Für Haus- und Fachärzte sind Seltene Erkrankungen meist ein Rätsel. Oft fällt es ihnen schwer, eine Diagnose zu stellen oder eine passende Behandlung anzubieten. Dabei können Zentren für Seltene Erkrankungen helfen. Sie unterstützten bei der Diagnosefindung und zeigen Möglichkeiten für die Therapie auf. Lesen Sie hier, wie diese Zentren arbeiten und welche Aufgaben sie haben.
Ein Zentrum für Seltene Erkrankungen ist eine Anlaufstelle für Menschen, bei denen eine Seltene Erkrankung festgestellt wurde oder bei denen der Verdacht auf eine Seltene Erkrankung besteht. Es kann sich dabei zum Beispiel um eine Abteilung eines Klinikums, aber auch um eine spezialisierte Arztpraxis handeln.
An den Zentren arbeiten Expertinnen und Experten mit verschiedenen Fachkenntnissen zusammen. So können sie die Erkrankung in all ihren Facetten betrachten, beurteilen und gemeinsam über die beste Behandlung beraten. Die Zentren realisieren auch Forschungsprojekte zu bestimmten Krankheitsgruppen. Außerdem bestehen Fort- und Weiterbildungsangebote für Ärzte und Ärztinnen. Zudem sind die Zentren für Seltene Erkrankungen national eng miteinander vernetzt und auch auf internationaler Ebene in verschiedenen Netzwerken aktiv. Sie arbeiten auch eng mit Patientenorganisationen zusammen.
Der se-atlas listet alle Zentren für Seltene Erkrankungen in Deutschland auf. Diese Liste bietet einen Überblick über Versorgungseinrichtungen und Selbsthilfeorganisationen für Menschen mit Seltenen Erkrankungen. Nähere Infos zum se-altas bietet die Homepage: https://www.se-atlas.de/.
Eine Übersicht der Zentren in Deutschland mit ihren jeweiligen Schwerpunkten finden Sie hier.
Die ZSE sind eng miteinander vernetzt. In Nordrhein-Westfalen gibt es beispielsweise das Netzwerk NRW-ZSE, dem alle Zentren in diesem Bundesland angehören. In der Regel können sich die Patientinnen und Patienten an das ZSE wenden können, dass Ihrem Wohnort am nächsten liegt. Sollte es dort für das jeweilige Krankheitsbild keine Expertinnen und Experten geben, stellt eine Lotsin, ein Lotse Kontakt zu geeigneten Ansprechpartnern an den anderen Standorten her.
Aber auch in Baden-Württemberg und Bayern gibt es mit dem Kompetenzzentrum Seltene Erkrankungen Baden-Württemberg bzw. dem BASE-Netz (Bayerischer Arbeitskreis für Seltene Erkrankungen) solche Zusammenschlüsse.
Alle deutschen Zentren für Seltene Erkrankungen sind über die Arbeitsgemeinschaft Zentren für Seltene Erkrankungen (AG-ZSE) vernetzt.
Zentren für Seltene Erkrankungen sind eine Anlaufstelle für Menschen, die eine Seltene Erkrankung haben und oder bei denen der Verdacht auf eine Seltene Erkrankung besteht. Sie helfen bei der Suche nach passenden Experten und Expertinnen oder bei der Diagnosefindung. Auch behandelnde Hausärzte, Fachärztinnen sowie Eltern, Angehörige, Patientenselbsthilfen oder Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen können sich mit ihren Anliegen an die Zentren für Seltene Erkrankungen wenden.
Die meisten Zentren betreuen Kinder, Jugendliche und Erwachsene aus ganz Deutschland.
Um an einem Zentrum für Seltene Erkrankungen aufgenommen zu werden, benötigen Sie die Überweisung Ihres behandelnden Arztes. Weitere Informationen zu den Anmeldeverfahren erhalten Sie auf den Internetseiten der jeweiligen Zentren.
Jedes Zentrum fordert bei der Anmeldung bestimmte Unterlagen an. Je nach Zentrum können das zum Beispiel Befunde, Fragebögen oder Arztbriefe sein. Es ist sinnvoll, wenn Sie alle Unterlagen zu Ihrer Krankheitsgeschichte in einem Ordner sammeln, damit Sie sie bei Bedarf einreichen können.
Wie kann ich in einem Zentrum für Seltene Erkrankungen aufgenommen werden?
Um an einem Zentrum für Seltene Erkrankungen aufgenommen zu werden, muss entweder der Verdacht auf eine Seltene Erkrankung bestehen oder eine gesicherte Diagnose vorliegen. Betroffene brauchen deshalb von ihren Haus- oder Fachärzten eine Überweisung an das jeweilige Zentrum.
