Auch wenn Kreuz- und generell Rückenschmerzen den Alltag mitunter erheblich beeinträchtigen, haben Betroffene viele Möglichkeiten, selbst aktiv zu werden: Neben der Schmerzbehandlung können Selbsthilfegruppen und andere Anlaufstellen dabei helfen, im Alltag mit den Beschwerden besser umzugehen. Anregungen finden Sie außerdem in Erfahrungsberichten anderer Betroffener und den Expertentipps im Video.
Wer unter unerklärlichen Rückenschmerzen leidet, fühlt sich im Alltag oft eingeschränkt. Der Schmerz scheint in akuten Phasen das ganze Leben zu dominieren. In den folgenden beiden Filmen schildern Betroffene, wie sie ihren persönlichen Umgang mit der Erkrankung gefunden haben.
Fatma Loose: Mit Bewegung Rückenschmerzen in Schach halten
Fatma Loose leidet seit Sommer 2019 an Rückenschmerzen, für die zwei Ärzte keine körperliche Ursache gefunden haben. Die 53-Jährige folgt dem ärztlichen Rat zu mehr Bewegung: Sie geht oft spazieren oder macht einen einstündigen Fußmarsch von der Arbeit nach Hause. Auch Stepptanzen hilft ihr, die Schmerzen zu lindern oder auch zu verdrängen.
Ich heiße Fatma Loose, bin 67er Jahrgang und im Sommer 2019 begannen die Rückenschmerzen im unteren Rückenbereich.
Und die Ursache konnte bis heute nicht festgestellt werden.
Die ersten Symptome habe ich bei der Arbeit festgestellt. Wir sitzen ja die meiste Zeit am Schreibtisch, ich ja auch.
Und irgendwann hatte ich das Gefühl, dass ich mich ein bisschen krumm hinsetzen musste, weil das zog sich von der Mitte runter nach unten. Und nur, wenn ich krumm gesessen habe, war es besser. Sobald ich dann wieder etwas gerade gesessen habe, so wie jetzt, gingen die Schmerzen wieder los.
Ich bin dann zum Arzt gegangen eines Tages und habe ihm das erklärt. Er hat das untersucht, abgeklopft und hat gesagt: "Das ist alles normal, es ist alles in Ordnung." Er hat mir dann eine Spritze gegeben, weil er der Meinung war, es ist nur eine Verspannung. Das hat aber leider nichts gebracht.
Nachdem nun auch der Betriebsarzt Sport empfohlen hat oder Gymnastik, und das auch nicht so ernst genommen hat, auch nicht untersucht hat wirklich, weder Röntgen noch sonst irgend etwas... Da kam mir der Gedanke, ob ich mir das irgendwie einbilde. Aber das ist ja nun keine Einbildung, die Schmerzen sind ja da. Die kommen und gehen. Die wünscht man sich ja nicht. Ja, da kamen auch Selbstzweifel. Vielleicht liegt es ja auch an etwas ganz anderem, psychisch, aber auch nicht. Ich bin ja psychisch nicht krank. Mir geht´s gut.
Da ich Medikamente ablehne gegen Schmerzen, bewege ich mich viel, indem ich aufs Laufband steige mit viel Neigung.Ich gehe spazieren. Oder ich laufe zu Fuß nach Hause von der Arbeit. Das ist auch eine Stunde Fußmarsch. Oder ich stretche und dehne mich, also was den Rücken angeht. Oder ich lasse mich einfach von der Stange an der Tür abhängen quasi. Das hilft dann schon ein bisschen, lindert sie ein bisschen, aber weg sind die trotzdem nicht, die Schmerzen. Aber es hilft.
Zu den ganzen Bewegungen, die ich mache, um die Schmerzen zu lindern, habe ich noch das Tanzen angefangen, und zwar das Stepptanzen. Es sieht locker aus, aber es ist doch ziemlich anstrengend. Aber, weil nichts auf den Rücken drückt, ist es schön entspannend. Und es hebt auch die Laune.
