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Können Apps bei der Rauchentwöhnung helfen?

Studiencheck

Die App Stores bieten unzählige Smartphone-Anwendungen an, die bei der Rauchentwöhnung helfen sollen. Manche dieser sehr unterschiedlichen Apps sollen die Motivation zur Rauchentwöhnung stärken oder aufrechterhalten, andere geben Informationen, Tipps und Tricks rund um das Thema oder sogar strukturierte Anleitungen.

Ob Apps im Allgemeinen oder spezielle Apps jedoch tatsächlich dabei helfen, rauchfrei zu bleiben, ist aktuell weitgehend unerforscht. Ebenso wenig gibt es Erkenntnisse über unerwünschte Folgen von Apps.

Was wurde untersucht?

In einer Übersichtsarbeit aus zwei randomisiert-kontrollierten Studien (RCT) mit insgesamt 1645 Studienteilnehmenden aus dem Jahr 2019 untersuchte, ob Apps bei der Rauchentwöhnung helfen. Dafür wurden erwachsene Raucher und Raucherinnen per Zufall in zwei Gruppen aufgeteilt.

  • Die eine Gruppe nutzte Smartphone-Apps zur Rauchentwöhnung.
  • Die andere Gruppe diente als Vergleichsgruppe. Sie erhielt minimale Unterstützungsmaßnahmen zur Rauchentwöhnung, z.B. eine Selbsthilfebroschüre zum Thema Rauchstopp.

Nach sechs Monaten wurde in beiden Gruppen überprüft, wer rauchfrei war und wer nicht.

Die Ergebnisse

Beide Studien untersuchten Apps, mit denen man einen persönlichen Rauchstopp-Plan erstellen konnte. Die Apps unterschieden sich jedoch in ihren Zusatzfunktionen:

Funktionen der ersten App:

  • Übersicht, wie viel Geld man durch den Rauchstopp gespart hat
  • Übersicht, wie sich die Gesundheit verbessert
  • Unterstützende Nachrichten und inspirierende Fotos passend zum Stand der Rauchentwöhnung
  • Rauchtagebuch zum Aufzeichnen und Auswerten von Rückfällen
  • Leistungsfeedback
  • Erfolge auf Social Media oder mit Freunden teilen
  • Minispiele zur Ablenkung bei Rauchverlangen
  • Evidenzbasierte Informationen
  • Push-Benachrichtigungen zum Fortschritt
  • Zugang zu Entwöhnungsdiensten und -hotlines sowie einer unterstützenden Facebook-Gruppe

Funktionen der zweiten App:

  • Motivierende Nachrichten
  • Wettbewerb und Vergleich mit anderen Nutzern und Nutzerinnen

Nutzen der Behandlungsmethode

Nach sechs Monaten war die Nichtraucherrate in beiden Gruppen etwa gleich groß. Die Ergebnisse der Übersichtsarbeit deuten also darauf hin, dass die Apps keinen zusätzlichen Nutzen bei der Rauchentwöhnung haben. 

Schaden der Behandlungsmethode

Die Autoren und Autorinnen der Übersichtsarbeit weisen darauf hin, dass es keine offensichtlichen Nebenwirkungen bei der Nutzung von Smartphone-Apps zur Rauchentwöhnung gibt. Daher wurden Nebenwirkungen in der Übersichtsarbeit nicht berücksichtigt.

Beide Studien, die in die Übersichtsarbeit eingeflossen sind, haben sich im Vorgang an wichtige wissenschaftliche Standards gehalten. Dennoch ist das Vertrauen in die Studienergebnisse eingeschränkt. Das liegt hauptsächlich daran, dass die zwei Studien nicht genügend Daten liefern, um zuverlässige Schlussfolgerungen ziehen zu können.

Kritisch zu bemerken ist ebenfalls, dass in einer der beiden eingeschlossenen Studien nach sechs Monaten keine Ereignisse berichtet wurden. Die Stichprobe in dieser Studie war mit 46 Studienteilnehmenden sehr klein. Zudem wurde die Wirksamkeit der App ausschließlich bei Aborigines untersucht. Es ist unklar, inwiefern sich diese Ergebnisse auf Menschen in Deutschland übertragen lassen.

In der anderen großen Studie wurde der Raucherstatus der Teilnehmenden nur per Selbstauskunft abgefragt. Dieses Verfahren ist fehleranfällig, denn es ist bekannt, dass Betroffene aus Scham nicht immer zugeben, wenn sie wieder rückfällig geworden sind.

Da Apps zur Rauchentwöhnung sehr unterschiedliche sein können, lassen sich die Ergebnisse dieser Studien nur bedingt auf andere Apps übertragen. Aufgrund all dieser Einschränkungen ist die Zuverlässigkeit des Ergebnisses sehr gering.

Die Ergebnisse stammen aus einer systematischen Übersichtsarbeit aus insgesamt 26 randomisiert-kontrollierten Studien mit 33.849 Studienteilnehmenden.

