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Psychische Gesundheit

Diskriminierung wegen Krankheit: Was kann ich tun?

Viele Krankheiten sind mit Vorurteilen verbunden. Stereotype und falsche Annahmen können das Verhalten gegenüber Erkrankten bestimmen. Ausgrenzung oder Diskriminierung ist die Folge. Doch warum diskriminieren Menschen andere überhaupt? Und wie können Betroffene damit umgehen?

Wann spricht man von Diskriminierung?

Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes spricht von Diskriminierung, wenn Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, der Religion, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität im Arbeitsleben oder bei Alltagsgeschäften benachteiligt werden. Beispiele für eine solche Benachteiligung sind folgende:

  • Eine Stellenausschreibung mit einer Altersgrenze
  • Eine Kündigung wegen einer Schwangerschaft
  • Schlechtere Bezahlung aufgrund einer Erkrankung oder eines Geschlechts
  • Verweigerung der Mitgliedschaft im Fitnessstudio aufgrund der Herkunft 

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gibt vor, dass alle Menschen in Deutschland gleich behandelt werden müssen. Diskriminierung von Krankheiten ist demnach also verboten.

Weitere Informationen bietet die Antidiskriminierungsstelle des Bundes.

Diskriminierung und Krankheit: Wer ist betroffen?

Viele verschiedene Menschen sind von Diskriminierung betroffen. Manche Menschen werden aufgrund ihrer Herkunft, ihrer Religion oder Hautfarbe diskriminiert, andere aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Orientierung. Auch Menschen mit Erkrankungen werden in vielen Lebensbereichen benachteiligt. Betroffen sind zum Beispiel:

  • Menschen mit HIV oder AIDS
  • Menschen mit Adipositas
  • Menschen mit der Hauterkrankung Neurodermitis
  • Menschen mit psychischen Erkrankungen wie Depression
  • Menschen mit fortschreitenden chronischen Erkrankungen wie Diabetes oder Multipler Sklerose
  • Menschen, die Pflegeleistungen in Anspruch nehmen
  • Menschen mit Behinderungen

Manche Menschen weisen mehrere Merkmale auf, die zu Diskriminierung führen. Wenn mehrere Diskriminierungsgründe zusammenkommen, können sie sich gegenseitig verstärken.

Wie sieht Benachteiligung bei Diskriminierung konkret aus?

Menschen mit Erkrankungen oder Behinderungen werden in vielen Lebensbereichen benachteiligt. Das geht aus einer Analyse aus dem Jahr 2012 hervor, die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Auftrag gegeben wurde. Die dort beschriebene Benachteiligung wird auch heute noch von Betroffenen berichtet. Je nachdem welche chronische Erkrankung vorliegt, kann die Benachteiligung anders aussehen. In den folgenden Abschnitten werden Beispiele aufgezeigt, wo Menschen mit chronischen Krankheiten Diskriminierung erfahren haben.

Die Benachteiligung in der Arbeitswelt beginnt beim Bewerbungsverfahren. Es kommt vor, dass Menschen eine Arbeitsstelle aufgrund einer chronischen Erkrankung nicht bekommen haben oder bei einer Verbeamtung abgelehnt wurden. Dasselbe gilt für gesunde Menschen, in deren Familien Erbkrankheiten bekannt waren. Als Grund wird angegeben, dass die Bewerber, die Bewerberinnen durch die Erkrankung nicht ausreichend leistungsfähig seien.

Es wird auch vereinzelt von Benachteiligung bei Abschluss von Arbeitsverträgen berichtet. So erhielten einige Betroffene nicht denselben Lohn wie Kollegen und Kolleginnen in ähnlichen Positionen. Während der Anstellung kam es zu Fällen von Mobbing durch die Belegschaft. Manchen Betroffenen wurde auch gekündigt, ohne dass der Arbeitgeber einen sachlichen Grund angeben konnte. Es kommt auch vor, dass Betroffene selbst kündigen, weil sie befürchten, den Anforderungen ihres Berufs nicht mehr gewachsen zu sein.

Beim Abschließen bestimmter Versicherungen ist man gesetzlich verpflichtet, über seinen Gesundheitszustand Auskunft zu geben. Das ist insbesondere bei Lebensversicherungen, Berufsunfähigkeitsversicherungen, Unfallversicherungen und privaten Krankenversicherungen der Fall. Viele Erkrankungen werden dabei als „gefahrenerheblich“ eingestuft. Wer eine solche gefahrenerhebliche Erkrankung angibt, bekommt möglicherweise keine Versicherung oder muss einen erheblich höheren Beitrag dafür zahlen als andere Versicherte. Dies gilt auch für gesunde Menschen, in deren Familien Erbkrankheiten bekannt sind.

