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Vorhofflimmern

Hilft die Ablation bei anfallsartigem Vorhofflimmern besser als Medikamente?

Was wirkt besser bei anfallartigem Vorhofflimmern?

Vorhofflimmern  ist eine Erkrankung, bei der der natürliche Herzschlag gestört ist. Es gibt verschiedene Formen von Vorhofflimmern, die unterschiedlich behandelt werden. In diesem Studiencheck geht es um anfallsartiges Vorhofflimmern mit Beschwerden. Das heißt, bei diesen Patientinnen und Patienten tritt das Vorhofflimmern anfallsartig, also immer mal wieder, auf. 

Für Menschen, die unter Vorhofflimmern mit Beschwerden leiden, kommen unter bestimmten Voraussetzungen zwei Behandlungen in Betracht: 1. Medikamente, die den Herzschlag kontrollieren. Sie heißen Antiarrhythmika und beeinflussen die Aktivität des Herzmuskels. 2. ein chirurgischer Eingriff: eine Vorhof-Ablation bzw. Katheter-Ablation

Was passiert bei einer Vorhof-Ablation?

Bei der Vorhof-Ablation werden bestimmte Bereiche des Herzmuskels in einer Operation verödet. Dabei führt der Arzt, die Ärztin einen dünnen Schlauch in das Herz ein – einen Herzkatheter. Mit diesem Katheter vernarbt der Arzt oder die Ärztin einen Teil des Gewebes durch Hitze. Dadurch kann es keine Flimmerwellen mehr weiterleiten. Die Vorhof-Ablation mit dem Herzkatheter wird auch Katheter-Ablation genannt.

In diesem Studiencheck geht es um die Katheter-Ablation als Ersttherapie. Das heißt, die Patientinnen und Patienten bekommen die Katheter-Ablation als erste Behandlung nach ihrer Diagnose und hatten vorher noch keine andere Behandlung gegen ihr Vorhofflimmern, z. B. Antiarrhythmika.

Wie wirksam und sicher ist eine Katheter-Ablation im Vergleich zu Antiarrhythmika? Wir haben uns die Studienlage dazu angeschaut. Eine Metaanalyse untersuchte diese Frage und fasste die Ergebnisse aus mehreren randomisiert-kontrollierten Studien (RCT) zusammen.

Was wurde untersucht?

Eine systematische Übersichtsarbeit untersuchte die Wirksamkeit und Sicherheit der Katheter-Ablation im Vergleich zu Medikamenten (Antiarrhythmika) als erste Behandlung bei Patientinnen und Patienten mit anfallsartigem Vorhofflimmern, bei denen die Patientinnen und Patienten auch Beschwerden hatten. Die Autorinnen und Autoren fanden sechs randomisiert-kontrollierte Studien, die diese Frage untersuchten, und fassten die Ergebnisse zusammen.

Die Teilnehmenden erhielten entweder eine Katheter-Ablation oder ein Medikament aus der Gruppe der Antiarrhytmika. Dann wurden sie 1 bis 2 Jahre lang beobachtet. Folgende Fragen wurden dabei untersucht:

  • Wie viele Teilnehmende bekamen nach der Behandlung wieder Vorhofflimmern oder eine ähnliche Herzrhythmusstörung?
  • Bei wie vielen Teilnehmenden traten nach der Behandlung schwerwiegende unerwünschte Folgen, z. B. Nebenwirkungen, auf.
     

Die Ergebnisse auf einen Blick:

Die Ergebnisse deuten an, dass eine Katheter-Ablation wirksamer gegen anfallsartiges Vorhofflimmern ist als Medikamente. Nach einer Ablation traten bei 32,5 Prozent der Operierten innerhalb von 1 bis 2 Jahren wieder Herzrhythmusstörungen auf. Bei Menschen, die Antiarrhythmika einnahmen, bekamen 53 Prozent wieder Herzrhythmusstörungen.

Schwerwiegende Nebenwirkungen traten bei beiden Behandlungen gleich häufig auf.

In den Einzelstudien wurden methodische Schwachstellen erkannt, die auch das Ergebnis der Übersichtsarbeit beeinflusst haben könnten. Diesen Einfluss bewerten wir jedoch als gering. Die Ergebnisse sind daher verlässlich.

