwiegende Nebenwirkungen
Schwerwiegende Nebenwirkungen, die einen Arztbesuch notwendig machten, traten bei 6 von 100 Personen mit Liraglutid auf. In den Gruppen ohne Liraglutid kam es bei 5 von 100 Personen zu schwerwiegenden Nebenwirkungen.
Beschwerden des Magen-Darm-Traktes
Die häufigsten Nebenwirkungen bei Liraglutid waren Übelkeit, Durchfall und Erbrechen. So berichteten im Zeitraum von etwa einem Jahr 40 von 100 Personen mit Liraglutid-Therapie von Übelkeit und 20 von 100 Personen von Durchfall. Von den Teilnehmenden, die ein Medikament ohne Wirkstoff bekamen, berichteten 16 von 100 Personen von Übelkeit und 8 von 100 Personen von Durchfall. Verstopfungen kamen mit Liraglutid etwas häufiger vor als in den Kontrollgruppen, allerdings waren die Ergebnisse nicht eindeutig.
Beschwerden des zentralen Nervensystems (ZNS)
Das zentrale Nervensystem umfasst alle Nerven und Nervenbahnen von Gehirn und Rückenmark. Bei wenigen Menschen in den Studien traten unter Liraglutid Kopfschmerzen oder Schlaflosigkeit auf. Es ist aber unklar, ob diese durch Liraglutid verursacht wurden. Bei manchen Studien kamen diese Nebenwirkungen etwas häufiger vor als in der Kontrollgruppe, andere Studien wiederum zeigten hier keinen Unterschied.
Beschwerden der Psyche
Da Liraglutid im Gehirn wirkt, wurde ebenfalls geprüft, ob das Medikament psychische Beschwerden hervorrief. Bei Menschen, die Liraglutid spritzten, kam es nicht häufiger zu Angstzuständen, Depressionen oder ähnlichen Beschwerden als in den Kontrollgruppen.