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Schlafmittel

Wie wird Schlafmittelabhängigkeit behandelt?

Schlafmittel-Abhängigkeit ist eine Erkrankung, die sich behandeln lässt. In der Behandlung macht man einen Entzug vom Schlafmittel. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Patientinnen und Patienten durch den Entzug zu begleiten, etwa Motivationsgespräche, Medikamente und psychologische Unterstützung. Lesen Sie auf dieser Seite mehr darüber.

Was bringt die Behandlung einer Schlafmittel-Abhängigkeit?

Die Behandlung einer Schlafmittel-Abhängigkeit kann verschiedene Ziele haben. Das wichtigste Ziel ist es, die Einnahme des Schlafmittels zu beenden. Ist das nicht möglich, kann man zumindest erreichen, dass weniger Schlafmittel eingenommen wird. So können Nebenwirkungen des Schlafmittels gelindert werden. Eventuell kann man einige Zeit später noch einmal versuchen, das Mittel abzusetzen. Eine Alternative zum Absetzen wäre es, die Patientin, den Patienten auf ein weniger schädliches Medikament umzustellen. Manche Menschen mit Schlafmittel-Abhängigkeit entscheiden sich auch gegen eine Behandlung.

Portrait Dr. Rüdiger Holzbach

Schlafmittel-Abhängigkeit behandeln

Das Ziel einer Entwöhnung oder Entzugsbehandlung von Schlaf- und Beruhigungsmitteln ist immer, dass danach eine zufriedenstellende Schlafqualität da ist, idealerweise ohne Medikamente oder mit Medikamenten, die nicht abhängig machen und die man langfristig einsetzen kann.

Zunächst steht natürlich die Aufklärung über die Folgen des Langzeit-Gebrauchs im Vordergrund, also quasi die Motivation, überhaupt etwas zu verändern. Im zweiten Schritt geht es darum, dass man schrittweise den Entzug macht, immer in ärztlicher Begleitung und Kontrolle. Und im dritten Schritt geht es darum, zu gucken: Welche Strategien kann man anwenden, damit keine Rückfälligkeit auftritt.

Der Entzug von Schlaf- und auch Beruhigungsmitteln funktioniert in der Regel sehr gut. Das kann man ambulant machen. Und die allermeisten Patientinnen und Patienten schaffen das, wenn man das fachlich richtig begleitet, auch problemlos. Und die Rückfallquote ist im Kontext von Suchterkrankungen die niedrigste von allen Suchterkrankungen.

Wie läuft die Behandlung bei Schlafmittel-Abhängigkeit ab?

Schlafmittel-Abhängigkeit behandelt grundsätzlich der Hausarzt, die Hausärztin. Wenn dies nicht zum Erfolg führt oder sehr viel Schlafmittel eingenommen wurde, kann die Behandlung auch im Krankenhaus erfolgen. Auch wenn andere schwere Erkrankungen vorliegen oder starke Entzugserscheinungen zu erwarten sind, spricht dies für eine Behandlung im Krankenhaus. 
Die Behandlung einer Schlafmittel-Abhängigkeit wird in drei Phasen eingeteilt:

Am Anfang geht es darum, Gründe für die Behandlung zu sammeln. Betroffene werden zum Beispiel über die Abhängigkeitserkrankung sowie über die Medikamente und ihre Risiken informiert. Außerdem werden die Behandlungs-Möglichkeiten erklärt.

Im zweiten Schritt beginnt man, das Schlafmittel langsam abzusetzen. Dafür wird die Dosis, die man bisher eingenommen hat, in kleinen Schritten verringert. In dieser Zeit können Beschwerden wie Zittern, Unruhe oder Schwitzen auftreten. Um diese Phase zu erleichtern, können unterstützende Gespräche und Psychotherapie angeboten werden. Der Entzug ist abgeschlossen, wenn der Patient, die Patientin keine Benzodiazepine oder Z-Substanzen mehr einnimmt, keine Rückstände des Stoffes mehr in Blut und Urin nachweisbar sind und keine Entzugserscheinungen mehr auftreten.

Die Nachsorge soll sicherstellen, dass Betroffene nach einem erfolgreichen Entzug nicht erneut zu Schlafmitteln greifen. Dazu kann sich zum Beispiel an den Entzug eine medizinische Rehabilitation anschließen.