Die einzelnen Studien untersuchen Menschen mit einem mittleren Alter von 56 Jahren. Sie hatten keine schwerwiegenden Herzfehler oder Herzschwäche. Die häufigste Begleiterkrankung war Bluthochdruck. Die Ergebnisse lassen sich daher nicht vollständig auf ältere Menschen mit anderen Begleiterkrankungen übertragen.
 

Wirksamkeit der Behandlungen

Von den Teilnehmenden mit Katheter-Ablation bekamen 32, 5 Prozent innerhalb von 1 bis 2 Jahren wieder Vorhofflimmern oder eine ähnliche Herzrhythmusstörung (mit oder ohne Beschwerden).
Von den Teilnehmenden mit Medikament bekamen 53,0 Prozent innerhalb von 1 bis 2 Jahren wieder Vorhofflimmern oder eine ähnliche Herzrhythmusstörung (mit oder ohne Beschwerden).
Das Risiko wieder Vorhofflimmern oder eine ähnliche Herzrhythmusstörung zu bekommen, war also nach einer Behandlung mit der Katheter-Ablation geringer als bei einer Behandlung mit Medikamenten.

Alle Studien untersuchten, ob in den jeweiligen Gruppen eine zusätzliche Katheter-Ablation notwendig wurde. In der Gruppe, die bereits eine Katheter-Ablation erhalten hatte, erhielten 14 von 100 Personen eine weitere Katheter-Ablation, um wiederkehrendes Vorhofflimmern zu behandeln. In der Gruppe, die Medikamente bekamen, erhielten 16 von 100 Personen eine Katheter-Ablation, um wieder aufgetretenes Vorhofflimmer zu behandeln.

Wie viele schwerwiegenden Nebenwirkungen traten auf?

In der Gruppe mit Katheter-Ablation und in der Gruppe mit Antiarrhythmika traten gleich viele schwerwiegende Nebenwirkungen auf. In beiden Gruppen waren 3 bis 4 von 100 Personen betroffen.

Folgende Nebenwirkungen wurden erfasst (Beispiele):

  • Gefäßkomplikationen an der Einstichstelle für den Katheter
  • Flüssigkeitsansammlungen im Herzbeutel
  • Verengung der Lungenvene
  • Schädigung des Zwerchfellnervs
  • Blutgerinnsel
  • Verlangsamter Herzschlag
  • Ohnmacht
  • Vorhofflattern
     

Wie viele Teilnehmende verstarben während der Studie?

In fünf der sechs Studien wurde ermittelt, wie viele Teilnehmende innerhalb von 2 bis 3 Jahren verstarben. In vier Studien verstarb niemand. In einer Studie starb in beiden Gruppen jeweils weniger als 1 von 100 Teilnehmenden.

Einschränkung der Ergebnisse

Die Ergebnisse der Studien sind eingeschränkt aussagekräftig.

Die einzelnen Studien untersuchen Menschen mit einem mittleren Alter von 56 Jahren. Sie hatten keine schwerwiegenden Herzfehler oder Herzschwäche. Die häufigste Begleiterkrankung war Bluthochdruck. Die Ergebnisse lassen sich also nicht vollständig auf ältere Menschen mit anderen Begleiterkrankungen übertragen.

Außerdem wurden in den Einzelstudien methodische Schwachpunkte erkannt. Dies kann auch die Ergebnisse der Übersichtsarbeit beeinflusst haben. Allerdings wird der Einfluss der methodischen Schwächen als eher gering erachtet.

Woher stammen die Daten?

Die Daten stammen aus einer Übersichtsarbeit, der sechs randomisiert-kontrollierte Studien zu Grunde lagen. In die sechs Einzelstudien wurden mehrheitlich Menschen mit symptomatischem anfallsartigem Vorhofflimmern eingeschlossen. Insgesamt nahmen 1215 Personen an den Studien teil. Das mittlere Alter lag über alle RCTs hinweg bei 56 Jahren. Angaben zur Geschlechterzusammensetzung in den RCTs liegen nicht vor.