Es gibt Zeiten, da kann ich mich gut ablenken. Dann denke ich auch nicht an die Schmerzen. Ich spüre sie dann, aber ich lenke mich durch Bewegung oder so ab. Und dann gibt es Tage, an denen ich gekrümmt dasitze und mich frage, warum die so intensiv sind. Manchmal sind die tagelang da und da muss ich mich in allem bremsen, was ich tue. Und wenn die dann wieder weg sind, plötzlich, dann kann ich wieder Gas geben.
Ich für mich habe mich entschieden, dass ich, jetzt erst recht, alles noch intensiver erleben möchte. Und mein Motto lautet für mich: "Tu alles, um diese Schmerzen zu verdrängen." Denn mit dem Geist schafft man auch viel Kraft, um das auch zu ertragen. Ansonsten würde man irgendwo in einer Ecke versauern und verbittert rumsitzen. Was alles noch schlimmer machen würde.
Nina Hartmann: Nicht von Rückenschmerzen unterkriegen lassen
Nina Hartmann kämpft schon seit 18 Jahren mit wiederkehrenden Rückenschmerzen, für die keine Ursache gefunden wurde. Akute Schmerzphasen übersteht die 47-Jährige mit Wärme, Bewegung und Entspannung. Die größte Abhilfe gegen die kaum zu beeinflussenden Schmerzen brachte ihr jedoch ein Umdenken im Kopf.
Ich heiße Nina Hartmann, bin Jahrgang 1973 und ich leide seit ungefähr 18 Jahren an unspezifischen Rückenschmerzen.
Leider konnte mir bis jetzt noch kein Arzt sagen, woran das liegt. Ich war in der Zwischenzeit bei sehr sehr vielen Ärzten, Orthopäden. Ich weiß nicht, wie oft ich geröntgt wurde. Es war halt immer wieder nur: "Es ist alles in Ordnung. Es muss entweder psychisch sein, es muss Stress sein, zu wenig Bewegung."
Ich hatte ja jedes mal die Hoffnung, dass ein neuer Arzt, ein neuer Orthopäde was findet. Ich war sogar in einer Diagnostikklinik. Man weiß einfach nicht, woher es kommt. Das sind unspezifische Schmerzen. Die kann man halt mit der einen oder anderen Schmerztablette in den Griff kriegen. Aber es tötet halt nur die Schmerzen. Es tötet leider nicht die Ursache, was mir sehr wichtig gewesen wäre.
Dann habe ich mir irgendwann mal gesagt, diese Schmerzen sollen mich nicht beherrschen. Und ich werde einfach anders denken oder mein Leben einfach anders gestalten, damit mich diese Schmerzen eben nicht beherrschen. Manchmal stehe ich morgens auf und ich habe diese Schmerzen. Manchmal kommen die erst im Laufe des Tages.
Also im Sommer habe ich diese Schmerzen nicht so oft, weil die Wärme tut mir eigentlich ganz gut. Im Winter oder gerade, wenn ein Wetterwechsel ist, dann kann es schon mal sein, dass ich da auch eine ganze Woche flach liege. Und dann versuche ich auch, jeden Abend in die Badewanne zu steigen. Dann versuche ich, mir immer eine heiße Wärmflasche auf den Rücken zu legen und ein Glas Rotwein zu trinken, zu entspannen. Ich sitze sehr oft mit dem Rücken an der Heizung. Also das sind so Sachen, die mir dann helfen. Weil ich es ja auch vermeide, Schmerzmittel zu nehmen.
Also wenn ich merke, dass ich wieder Schmerzen bekomme, hilft mir auch laufen, Treppen steigen. Da helfen Stretching-Übungen, sich einfach mal strecken und dehnen. Und natürlich auch zwei, drei mal
die Woche joggen gehen.
Ich arbeite sehr viel am Computer, am Schreibtisch, muss sehr viel sitzen während der Arbeit.Ich stehe sehr oft zwischendurch auf, ich mache ein paar Dehnungsübungen, ich laufe mal im Zimmer herum bei der Arbeit. Wenn ich da mal 5 Minuten mir nehme, das hilft mir schon sehr viel.
