Pflanzliche Arzneimittel gelten als milde, natürliche Medizin bei Unwohlsein und kleineren Beschwerden. Da sie oft nicht verschreibungspflichtig sind, schreibt man ihnen keine ernsthaften Nebenwirkungen zu. Aber stimmt das? Lesen Sie in diesem Beitrag, was pflanzliche Arzneimittel sind und warum es sinnvoll ist, die Einnahme mit dem Arzt oder der Ärztin zu besprechen.
„Wenn es was Pflanzliches ist, kann es ja nicht schaden“, denken viele Menschen, wenn sie pflanzliche Arzneimittel einnehmen. Werbeversprechen wie „wirkt sanft“ und „mit natürlichen Inhaltsstoffen“ preisen pflanzliche Arzneimittel als natürliche Alternative zu „chemischen“ Arzneimitteln an. Allerdings sind die pflanzlichen Mittel nicht immer so harmlos wie ihr Ruf. Vor allem wenn sie zusammen mit anderen Medikamenten eingenommen werden, können sie Probleme machen.
Welche Arzneimittel „pflanzlich“ genannt werden dürfen, ist im Arzneimittelgesetz (AMG) geregelt: Zum einen dürfen sie nur Pflanzen oder Pflanzenteile enthalten und keine tierischen oder chemischen Zusatzstoffe. Zum anderen müssen sie dafür vorgesehen sein, bestimmte Krankheiten, Schäden oder Beschwerden im Körper zu heilen, zu lindern oder ihnen vorzubeugen. Die Wirkstoffe in pflanzlichen Arzneimitteln sind z. B. Blüten, Wurzeln oder ätherische Öle. Diese können unverarbeitet oder als Zubereitung angeboten werden – etwa als Tinkturen oder Säfte.
Bevor ein pflanzliches Arzneimittel in Deutschland verkauft werden darf, muss es vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen werden. Vor der Zulassung gilt es, die Wirksamkeit und Sicherheit des Mittels in klinischen Studien zu bestätigen – genau wie bei anderen Medikamenten auch. Eine Ausnahme macht man bei traditionellen pflanzlichen Arzneimitteln, also Medikamenten, die seit mindestens 30 Jahren medizinisch eingesetzt werden. Deren Hersteller brauchen für die Registrierung keine klinischen Studien zur Wirksamkeit vorzulegen. Vor der Registrierung als traditionelles pflanzliches Arzneimittel wird aber dennoch überprüft, ob das Mittel sicher und seine Wirksamkeit nachvollziehbar ist.
Auch in der Homöopathie werden oft pflanzliche Stoffe verwendet. Diese werden aber so stark verdünnt, dass das Endprodukt kaum noch oder gar keine Wirkstoffe mehr enthält. Im Gegensatz zur Pflanzenheilkunde richtet sich die Homöopathie nicht nach medizinisch-wissenschaftlichen Grundsätzen. Deshalb durchlaufen homöopathische Arzneimittel auch ein anderes Zulassungsverfahren als pflanzliche Arzneimittel. Homöopathische Mittel müssen auf der Verpackung entsprechend gekennzeichnet werden.
Pflanzliche Arzneimittel sind in Apotheken, Drogerien, Supermärkten und Reformhäusern erhältlich. Wenn Sie ein Arzneimittel zum ersten Mal ausprobieren, kann eine Beratung in der Apotheke oder durch einen Arzt, eine Ärztin sinnvoll sein. Dort erfahren Sie auch, bei welchen Beschwerden das Mittel geeignet ist, was es bewirken kann und welche Dosis Sie benötigen. Geben Sie Acht, woher die Arzneimittel stammen und ob die Qualität geprüft wurde. Apotheken müssen die Qualität Ihrer Waren überprüfen, während das bei anderen Anbietern wie z. B. Onlineshops nicht immer der Fall ist.
Pflanzliche Arzneimittel nennt man auch Phytotherapeutika. In der Drogerie oder im Reformhaus stehen sie nicht selten in einem Regal mit Nahrungsergänzungsmitteln. Als pflanzliche Nahrungsergänzungsmittel werden etwa Zubereitungen aus Knoblauch, Algen, Grüntee oder Ginkgo angeboten. Es gibt viele Ähnlichkeiten zwischen pflanzlichen Arzneimitteln und pflanzlichen Nahrungsergänzungsmitteln. Beide können aus den gleichen Pflanzen hergestellt sein, ähnliche Verpackungen und ähnliche Werbesprüche haben. Allerdings müssen pflanzliche Arzneimittel vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zugelassen bzw. registriert sein. Dafür durchlaufen sie ein Verfahren, in dem ihre Sicherheit geprüft wird. Gut zu wissen daher: Bei solchen geprüften Arzneimitteln ist eine Zulassungs-Nummer bzw. Registrierungs-Nummer auf die Verpackung gedruckt. Wenn Sie darin unsicher sind, können Sie sich in der Arztpraxis oder Apotheke beraten lassen.
Es ist ein Irrglaube, dass pflanzliche Arzneimittel unbedenklich sind. Wie chemische Arzneimittel können auch sie schädliche Effekte haben. Mögliche Nebenwirkungen sind Magen-Darm-Beschwerden, allergische Reaktionen und Hautprobleme. Letztere treten unter anderem dann auf, wenn Arzneimittel die Haut lichtempfindlicher machen. Außerdem kann es zu Vergiftungen kommen, wenn das Mittel falsch verwendet wird, z. B. wenn Kinder ätherische Öle trinken. Auch auf die Menge kommt es an: So können etwa große Mengen Süßholz den Hormonhaushalt durcheinanderbringen und den Blutdruck erhöhen. Bitte beachten Sie, dass dies nur Beispiele für mögliche Nebenwirkungen sind. Sprechen Sie vor der Einnahme eines Arzneimittels immer mit einer Ärztin oder einem Apotheker. Das gilt vor allem, wenn Sie regelmäßig andere Medikamente einnehmen, Vorerkrankungen haben oder schwanger sind.
Pflanzliche Arzneimittel können die Wirkung anderer Medikamente im Körper beeinflussen. Dabei spielt die Leber eine wichtige Rolle, wo Medikamente abgebaut werden. Bestimmte Arzneimittel können diesen Abbau beschleunigen oder verlangsamen. Johanniskraut z. B. kann dazu führen, dass bestimmte Arzneimittel schneller abgebaut werden. Die Wirkung dieser Medikamente fällt dadurch geringer aus. Das gilt etwa für bestimmte Gerinnungshemmer oder die Anti-Baby-Pille. Bitte beachten Sie, dass dieser Text nur Beispiele möglicher Nebenwirkungen und Wechselwirkungen pflanzlicher Arzneimittel nennt. Lassen Sie sich daher vor dem Gebrauch eines pflanzlichen Arzneimittels über mögliche Wechselwirkungen beraten. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn Sie bereits regelmäßig Arzneimittel einnehmen.
Die Spezialisierungen in der Medizin können verwirrend sein. Wer macht eigentlich was? Wann sollte man überhaupt zum Facharzt gehen? Und welche Rolle spielt dabei der Hausarzt?
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Erstellt am: 12.04.2022