Es gibt verschiedene Methoden der Katheter-Ablation. Bei den sechs eingeschlossenen Studien untersuchen drei die Methode „Radiofrequenzablation“ und drei die Methode „Kryoablation“. In allen sechs Studien wurde als Ablationsstrategie eine Pulmonalvenenisolation (PVI) durchgeführt. In zwei Studien fanden neben der PVI zusätzliche Ablationsstrategien statt.

Nach der Ablation wurden in drei Studien zum größten Teil Klasse Ic Antiarrhythmika verwendet (z. B. Flecainid und Propafenon). Nur ein kleinerer Anteil an Teilnehmenden erhielt Klasse III Antiarrhythmika (z. B. Amiodaron oder Dronedaron). In drei Studien lag der Anteil an Teilnehmenden mit Klasse III Antiarrhythmika bei 19 bis 23%. 

Die Autorinnen prüften, ob der Ablationstyp einen Einfluss auf die Ergebnisse hatte. Dies war nicht der Fall.

Weitere Ergebnisse aus Studien

In dieser randomisiert-kontrollieren multinationalen Studie wurde untersucht, ob eine Katheterablation im Vergleich zu Medikamenten wirksamer ist und wie sich die Behandlung auf die Lebensqualität auswirkt.

An der Studie nahmen Menschen mit verschiedenen Arten von Vorhofflimmern teil. Bei manchen war das Vorhofflimmern unbehandelt, bei anderen nicht ausreichend behandelt. Bei einigen trat das Vorhofflimmern anfallsartig auf, bei anderen handelte es sich um ein anhaltendes Vorhofflimmern.

Alle Teilnehmenden wurden in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Gruppe erhielt eine Katheter-Ablation, die andere wurde mit Medikamenten behandelt. In der Untersuchungsgruppe, die eine Katheter-Ablation als Behandlung erhielten, hatten ungefähr 50 von 100 Personen im Beobachtungszeitraum erneutes Vorhofflimmern. In der Medikamentengruppe waren es ungefähr 70 von 100 Personen.

Bei beiden Behandlungen traten unerwünschte Wirkungen auf. Das Risiko für schwere Schlaganfälle, schwerwiegende Blutungen, Herzstillstand oder Tod war im Studienzeitraum in beiden Behandlungsgruppen gleich hoch.

Diese Studie untersuchte auch die Lebensqualität der Teilnehmenden. Die Teilnehmenden mit Katheterablation stuften ihre Lebensqualität nach 12 Monaten höher ein als die Teilnehmenden der Medikamentengruppe.

Das Vertrauen in diese Studienergebnisse ist eingeschränkt. Es besteht ein erhöhtes bzw. hohes Risiko, dass die Ergebnisse möglicherweise von ihrem tatsächlichen Wert abweichen können. Gründe für diese Einschätzungen liegen u. a. in der Art der Datenerhebung oder auch in dem Verhältnis von fehlenden Daten und dem Auftreten der untersuchten Ereignisse.

Insgesamt nahmen 2204 Männer und Frauen mit symptomatischen Vorhofflimmern an 126 Studienstandorten in zehn verschiedenen Ländern an der Studie teil. Der Beobachtungszeitraum betrug im Mittel vier Jahre. In der CABANA-Studie hatten in der Katheter-Ablations-Gruppe 47 Prozent der Teilnehmenden ein persistierendes Vorhofflimmern, 42 Prozent hatten paroxysmales VHF und ca. 10 Prozent langanhaltendes persistierendes VHF. In der Medikamenten-Gruppe hatten 47 Prozent der Teilnehmenden ein persistierendes VHF, 44 Prozent paroxysmales VHF und 9 Prozent langanhaltendes persistierendes VHF. Das durchschnittliche Alter lag in der KA-Gruppe bei 68 Jahren und in der Medikamentengruppe bei 67 Jahren. Der Frauenanteil lag bei etwa 37 Prozent. 

Quellen und Hinweise

Unsere Gesundheitsinformationen können eine gesundheitsbezogene Entscheidung unterstützen. Sie ersetzen nicht das persönliche Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin und dienen nicht der Selbstdiagnostik oder Behandlung.

Mark DB, Anstrom KJ, Sheng S, Piccini JP, Baloch KN, Monahan KH et al. Effect of Catheter Ablation vs Medical Therapy on Quality of Life Among Patients With Atrial Fibrillation: The CABANA Randomized Clinical Trial. JAMA 2019; 321(13):1275–85. doi: 10.1001/jama.2019.0692.