Ich versuche, mich einfach von diesen Schmerzen, die ja nun mal da sind, mit schönen Dingen abzulenken. Ich reise sehr viel. Dadurch sammle ich einfach auch sehr viele schöne neue Eindrücke. Ich gehe gerne in Restaurants. Ich gehe sehr gerne durch Museen, durch viele unterschiedliche Museen. Ich bin auch sehr vielseitig interessiert.Ja, ich belohne mich einfach mit schönen Dingen. Die lenken mich dann auch von den Schmerzen ab. Und ich bin dadurch einfach auch ein sehr optimistischer Mensch geworden. Dadurch, dass ich mich einfach auf die positiven Sachen im Leben konzentriere.
Patienten und Patientinnen mit akuten Rückenschmerzen haben vielleicht erst einmal das Bedürfnis, sich zu schonen. Das ist verständlich. Allerdings sollten sie dennoch versuchen, so bald wie möglich wieder aktiv zu werden, sagt Dr. med. Oliver Bachmann vom Rückenzentrum der Hamburger Asklepios Klinik St. Georg. Das erste Ziel sollte sein, wieder die normalen Alltagsaktivitäten aufzunehmen. Wer beispielsweise vor den Schmerzen regelmäßig spazieren gegangen ist, sollte das wieder versuchen. Bewegung ist wichtig, weil dadurch die Muskulatur gestärkt, die Bildung von Gelenkschmiere angeregt und die Regeneration des Gelenkknorpels gefördert wird. „Der Rücken braucht frühzeitig wieder Bewegung und Belastung“, betont Bachmann. „Denn ein entlasteter Rücken ist nicht mehr belastbar.“
Sportarten, die generell besonders förderlich für den Rücken sind, gibt es dem Experten zufolge nicht. Das hänge auch davon ab, wo beim Patienten oder der Patientin die größten Probleme bestünden – also ob es an Kraft, Koordination oder Beweglichkeit mangele. Am wichtigsten sei, dass die Bewegung Spaß mache. Wenn bei der körperlichen Untersuchung keine gravierenden Probleme gefunden würden, könne man auch bei akuten Rückenschmerzen trainieren. „Ich kann auch in den Schmerz hinein trainieren, das ist nicht schlimm“, meint Dr. Bachmann.
Was Sie sonst gegen akute Rückenschmerzen noch selbst unternehmen, wie Sie Ihren Rücken im Alltag trainieren und was Sie trotz Rückenschmerzen alles machen können, erläutert Dr. med. Oliver Bachmann vom Rückenzentrum St. Georg im Video.
Wenn ich akute Rückenschmerzen habe, sollte ich die Schonung am Anfang nicht vermeiden. Ich kann mich schonen, aber wichtig ist, dass ich dann wieder zügig in die Beweglichkeit zurückkomme. Und dann geht es auch darum, dass ich versuche, am besten gar nichts zu vermeiden.Meistens vermeiden die Patienten ja Bewegung, weil sie denken, sie schädigen meinem Rücken.Weil sie gleichsetzen Schmerz ist gleich Schaden. Dem ist aber gar nicht so.
Vielleicht kann man das anders verstehen, wenn der Patient sagt: "Der Schmerz weist mich darauf hin, was ich am schlechtesten kann. Und das, was ich am schlechtesten kann, das muss ich trainieren. Der Rücken, der braucht Kraft, Beweglichkeit und Koordination.
Am Anfang kann man vielleicht hingehen und sich den Alltag so unbequem wie möglich einrichten. Z.B. Dinge, die ich täglich benutze, so tief wie möglich ins Regal hinten reinstellen oder so hoch wie möglich aufs Regal stellen. Dadurch strecke ich mich oder ich bücke mich. Dadurch steigere ich zum Beispiel meine Flexibilität. Wichtig ist z. B. auch, schwere Sachen aus dem Kreuz herauszuheben. Dadurch stärken Sie die Muskulatur. Und die Koordination stärken Sie z.B. dadurch, indem Sie sich einbeinig die Zähne putzen. Es gibt aber keine richtige oder keine falsche Bewegung.