In Schulen, Vorschulen, Kindergärten und Kitas erfahren viele Kinder mit chronischen Krankheiten eine Benachteiligung gegenüber gesunden Kindern. Beispielsweise werden sie vom Sportunterricht oder von Klassenfahrten ausgeschlossen, weil Lehrkräfte die erhöhte Sorgfaltspflicht als herausfordernd empfinden.

Es gibt Berichte von Menschen, die aufgrund einer Erkrankung bei einer Bewerbung an einer privaten Bildungseinrichtung abgelehnt wurden. Es handelt sich beispielsweise um Ausbildungsstätten für Krankenpflege oder Flugbegleiter und Flugbegleiterinnen.

Eine Benachteiligung findet auch an Hochschulen statt. Studierende mit einer Behinderung oder chronischen Erkrankung geben an, dass mangelnde Barrierefreiheit an ihrer Hochschule ihnen das Studium erheblich erschwert.

Es sind Vorfälle bekannt, bei denen Menschen mit einer chronischen Erkrankung von Gesundheitspersonal nicht sachgemäß beraten oder behandelt wurden. So wird etwa Menschen mit Adipositas häufig geraten, abzunehmen - unabhängig davon, welche Beschwerden sie haben.

Manche Menschen mit chronischen Krankheiten berichten von Diskriminierung bei der Suche einer Mietwohnung. Die Betroffenen gehen davon aus, dass sie eine Mietwohnung nicht erhalten haben, weil der Vermieter oder Makler sich an Ihrem äußeren Erscheinungsbild störte oder eine ansteckende Krankheit befürchtete.

Warum gibt es Diskriminierung?

Die Ursache für Diskriminierung sind in der Regel Stigmata. Der Begriff Stigma kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Stich“ oder „Wundmal“. Sozialwissenschaftler bezeichnen damit Merkmale bei Menschen, die mit einem Label oder einem Vorurteil behaftet sind und von der gesellschaftlichen Norm abweichen. Wer ein solches Merkmal aufweist, wird als „unnormal“ oder „minderwertig“ wahrgenommen. All die Erwartungen, Wünsche und Rechte der Betroffenen betrachten viele Mitglieder der Gesellschaft nur noch durch die Brille des Stigmas. Oft werden den Stigmatisierten auch weitere negative Eigenschaften zugeschrieben.

Welche Folgen hat Diskriminierung von Krankheiten?

Abgesehen von der offensichtlichen Benachteiligung, die Betroffene durch Diskriminierung erfahren, können Vorurteile und Ausgrenzung noch weitere Folgen haben:

  • Wenn ein Mensch aufgrund einer Krankheit immer wieder als minderwertig behandelt wird, kann es dazu führen, dass er sich selbst nicht mehr als vollwertig betrachtet. Dies mindert das Selbstwertgefühl und die Lebensqualität und bedeutet eine psychische Belastung.
  • Diskriminierte Menschen könnten versuchen, den Eigenschaften, die ihnen zugeschrieben werden, zu widersprechen. Zum Beispiel bemühen sich manche Eltern von Kindern mit Behinderungen darum, ihre Kinder in normale Schulen aufnehmen zu lassen. Die Eltern glauben, dass ihre Kinder den Vorurteilen entgehen, mit dem die Förder- oder Sonderschulen belegt sind.
  • Stigmatisierte Menschen werden oft von sozialen Kontakten ausgeschlossen. Manche meiden Sozialkontakte sogar, aus Angst, Herabsetzung zu erfahren. Dies kann zu weiterer Ausgrenzung führen.
  • Manche Menschen, die von Stigmatisierung betroffen sind, versuchen, dieses Stigma zu verheimlichen. Ein solches Bemühen grenzt sie in ihrer Lebensführung stark ein. Bei Erkrankungen kann es dazu führen, dass die Betroffenen aus Angst vor Diskriminierung keine Hilfe in Anspruch nehmen.

Wie kann ich mit Diskriminierung von Krankheiten umgehen?

Wenn Sie am Arbeitsplatz oder in öffentlichen Räumen aufgrund Ihrer Erkrankung diskriminiert werden, haben Sie verschiedene Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Der Antidiskriminierungsverband gibt folgende Tipps:

Was kann ich in der Situation selbst tun?

