Christian (54) - persönlicher Erfahrugnsbericht
Ich bin der Christian, 54 Jahre alt und Projektmanager. Also ich bin ein Typ, der, wenn er unter Anspannung steht, immer schon ein bisschen ja ähm Harn, Urin, verloren hat. Und das ist dann auffällig geworden. Also das war 2006 und es wurde diagnostiziert eine Dranginkontinenz. Für mich war es eine Überwindung. Muss ich ehrlich sagen. Es ist schon eine Herausforderung dann als Mann zu sagen, man hat da Probleme. Ich dachte immer, das wäre eine Alterserscheinung.
Am Anfang war die Scham. Muss ich wirklich sagen. Weil ich dachte, es wäre so eine Altherren-, Altdamenerkrankung. Und dann hab ich's umfunktioniert. Ich hab gesagt "Mensch, das ist doch keine Erkrankung, das ist eine Störung. Ich kann einfach nur jedem empfehlen, wenn man wirklich etwas merkt, an seinem Körper.
Recherchieren ist gut, aber dann sollte man sich eine Vertrauensperson nehmen, die dann, wo man das Gefühl hat, die könnte was bewegen. Es ist schwierig, überhaupt das Thema erstmal anzusprechen. Damit man erstmal zum Arzt geht, und man geht ja nicht offensiv rein, in die Geschichte und sagt "Hey, ich hab dies und das", sondern man fragt so nach wie faktisch in der dritten Person, "Ich kenn da jemanden"...
Meine Ärztin hat die verschiedensten Möglichkeiten aufgezeigt. Ich bin jemand, der viele Sachen hinterfragt, dass ich nicht ein Typ bin, der sagt "Ok, das ist gleich das, was mit helfen könnte", sondern die hat mir die ganzen einzelnen Dinge, die es gibt, vorgestellt ob mit Unterhose speziell, mit Einlagen, mit Medikamenten, mit Hyaluron, sogar Botox hat sie angesprochen. Jetzt war es meine Angelegenheit, herauszufinden, welche Therapieform oder welche Sache mir helfen würde. Da war ich mir noch nicht schlüssig und deshalb habe ich viele Sachen erstmal ausprobiert.
Ich brauche wie ein Tankstellennetz erstmal ein Toilettennetz in der Nähe. Meine Firma weiß davon nichts. Ich möchte das auch nicht. Die wissen schon, dass ich häufig auf Toilette gehe. Die denken immer, ich trink halt zuvieloder hab halt ne schwache Blase. Allerdings bei Präsentationen, da ist man total aufgeregt, da muss man dafür Sorge tragen, dass man kurz davor noch auf Toilette geht, und dass man eine kleine Pause einbaut. Also ich halte das nicht ne Stunde durch sondern dazwischen muss, mach ich mir schon die Gelegenheit, und wenns ein Witz ist. Ich sage "Ja, jetzt machen wir kurz mal ne Raucherpause" und die Raucherpause nutz ich dann, um auf Toilette zu gehen.
Ich verstehe unsere Gesellschaft nicht, dass das immer gleich als Schwäche ausgelegt wird. Also meine Störung ist nicht sichtbar. Wenn ich sie öffentlich machen würde dann heißt es gleich "Das ist ja die Schwäche", dann ist das so eine Leistungsreduzierung. Ich glaube, ich habe mittlerweile eine gute Regelung gefunden, die mich beruhigt. Also, meine Frau weiß das, ich weiß, wie man damit umgeht und das Umfeld muss das nicht unbedingt wissen.
Also ich fühl mich auch nicht schlecht dabei. Die Störung oder solche Krankheitsbilder sind nicht das Ende der Welt. Sondern man muss den Umgang damit üben.Man kann ihn meistern, man wird ihn meistern und mein Lebensmotto ist wirklich: Das Leben ist schon eine Herausforderung. Da macht so ein kleines, winziges Störungsrädchen nicht irgendwie das Leben kaputt. Also, man verliert kaum Lebensqualität. Im Gegenteil, man wird sich vielen Sachen bewusster. Und achtet dann mehr auf seine Gesundheit. Das ist auch eine Chance um Sachen tiefgründiger zu begreifen.