Also normale Rückenschmerzen, die so auftreten, die klingen einfach meistens so innerhalb von 1 - 4 Wochen wieder ab. Und wenn die einfach nicht weggehen, nach 4 Wochen spätestens, dann einmal zum Arzt gehen und einmalig gucken, ob da nicht etwas Gravierendes im Hintergrund steht. Also wenn bei der körperlichen Untersuchung herausgekommen ist, dass an der Wirbelsäule nicht irgendetwas Gravierendes kaputt gegangen ist, dann kann ich trainieren und ich darf trainieren. Ich kann auch in den Schmerz rein trainieren. Das ist nicht schlimm. Ich muss mich halt an das herantasten, was ich wieder gerne machen möchte. Sie können, wenn Sie Spaß daran haben, ins Fitnessstudio gehen und da auch richtige schwere Gewichte hochheben und stemmen. Wenn Sie daran keinen Spaß haben, dann können Sie eine andere Kraftsportart machen.
Oder Sie gehen laufen oder machen irgendwas, machen Yoga oder machen irgendwelche Bewegungsübungen auf der Matte. Jetzt hängt es ja davon ab, wo ich vorher war. Also wenn ich vorher nur spazieren gegangen bin, dann ist es vielleicht gut, wenn ich wieder ins Spazierengehen komme.
Sie können alles mit ihrem Rücken machen. Es muss Ihnen Spaß machen. Das ist das Wichtige. Weitere Informationen finden Sie auf dem Gesundheitsportal der Stiftung Gesundheitswissen.
Es gibt Rückenschmerzen ohne erkennbare Ursache, die nicht weggehen. In einem solchen Fall ist es erforderlich, auch den psychischen und sozialen Einflüssen auf die Schmerzentstehung auf den Grund zu gehen. Dies erfordert, den gesamten Menschen in den Blick zu nehmen.
Welche Bedeutung die sozialen und psychischen Einflüsse der Erkrankungen haben und wie eine ganzheitliche, multimodale Therapie aussehen kann, erfahren Sie von Dr. med. Oliver Bachmann, Oberarzt am Rückenzentrum der Asklepios Klinik St. Georg in Hamburg, in diesem Video.
Der Schmerz hat eine Warnfunktion und der Schmerz ist eine Sprache, die ich wieder neu verstehen muss. Und es ist nicht so, dass der Rücken mir sagt, er tut weh. Sondern leider ist es so, dass das Gehirn das Organ ist, wo Schmerzen stattfinden.Und das entscheidet, ob etwas wehtut oder nicht.
Und das Gehirn entscheidet irrational. Das fällt eine Entscheidung, z.B. ob es wehtun muss, aufgrund von vielen Faktoren: Angst, Ängste, Erinnerungen, aber auch Gedanken. Und irgendwann fängt das Gehirn an zu lernen, dass der Schmerz ein Teil der Persönlichkeit wird. Das ist eine Art von Kognition. Und spätestens dann reicht es schon aus, wenn das Gehirn eine Gefahr sieht und dann macht es Schmerzen.
Und die Frage ist immer: "Wovor warnt mich mein Rückenschmerz?" Der kann mich davor warnen, dass am Rücken etwas kaputt ist. Aber wenn das nicht eindeutich erklärbar ist, dann warnt der mich noch vor anderen Dingen. Und die muss man finden und suchen.
Und dann sollte man den Patienten einmal als Gesamtkunstwerk angucken und mit vielen interdisziplinären Fachrichtungen auch einmal betrachten, aus verschiedensten Blickrichtungen mal betrachten. Um vielleicht dann der Lösung oder der Ursache, besser gesagt, der Problematik zu nähern.