Außerdem werden in der Regel weitere Unterlagen benötigt wie beispielweise die Krankenakte oder ausgefüllte Fragebögen, damit das Zentrum sich ein genaues Bild machen kann. Wie die Anmeldung genau abläuft, unterscheidet sich je nach Zentrum und wird in der Regel auf dessen Webseite erklärt.
Nach der Anmeldung werden die eingereichten Unterlagen geprüft und in Fallbesprechungen mit verschiedenen Fachleuten diskutiert. Manchmal werden Betroffene auch gebeten selbst in dem Zentrum vorbeizukommen oder weitere Untersuchungen durchführen zu lassen.
Die Zentren erhalten viele Anfragen. In der Regel werden diese der Reihe nach bearbeitet. Dabei kann es zu längeren Wartezeiten kommen, denn jeder Fall wird sehr gründlich geprüft, um passende Diagnosen und Behandlungen zu finden.
Wissen ist gesund.
Die Zentren für Seltene Erkrankungen haben ihre Aufgaben untereinander verteilt. Je nach Aufgabengebiet unterscheidet man zwischen Typ-A-, Typ-B- und Typ-C-Zentren.
Welche Aufgaben haben Zentren für Seltene Erkrankungen?
Zentren für Seltene Erkrankungen sind Einrichtungen, die sich darauf spezialisiert haben, Seltene Erkrankungen festzustellen und zu behandeln. Dafür arbeiten Experten aus verschiedenen Fachrichtungen eng zusammen. Mittlerweile gibt es solche Zentren in ganz Deutschland. Dabei wird zwischen A, B und C-Zentren unterschieden. Die A-Zentren sind sogenannte Referenzzentren. Sie sind auf Schwerpunkte spezialisiert und meist an Universitätskliniken angegliedert.
Wissen ist gesund.
Typ-A-Zentren werden auch Referenzzentren genannt. Sie sind in der Regel Teil einer Universitätsklinik. Sie sind zuständig für Menschen, die noch keine klare Diagnose haben und bei denen mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Seltene Erkrankung vorliegt. Außerdem helfen sie Menschen mit gesicherter Diagnose, die richtigen Anlaufstellen im Versorgungssystem zu finden.
In einem A-Zentrum sichten Experten und Expertinnen mit verschiedenen Spezialisierungen die Akten von Menschen, bei denen der Verdacht auf eine Seltene Erkrankung besteht. Anschließend können die jeweiligen Betroffenen beispielsweise in die Sprechstunde eingeladen oder stationär aufgenommen werden.
Auch wenn A-Zentren krankheitsübergreifend arbeiten, können sie sich nicht auf alle möglichen Seltenen Erkrankungen spezialisieren. Die A-Zentren in Deutschland sind aber gut miteinander vernetzt, sodass die Patienten und Patientinnen bei entsprechender Diagnose auch an andere Zentren für Seltene Erkrankungen weitergeleitet werden können.
A-Zentren sind eng mit Typ-B- und Typ-C-Zentren vernetzt. Sie wirken unterstützend an der Dokumentation und durch Beratung an der Diagnosesicherung mit. Außerdem binden sie Typ-B- und Typ-C-Zentren in die Forschung mit ein und achten bei den Patienten und Patientinnen auf die Einhaltung der jeweils aktuellen Therapieempfehlungen.
Zusätzlich betreiben A-Zentren Forschung zu Seltenen Erkrankungen, sie bilden Studierende aus und sorgen für die Fort- und Weiterbildung von Ärzten und Ärztinnen. Die A-Zentren verfügen auch häufig über spezielle Untersuchungsapparate, Gewebesammlungen (Biobanken) und Register von Menschen mit Seltenen Erkrankungen.
Typ-B-Zentren oder Fachzentren sind Einrichtungen in Krankenhäusern, die Menschen mit Seltenen Erkrankungen versorgen. Sie sind meist auf bestimmte Seltene Erkrankungen oder Krankheitsgruppen spezialisiert. Um hier behandelt zu werden, benötigt man eine gesicherte Diagnose oder zumindest eine sehr klare Verdachtsdiagnose.
B-Zentren sind immer an ein A-Zentrum angeschlossen. Ein B-Zentrum kann sich z. B. an derselben Universitätsklinik wie ein A-Zentrum befinden. Es gibt aber auch B-Zentren an anderen Kliniken, die eng mit dem dazugehörigen A-Zentrum verbunden sind.
Typ-C-Zentren heißen auch Kooperationszentren. Sie behandeln ebenfalls Menschen mit Seltenen Erkrankungen, die eine sichere Diagnose oder klare Verdachtsdiagnose haben. Anders als A- und B-Zentren können sie aber niemanden stationär aufnehmen, sondern behandeln nur ambulant – das bedeutet, dass die Behandlung ohne Übernachtung im Krankenhaus erfolgt und die Arztbesuche der Kontrolle und Beratung dienen. C-Zentren findet man entsprechend häufig in spezialisierten Arztpraxen, medizinischen Versorgungszentren oder Krankenhäusern.