  • Diskriminierung ist verletzend. Überlegen Sie sich, wie Sie darauf reagieren möchten. Natürlich müssen Sie diskriminierendes Verhalten nicht stillschweigend hinnehmen. Sie können sich aber auch dazu entscheiden, die Situation zu verlassen, wenn Sie sich damit wohler fühlen. Sagen Sie z. B. laut „Stopp“ zu Ihrem Gegenüber.
  • Bewahren Sie Ruhe und fragen Sie nach dem Grund für das Verhalten oder die Entscheidung Ihres Gegenübers. An öffentlichen Einrichtungen können Sie auch nach Beschwerdemöglichkeiten fragen. Suchen Sie sich Unterstützung. Vielleicht gibt es unbeteiligte Dritte, die Ihnen beistehen wollen oder sich später als Zeugen anbieten.
  • Sichern Sie Beweise, z. B. in Form von Fotos oder schriftlichen Belegen.

Was kann ich tun, wenn die Situation schon vorbei ist?

  • Schreiben Sie sich zeitnah auf, wie die Situation abgelaufen ist, damit Sie keine wichtigen Informationen vergessen.
  • Suchen Sie Trost und Halt bei Menschen, denen Sie sich anvertrauen können. Es mag Ihnen helfen, sich mit Familienangehörigen oder Freunden über das Erlebte auszutauschen.
  • Nehmen Sie wenn nötig professionelle Hilfe in Anspruch. Es gibt Beratungsstellen, die auf Unterstützung in Diskriminierungsfällen spezialisiert sind. Diese helfen Ihnen nicht nur, das Erlebnis zu verarbeiten. Sie können Ihnen auch erklären, wie Sie rechtlich am besten gegen die Diskriminierung vorgehen. Wenn Sie rechtliche Schritte unternehmen wollen, müssen Sie zeitnah Kontakt mit der Beratungsstelle aufnehmen, da die Ansprüche meist zwei Monate nach dem Bekanntwerden der Diskriminierung verjähren.

Diskriminierung von Krankheiten: Wo finde ich Hilfe?

Wenn Sie aufgrund Ihrer Erkrankung Ausgrenzung oder Benachteiligung erfahren, können Sie dagegen vorgehen. Denn Diskriminierung verstößt gegen Ihr Grundrecht auf Gleichbehandlung. Wenn Sie z. B. am Arbeitsplatz diskriminiert werden, haben Sie die Möglichkeit, sich bei der Antidiskriminierungsstelle beraten zu lassen: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/DE/wir-beraten-sie/wir-beraten-sie-node.html

Auch der Antidiskriminierungsverband bietet Hilfe für Menschen, die Ausgrenzung oder Benachteiligung erfahren haben. Hier finden Sie eine Beratungsstelle in Ihrer Nähe: https://www.antidiskriminierung.org/ratsuchende

Eine Psychotherapie kann Ihnen helfen, besser mit Stigmatisierung umzugehen und Ihr Selbstwertgefühl zu stärken. Wir erklären Schritt für Schritt, wie Sie einen Therapieplatz bekommen.

Quellen und Hinweise

Unsere Gesundheitsinformationen können eine gesundheitsbezogene Entscheidung unterstützen. Sie ersetzen nicht das persönliche Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin und dienen nicht der Selbstdiagnostik oder Behandlung.

Anastasopoulos C. Studienbuch Interkulturelle Pädagogik: Gegenstandsbereiche und Grundbegriffe. Wiesbaden: Springer VS; 2019. (Springer eBooks Social Science and Law).

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Antidiskriminierungsverband Deutschland. Was tun bei Diskriminierung?; ohne Datum. Verfügbar unter: https://www.antidiskriminierung.org/was-tun-bei-diskriminierung [08.05.2024].

Doyle DM, Barreto M. Relational consequences of stigma: Bridging research on social stigma with relationship science. Journal of Social Issues 2023; 79(1):7–20. doi: 10.1111/josi.12579.

Garms-Homolová V. Sozialpsychologie der Informationsverarbeitung über das Selbst und die Mitmenschen: Selbstkonzept, Attributionstheorien, Stereotype & Vorurteile. 1. Aufl. 2021. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg; 2021. (Psychologie für Studium und Beruf).

Pärli K, Naguib T, Kuratli S. Schutz vor Benachteiligung aufgrund chronischer Krankheit: Unter besonderer Berücksichtigung des internationalen REchts, des Unionsrechts, des AGG und des SGB IX sowie mit eine rechtsvergleichenden Seitenblick. Analyse und Empfehlungen. Winterthur; 2012. Verfügbar unter: https://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/downloads/DE/publikationen/Expertisen/expertise_schutz_vor_
benachteilig_aufgrund_chronischer_krankheit.pdf?__blob=publicationFile&v=4. [08.05.2024].

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Erstellt am: 15.07.2024