Es geht eigentlich nur um die eigenen Gedanken, wie ich den Schmerz bewerte und was ich für Gedanken habe, warum ich den habe. Und ob das mir Angst macht. Wenn ich zur Katastrophisierung neige, dass alles eine Katastrophe ist, unterstützt das meinen Schmerz.Wenn ich eine ängstliche Person bin, unterstützt das meinen Schmerz. Wenn ich aufgrund meiner Gedanken, dass ich jetzt denke, das und das ist nicht gut für mich, und es dann vermeide, kann das auch meinen Schmerz unterstützen. Das heißt ich nehme eine Bewältigungsstrategie, die genau das Gegenteil macht, z.B. sich schonen. Das ist genau falsch.
Soziale Belastungsfaktoren können z.B. der Job sein, das kann aber auch die Familie sein. Es besteht immer daraus: Alles hat einen Einfluss auf mich und ich kann es nur bedingt selber beeinflussen. Also wenn z.B. die Kollegen die Kollegen in meinem Job nicht nett zu mir sind, gehe ich da nicht mehr gerne hin. Dann könnte es z.B. sein, dass ich Rückenschmerzen bekomme, dass mich mein Körper davor warnt: "Geh da nicht hin, das ist nicht gut." Oder wenn die Familie z.B. sagt: "Mensch ey, mit deinen ständigen Schmerzen, jetzt geh mal zum Arzt." Wenn die einen nervös machen, dann kann das auch den Schmerz verstärken.
Bin ich allgemein unzufrieden, habe ich weniger Freunde, bin ich vereinsamt und besonders habe ich keinen Job, dann sind das schwerwiegende soziale Belastungsfaktoren, weil das schlimmste im Leben ist, wenn ich keine Aufgabe mehr habe.
Der Schmerz kann eine Funktionalität erreichen. Der kann das Leben quasi auch lenken, dass ich unangenehmen Dingen aus dem Weg gehen kann, weil ich immer meine Rückenschmerzen vorschieben kann. Ich kann den Rücken - oder ich kann Beschwerden oder Schmerzen - nicht irgendwie nur separat betrachten. Das heißt der Arzt guckt einmal nach der Struktur: Was ist denn da kaputt?
Bei uns kommt dann noch ein Physiotherapeut dazu. Der guckt nach der Funktion: Also: Kann er sich nicht bücken? Und warum kann er sich nicht bücken? Das kann ja viele Ursachen haben.Einmal kann es jetzt natürlich ein Strukturproblem sein. Aber vielleicht ist es auch nur die Angst vorm Bücken, weil er den Gedanken hat: "Dann geht mein Rücken kaputt." Oder der hat Angst vorm Schmerz.
Und am Schluss geht´s dann noch einmal darum, dass ein Patient noch einmal psychologisch betrachtet wird. Da geht`s aber nicht um die Frage, ob Sie als Kind vielleicht mal zu heiß gebadet wurden. Sondern es geht darum, dass ich betrachten muss: Warum hat der Schmerz diesen Patienten so im Griff? Warum diktiert der Schmerz diesem Patienten wie er sich zu bewegen hat und wie er sich zu verhalten hat? Und ob er tragen kann, ob er seinen Alltag so gestalten kann wie er das will oder eben halt auch nicht.
Es gibt nie eine Ursache für einen Rückenschmerz, sondern es gibt immer nur viele Ursachen. Man kann nur gucken: Was ist die gravierendste Ursache, die ich als erstes anpacke?
Manche Vorstellungen davon, wie Rückenschmerzen entstehen und wie sie sich erfolgreich behandeln lassen, haben sich mit der Zeit gewandelt. Doch immer noch halten sich hartnäckig etliche Mythen rund um den Rücken. Sind Sie auf dem neuesten Stand? Prüfen Sie hier Ihr Wissen. Mit diesen Fakten zu fünf gängigen Rückenmythen legt Sie so schnell keiner aufs Kreuz!