Vielleicht haben Sie auf Ihrem letzten Krankenschein eine Kombination aus Zahlen und Buchstaben bemerkt? Dabei handelt es sich um einen Code, der Ihre Diagnose bezeichnet. Damit wissen Ärzte und Ärztinnen auf einen Blick, was Sie haben. Für Seltene Erkrankungen gibt es verschiedene Codier-Systeme. Lesen Sie hier, was es damit auf sich hat.
An einem Zentrum für Seltene Erkrankungen arbeiten Menschen mit sehr unterschiedlichen Berufen zusammen. Eine besondere Rolle nehmen Lotsen und Lotsinnen ein. Das können Ärzte und Ärztinnen sein, aber auch speziell geschulte Laien. Sie dienen Menschen mit Seltenen Erkrankungen als Wegweiser, Begleiter und Berater und leiten sie zur richtigen Versorgungsstelle im Gesundheitssystem – etwa Stellen innerhalb einer Einrichtung, aber auch andere Einrichtungen in der Nähe, im gesamten Bundesgebiet oder sogar europaweit.
Lotsen und Lotsinnen können allgemeine Fragen zur Versorgung beantworten oder an die zuständigen Experten und Expertinnen weiterleiten. Sie prüfen Patientenunterlagen auf Vollständigkeit, vermitteln Termine bei einer geeigneten Anlaufstelle und planen Aufenthalte in einem Krankenhaus oder einer Klinik.
Ziel ist es immer, Menschen mit ungeklärten Beschwerden zu einer klaren Diagnose zu verhelfen oder die Wartezeiten bis zur Diagnosefindung zu verkürzen. Menschen mit einer festen Diagnose sollten möglichst schnell eine umfängliche Behandlung erhalten, im Idealfall in Wohnortnähe.
Wie unterstützen Lotsen Menschen mit Seltenen Erkrankungen?
Bei Seltenen Erkrankungen ist der Weg vom Verdacht zu einer gesicherten Diagnose und der Behandlung mit vielen Herausforderungen verbunden. Meist muss erst einmal herausgefunden werden, welche Einrichtungen überhaupt das nötige Wissen haben und weiterhelfen können.
In Zentren für Seltene Erkrankungen gibt es deshalb sogenannte Lotsen: Das sind Ärzte oder besonders geschultes Personal. Ihre Aufgabe ist es, Menschen mit einem Verdacht auf eine Seltene Erkrankung oder mit einer entsprechenden Diagnose zur passenden Stelle im Versorgungssystem zu leiten. Das kann eine Stelle innerhalb des eigenen Zentrums sein, aber auch in anderen Einrichtungen in der Nähe, im gesamten Bundesgebiet oder sogar europaweit. Außerdem prüfen sie Unterlagen, planen Fallbesprechungen durch passende medizinische Fachleute, vereinbaren Termine bei Anlaufstellen und organisieren Krankenhausaufenthalte. Und: Sie stehen den Patienten mit einem offenen Ohr für Sorgen und Probleme zur Seite.
So helfen Lotsen, den Weg zu finden. Der ist für viele Menschen mit seltenen Erkrankungen nicht einfach. Doch gemeinsam geht es leichter. Von der Diagnose bis zur passenden Behandlung: Die Lotsen zeigen den Weg.
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Hebestreit H. Zentren für Seltene Erkrankungen – Strukturen, Aufgaben und Netzwerke. Gefasschirurgie 2021; 26(8):577–82. doi: 10.1007/s00772-021-00813-w.
Mücke M. Zentren für Seltene Erkrankungen. In: Mücke M, Conrad R, Hrsg. Seltene Erkrankungen - Das Wichtigste für Ärztinnen und Ärzte aller Fachrichtungen. 1. Auflage. München: Elsevier GmbH; 2021. S. 75–80.
Nationales Aktionsbündnis für Menschen mit Seltene Erkrankungen. Nationaler Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen: Handlungsfelder, Empfehlungen und Maßnahmenvorschläge; 2013. Verfügbar unter: https://www.namse.de/fileadmin/user_upload/downloads/Nationaler_Aktionsplan.pdf [07.11.2024].
Zeidler C, Wagner TO. Begriffsbestimmung und Aufgabenbeschreibung für Lotsen / Case Managerim Zusammenhang mit Zentren für Seltene Erkrankungen (ZSEs); ohne Jahr. Verfügbar unter: https://www.namse.de/fileadmin/user_upload/downloads/Lotsen_in_ZSE.pdf [07.11.2024]
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Erstellt am: 12.02.2025