In einer Untergruppe wurden die Daten von zwei randomisiert-kontrollierten Studien ausgewertet, die den Effekt von Smartphone-Apps im Vergleich zu minimalen Unterstützungsmaßnahmen auf die kontinuierliche Rauchabstinenzrate nach sechs Monaten untersuchten. In diesen zwei Studien nahmen insgesamt 1.645 erwachsene Raucher und Raucherinnen teil, wobei in der einen Studie 1.599 und in der anderen 46 Studienteilnehmende analysiert wurden. Die beiden Studien wurden in Australien und Kanada durchgeführt. In der australischen Studie wurden ausschließlich Aborigines eingeschlossen. Das mittlere Alter der Studienteilnehmenden betrug in einer Studie 42 Jahre, in der zweiten Studie waren die Hälfte der Studienteilnehmenden zwischen 19 und 23 Jahre alt und niemand älter als 29 Jahre. Der Frauenanteil betrug in der einen Studie 45,6 Prozent und in der anderen Studie 78 Prozent. In einer Studie wurde angegeben, dass 25,6 Prozent mindestens eine Zigarettenpackung pro Tag rauchen.

Die Studienlage zu Rauchentwöhnungs-Apps ist unklar. Bisher gibt es keine Untersuchungen, die den Nutzen von Apps belegen. Die Informationen stellen keine endgültige Bewertung dar, sondern basieren auf den besten derzeit verfügbaren Erkenntnissen.

Rauchentwöhnung

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Quellen und Hinweise

Unsere Gesundheitsinformationen können eine gesundheitsbezogene Entscheidung unterstützen. Sie ersetzen nicht das persönliche Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin und dienen nicht der Selbstdiagnostik oder Behandlung.

Baskerville N, Struik L, Dash D. Crush the Crave: development and formative evaluation of a smartphone app for smoking cessation. JMIR Mhealth Uhealth 2018;6(3):e52. doi: 10.2196/mhealth.9011.

Peiris D, Wright L, News M, Rogers K, Redfern J, Chow C, et al. A smartphone app to assist smoking cessation among Aboriginal Australians: findings from a pilot randomized controlled trial. JMIR MHealth and UHealth 2019;7(4):e12745.

Whittaker R, McRobbie H, Bullen C, Rodgers A, Gu Y, Dobson R. Mobile phone text messaging and app-based interventions for smoking cessation. Cochrane Database Syst Rev. 2019 Oct 22;10(10):CD006611. doi: 10.1002/14651858.CD006611.pub5. 

Unsere Angebote werden regelmäßig geprüft und bei neuen Erkenntnissen angepasst. Eine umfassende Prüfung findet alle drei bis fünf Jahre statt. Wir folgen damit den einschlägigen Expertenempfehlungen, z.B. des Deutschen Netzwerks für Evidenzbasierte Medizin.

Informationen dazu, nach welchen Methoden die Stiftung Gesundheitswissen ihre Angebote erstellt, können Sie in unserem Methodenpapier nachlesen.

Autoren und Autorinnen:
Anne Engler
Anne Engler

Anne Engler

Referentin Evidenzbasierte Medizin
Anne Engler ist Gesundheitswissenschaftlerin. Für die Stiftung erarbeitet sie mit den Methoden der evidenzbasierten Medizin Inhalte für multimediale Informationsangebote.
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Michael Mibs
Michael Mibs

Michael Mibs

Referent Evidenzbasierte Medizin
Michael Mibs ist studierter Gesundheitswissenschaftler und Soziologe. Für die Stiftung erarbeitet er Inhalte für multimediale Informationsangebote auf Basis der Methoden der evidenzbasierten Medizin und konzipiert Analysen mit Bezug zur klinischen Versorgung.
Wissenschaftliche Beratung:
Mag. (FH) Christine Loder

Mag. (FH) Christine Loder

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BSc, MSc Cornelia Krenn
Cornelia Krenn, BSc, MSc

BSc, MSc Cornelia Krenn

Frau Cornelia Krenn, BSc, MSc studierte Gesundheits- und Pflegewissenschaft an der Medizinischen Universität Graz. Vor ihrer Anstellung an der Medizinischen Universität Graz war sie mehrere Jahre als Pharmakovigilanz-Managerin in einem österreichischen Pharmaunternehmen tätig. Seit 2017 ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich evidenzbasierte Medizin am Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung beschäftigt. Daneben absolviert Frau Krenn aktuell das Doktoratsstudium „Sustainable Health Research“ an der Medizinischen Universität Graz.
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Univ. Ass. Mag. rer. nat. Thomas Semlitsch
Portrait Univ.Ass. Mag.rer.nat. Thomas Semlitsch

Univ. Ass. Mag. rer. nat. Thomas Semlitsch

Mag. rer. nat. Thomas Semlitsch studierte Chemie mit dem Ausbildungsschwerpunkt Biochemie und Zellbiologie der Karl Franzens Universität Graz. Vor seiner Anstellung an der Medizinischen Universität Graz war er mehrere Jahre im Bereich Qualitätsmanagement und als Koordinator klinischer Studien an einer österreichischen Privatklinik tätig und absolvierte 2007 eine Post-Graduate Ausbildung zum Good Laboratory Practice (GLP) -Beauftragten für den Bereich analytisches Labor. Von 2008 bis 2014 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Research Unit „EBM Review Center“ der Medizinischen Universität Graz und von 2011 bis 2014 auch am Institut für Biomedizin und Gesundheitswissenschaften der Joanneum Research Forschungsgesellschaft tätig. Seit 2015 ist er als Univ. Assistent am Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung im Fachbereich Evidenzbasierte Medizin beschäftigt. Herr Semlitsch ist seit 2018 Fachbereichssprecher der Sektion Österreich und somit Mitglied des erweiternden Vorstands des Deutschen Netzwerks Evidenz basierte Medizin (DNEbM).

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Erstellt am: 27.02.2025