Nein. Zwar werden viele Rückenschmerzpatientinnen und -patienten geröntgt. Eine sichere Ursache für die Schmerzen lässt sich dadurch aber nur selten finden. Auch leistet ein Röntgenbild bei den allermeisten Patienten keinen Beitrag dazu, dass sie schneller wieder gesund werden, so wissenschaftliche Studien.
Auf Röntgenbildern oder in Kernspintomografien (MRT) können zwar Veränderungen am Rücken sichtbar werden, die im Verdacht stehen, Rücken- oder Kreuzschmerzen auszulösen. Dies können z. B. kleinere Abnutzungserscheinungen sein. Das Problem ist allerdings, dass diese Veränderungen auch bei vielen Personen gesehen werden, die keine Beschwerden haben. Es lässt sich also nicht daraus schließen, dass die festgestellte Veränderung tatsächlich für die Beschwerden verantwortlich ist – und so ist auch der Behandlungserfolg fraglich. Auch ist es (derzeit noch) nicht möglich, anhand der MRT-Befunde eine Aussage zum zu erwartenden Verlauf oder dem Wiederauftreten von Schmerzepisoden zu machen.
Wenn die sichtbaren Veränderungen nichts mit dem Auftreten der Schmerzen zu tun haben, kann es Patienten und Patientinnen verunsichern und dazu führen, dass sich ihre Genesung verzögert – zum Beispiel wenn die sichtbaren Abnutzungserscheinungen die Wahl der Behandlung beeinflussen. Jede Röntgenuntersuchung bedeutet für den Körper auch, dass er weitere, möglicherweise unnötige Strahlung aufnimmt.
In bestimmten Fällen kann eine Röntgenuntersuchung aber durchaus sinnvoll sein. Das ist beispielsweise der Fall, wenn den Schmerzen eine Verletzung durch einen Unfall oder einen Sturz vorausging. Die ärztlichen Leitlinien sehen vor, dass der Arzt, die Ärztin bei der Eingangsuntersuchung (Anamnese und körperliche Untersuchung) Anzeichen für ernsthafte Ursachen erkennen und nur bei einem begründeten Verdacht bildgebende Verfahren veranlassen sollte.
Nein. Nur bei etwa 4 von 100 Rückenschmerzpatientinnen und -patienten ist ein Bandscheibenvorfall der Auslöser von Rückenschmerzen.
Was viele nicht wissen: Ein Bandscheibenvorfall muss gar nicht immer mit schlimmen Rückenschmerzen einhergehen. Es kommt vor, dass Betroffene nur durch Zufall davon erfahren, wenn z. B. aus anderen Gründen eine MRT-Untersuchung gemacht wird.
Rückenschmerzen, die durch einen Bandscheibenvorfall ausgelöst werden, sind zumeist ausstrahlend. Außerdem können Störungen der Berührungsempfindlichkeit (Sensibilitätsstörungen) und Störungen der Muskelkraft (motorische Störungen) auf der betroffenen Seite vorliegen.
Nein, jeder Sport, jegliche Bewegung und auch Belastung ist gut für den Rücken - solange es sich nicht um sehr intensiven und unausgewogenen Leistungssport handelt. Denn Belastung und Bewegung machen den Rücken stärker. Er nutzt sich nicht ab, wenn man ihn im Alltag häufig beansprucht. Daher sind Aktivitäten wie Laufen, Bücken und Heben ungefährlich, wenn man langsam beginnt und regelmäßig trainiert.
Bei der Wahl einer geeigneten Sportart kommt es immer auch darauf an, was Spaß macht und wie fit man vorher schon ist. Als rückenfreundliche Sportarten gelten z. B. Radfahren, Schwimmen, Reiten und Walken/Walking. Sportarten mit ruckartigen Bewegungen (abrupte Dreh- und Abstoppbewegungen) wie Squash oder Basketball hingegen sind für den Rücken belastender.