Wie kann Schlafmittelabhängigkeit behandelt werden?

Es gibt mehrere Möglichkeiten, Schlafmittel-Abhängigkeit zu behandeln. Auch eine Kombination aus verschiedenen Methoden kann zum Ziel führen.

Wer Benzodiazepine oder Z-Substanzen über einen längeren Zeitraum einnimmt, darf sie nicht abrupt absetzen. Sonst kann es zu Beschwerden bis hin zu schweren Entzugserscheinungen wie Verwirrtheit, Delirium, Bewusstseinsstörungen oder Krampfanfällen kommen. Wie stark die Beschwerden sind, ist unter anderem auch abhängig von der Dosis, die zuletzt eingenommen wurde, und von der Dauer der Einnahme insgesamt. Die Beschwerden fallen deutlich milder aus, wenn man die Dosis schrittweise verringert, sich also „ausschleicht“. Dafür gibt es keinen allgemeingültigen Zeitplan, vielmehr wird mit dem Arzt, der Ärztin besprochen, wann der nächste Schritt folgt. Ein Entzug kann sich über Wochen, aber auch Monate erstrecken, sollte aber möglichst nicht länger als sechs Monate dauern. 

Benzodiazepine unterscheiden sich stark in ihrer Wirkungsdauer. Es gibt in dieser Stoffgruppe Medikamente, die nur wenige Stunden wirken. Andere hingegen wirken die ganze Nacht über. Wenn man bisher ein kurz wirksames Mittel eingenommen hat, bietet es sich an, während des Entzugs auf ein Mittel umzustellen, das länger wirkt. So lässt sich die Dosis in noch kleineren Schritten verringern und man muss das Mittel nicht so häufig einnehmen.

Der Entzug verursacht häufig Beschwerden. Bestimmte Medikamente können diese Beschwerden verringern. Es lässt sich aber noch nicht genau sagen, welchen Nutzen diese Hilfsmedikamente haben.

Professionelle seelische Unterstützung hilft vielen Betroffenen nicht nur bei der Behandlung der Schlafmittel-Abhängigkeit selbst. Manchmal haben auch andere Erkrankungen die Schlafstörungen verursacht oder zur Einnahme von Schlafmitteln geführt – zum Beispiel seelische Erkrankungen. Eine professionelle Begleitung mag auch in diesem Falle hilfreich sein. Nach einem erfolgreichen Entzug kann außerdem eine Psychotherapie oder andere professionelle Begleitung helfen, nicht rückfällig zu werden. 

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Menschen mit Schlafmittel-Abhängigkeit zu unterstützen – je nachdem wie stark sie betroffen sind und in welcher Behandlungs-Phase sie sich befinden. Manchen Menschen hilft dabei schon ein motivierendes Gespräch. Bei anderen ist eine intensivere Unterstützung sinnvoll, zum Beispiel in Form einer Psychotherapie. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass vor allem die kognitive Verhaltenstherapie helfen kann, einen Entzug zu beginnen und erfolgreich abzuschließen.

Wie erfolgt die Nachsorge?

Ist der Entzug erfolgreich abgeschlossen, empfehlen Experten eine medizinische Rehabilitation, kurz: Reha. Die Reha soll der Patientin, dem Patienten helfen, weiterhin auf Schlafmittel zu verzichten. Sie ist vor allem dann sinnvoll, wenn Betroffene die Mittel gebraucht haben, um einen bestimmten Gemütszustand wie etwa Angst zu vermeiden. Eine Reha findet meist in einer spezialisierten Klinik statt. Manche Patientinnen und Patienten übernachten in der Klinik, werden also voll stationär aufgenommen. Dadurch können sie noch intensiver an ihrer Nachsorge arbeiten. Andere Menschen sind nur tagsüber in der Reha-Klinik, die Abende und Wochenenden zu Hause. Das hat den Vorteil, dass sie das Gelernte sofort in ihrem gewohnten Umfeld ausprobieren können. Weitere Möglichkeiten zur Nachsorge sind regelmäßige Gespräche mit dem Hausarzt, der Hausärztin, Selbsthilfegruppen oder auch eine kognitive Verhaltenstherapie.