Packer DL, Mark DB, Robb RA, Monahan KH, Bahnson TD, Poole JE et al. Effect of Catheter Ablation vs Antiarrhythmic Drug Therapy on Mortality, Stroke, Bleeding, and Cardiac Arrest Among Patients With Atrial Fibrillation: The CABANA Randomized Clinical Trial. JAMA 2019; 321(13):1261–74. doi: 10.1001/jama.2019.0693.

Turagam MK, Musikantow D, Whang W, Koruth JS, Miller MA, Langan M-N et al. Assessment of Catheter Ablation or Antiarrhythmic Drugs for First-line Therapy of Atrial Fibrillation: A Meta-analysis of Randomized Clinical Trials. JAMA Cardiol 2021; 6(6):697–705. doi: 10.1001/jamacardio.2021.0852.

Unsere Angebote werden regelmäßig geprüft und bei neuen Erkenntnissen angepasst. Eine umfassende Prüfung findet alle drei bis fünf Jahre statt. Wir folgen damit den einschlägigen Expertenempfehlungen, z.B. des Deutschen Netzwerks für Evidenzbasierte Medizin.

Informationen dazu, nach welchen Methoden die Stiftung Gesundheitswissen ihre Angebote erstellt, können Sie in unserem Methodenpapier nachlesen.

Autoren und Autorinnen:
Lisa-Marie Ströhlein
Lisa-Marie Ströhlein

Lisa-Marie Ströhlein

Medical Writerin
Lisa-Marie Ströhlein studierte Medizinische Biologie mit dem Schwerpunkt Wissenschaftskommunikation. Für die Stiftung bereitet sie komplexe medizinische Themen und Inhalte in laienverständlicher Sprache auf.
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Michael Mibs
Michael Mibs

Michael Mibs

Referent Evidenzbasierte Medizin
Michael Mibs ist studierter Gesundheitswissenschaftler und Soziologe. Für die Stiftung erarbeitet er Inhalte für multimediale Informationsangebote auf Basis der Methoden der evidenzbasierten Medizin und konzipiert Analysen mit Bezug zur klinischen Versorgung.
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Nastasia Vogelsang
Nastasia Heilemann

Nastasia Vogelsang

Senior-Multimedia-Producerin
Nastasia Vogelsang studierte Angewandte Medienwirtschaft mit Schwerpunkt TV-Producing. Für die Gesundheitsinformationen der Stiftung konzipiert sie multimediale Formate und steuert deren Umsetzung.
Wissenschaftliche Beratung:
Dr. med. Dagmar Lühmann
Dr. med. Dagmar Lühmann

Dr. med. Dagmar Lühmann

Dr. med. Dagmar Lühmann absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester und studierte anschließend Medizin an der Universität zu Lübeck. Nach dem Examen arbeitete sie als Assistenzärztin am Institut für Transfusionsmedizin und Immunologie und promovierte dort zum Thema "Auswirkungen von Quecksilberexposition auf das menschliche Immunsystem". Später arbeitete sie am Institut für Sozialmedizin an der Universität zu Lübeck mit dem Schwerpunkt evidenzbasierte Medizin und Bewertung von medizinischen Verfahren (Health Technology Assessment). Seit 2013 ist sie als Forschungskoordinatorin am Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig.
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Prof. Dr. med. Martin Scherer
Prof. Dr. Martin Scherer

Prof. Dr. med. Martin Scherer

Prof. Dr. med. Martin Scherer studierte Humanmedizin in Marburg, Wien und Paris. Als Professor an der Universität Lübeck untersuchte er das Thema „Versorgungsforschung und ihre Methoden“. Seine Forschungsschwerpunkte liegen u.a. in der Über- und Unterversorgung und der Entwicklung von Qualitätsindikatoren und Leitlinien. Seit 2012 ist Scherer Leiter der klinischen Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Er ist zudem Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) und Mitglied in weiteren medizinischen Fachgesellschaften. Seit 2015 berät Prof. Dr. med. Martin Scherer die Stiftung Gesundheitswissen.

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Erstellt am: 30.04.2024