Quellen und Hinweise

Unsere Gesundheitsinformationen können eine gesundheitsbezogene Entscheidung unterstützen. Sie ersetzen nicht das persönliche Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin und dienen nicht der Selbstdiagnostik oder Behandlung.

Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde, Deutsche Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie e. V., editors. S3-Leitlinie. Medikamentenbezogene Störungen: 1. Auflage. Version 01.2020; 2020.

Pottie K, Thompson W, Davies S, Grenier J, Sadowski CA, Welch V et al. Deprescribing benzodiazepine receptor agonists: Evidence-based clinical practice guideline. Can Fam Physician 2018;64(5):339–51.

Soyka M. Treatment of Benzodiazepine Dependence. N Engl J Med 2017;376(12):1147–57. doi: 10.1056/NEJMra1611832.

Vogel M, Caflisch C. Sedativa und Hypnotika. In: Soyka M, Batra A, Heinz A, Moggi F, Walter M, editors. Suchtmedizin. München: Urban & Fischer; 2019. p. 259–78. http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/B978343723021900014X [23.11.2021].

Unsere Angebote werden regelmäßig geprüft und bei neuen Erkenntnissen angepasst. Eine umfassende Prüfung findet alle drei bis fünf Jahre statt. Wir folgen damit den einschlägigen Expertenempfehlungen, z.B. des Deutschen Netzwerks für Evidenzbasierte Medizin.

Informationen dazu, nach welchen Methoden die Stiftung Gesundheitswissen ihre Angebote erstellt, können Sie in unserem Methodenpapier nachlesen.

Autoren und Autorinnen:
Jochen Randig
Jochen Randig

Jochen Randig

Senior-Multimedia-Producer / Fachleitung multimediale Formate
Jochen Randig ist Kommunikationswissenschaftler mit Schwerpunkt Bewegtbild. Für die Stiftung konzipiert er multimediale Formate und ist für die Qualitätssicherung und Dienstleistersteuerung in diesem Bereich zuständig.
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Lisa-Marie Ströhlein
Lisa-Marie Ströhlein

Lisa-Marie Ströhlein

Medical Writerin
Lisa-Marie Ströhlein studierte Medizinische Biologie mit dem Schwerpunkt Wissenschaftskommunikation. Für die Stiftung bereitet sie komplexe medizinische Themen und Inhalte in laienverständlicher Sprache auf.
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Michael Mibs
Michael Mibs

Michael Mibs

Referent Evidenzbasierte Medizin
Michael Mibs ist studierter Gesundheitswissenschaftler und Soziologe. Für die Stiftung erarbeitet er Inhalte für multimediale Informationsangebote auf Basis der Methoden der evidenzbasierten Medizin und konzipiert Analysen mit Bezug zur klinischen Versorgung.
Wissenschaftliche Beratung:
Prof. Dr. med. Martin Scherer
Prof. Dr. Martin Scherer

Prof. Dr. med. Martin Scherer

Prof. Dr. med. Martin Scherer studierte Humanmedizin in Marburg, Wien und Paris. Als Professor an der Universität Lübeck untersuchte er das Thema „Versorgungsforschung und ihre Methoden“. Seine Forschungsschwerpunkte liegen u.a. in der Über- und Unterversorgung und der Entwicklung von Qualitätsindikatoren und Leitlinien. Seit 2012 ist Scherer Leiter der klinischen Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Er ist zudem Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) und Mitglied in weiteren medizinischen Fachgesellschaften. Seit 2015 berät Prof. Dr. med. Martin Scherer die Stiftung Gesundheitswissen.
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Dr. med. Dagmar Lühmann
Dr. med. Dagmar Lühmann

Dr. med. Dagmar Lühmann

Dr. med. Dagmar Lühmann absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester und studierte anschließend Medizin an der Universität zu Lübeck. Nach dem Examen arbeitete sie als Assistenzärztin am Institut für Transfusionsmedizin und Immunologie und promovierte dort zum Thema "Auswirkungen von Quecksilberexposition auf das menschliche Immunsystem". Später arbeitete sie am Institut für Sozialmedizin an der Universität zu Lübeck mit dem Schwerpunkt evidenzbasierte Medizin und Bewertung von medizinischen Verfahren (Health Technology Assessment). Seit 2013 ist sie als Forschungskoordinatorin am Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig.

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Erstellt am: 14.11.2022