Auch kann regelmäßiges Bewegungstraining helfen, Rückfällen von nicht-spezifischen Kreuzschmerzen vorzubeugen, wie Forscherinnen und Forscher herausfanden. Zu diesem Bewegungstraining gehören Gymnastik, Kräftigungs- und Stabilitätsübungen für die Oberkörpermuskulatur oder auch Dehnübungen der Oberschenkel und Hüftmuskulatur.
Diese Übungen sind Teil von Sportarten wie Pilates (ein Ganzkörpertraining, das vor allem darauf zielt, die tiefe Rumpfmuskulatur zu stärken) und Tai-Chi (eigentlich eine fernöstliche Kampfkunst). Die langsamen, fließenden Bewegungen können Gleichgewicht und Koordination verbessern, die Muskulatur stärken und allgemein „innere“ Ruhe bringen. Ähnliches gilt für Yoga, eine altindische Bewegungslehre mit dem Ziel, das Körperbewusstsein und die Gesundheit zu verbessern. Es werden verschiedene Positionen eingenommen oder Bewegungsfolgen geübt, die Kraft und Beweglichkeit, Körpergefühl und -haltung fördern.
Erste Studien deuten darauf hin, dass selbst regelmäßige Spaziergänge oder flottes Gehen (Walking) bei chronischen Rückenschmerzen helfen – zum Beispiel jeden zweiten Tag für 30 bis 60 Minuten.
Übrigens: Bei bestehenden Rückenschmerzen können die Beschwerden erst etwas zunehmen, bessern sich aber meistens bei regelmäßiger Bewegung.
Nein, eine schlechte Haltung ist meist nicht die Ursache für Rückenschmerzen. Ob wir krumm oder gerade sitzen oder stehen, spielt als Ursache für die Rückenschmerzen keine Rolle.
Im Alltag ist das Problem beim Sitzen, dass wir oft zu lange in derselben Position verharren. Der Rücken wird dabei nicht bewegt. Bleibt man zu lange in einer Position, wird die Belastung für die Gelenke im Rücken zu groß. Der dann entstehende Schmerz ist eine Schutzreaktion. Bei einer solchen Belastung erfolgt eine Meldung über das Nervensystem an das Gehirn und automatisch wird die Sitzposition verändert.
Deshalb kann es sogar entspannend sein, den Rücken einmal durchhängen zu lassen. Und auch das Heben mit einem „runden“ Rücken ist nach heutiger Auffassung nicht schädlich.
Nein, muss er nicht. Zumindest bei akuten Kreuzschmerzen ohne erkennbare Ursache ist der Nutzen von Massagen derzeit nicht durch wissenschaftliche Studien belegt. Deshalb wird in der Nationalen Versorgungsleitlinie Rückenschmerzen davon abgeraten. Da Bewegung und Aktivitäten im Fokus der Behandlung stehen, werden keine Behandlungen empfohlen, die passivem Verhalten Vorschub leisten.
Bei subakuten und chronischen Kreuzschmerzen ohne erkennbare Ursache können Massagen der Leitlinie zufolge als ein Baustein der Behandlung eingesetzt werden. Die Wirkung auf eine Schmerzverbesserung ist eher gering, aber Massagen können zum Wohlbefinden der Betroffenen beitragen und dadurch möglicherweise die Bereitschaft fördern, sich mehr zu bewegen.
Was ist ein Schmerztagebuch?
Ein Schmerztagebuch dient dazu festzuhalten, wann und wo Schmerzen aufgetreten sind und wie stark sie waren. Es soll Sie dabei unterstützen, mögliche Schmerzauslöser zu erkennen und den Schmerzverlauf zu dokumentieren. Das Schmerztagebuch kann so dabei helfen, geeignete Behandlungen zu finden.
Die Notizen können auch der Vorbereitung auf das nächste Arztgespräch dienen. Ebenso kann das Schmerztagebuch dazu beitragen zu verstehen, wie man selbst mit seinen Schmerzen besser umgehen kann.
Laden Sie sich zunächst die PDF-Datei herunter und drucken Sie sie aus. Auf der ersten Seite können Sie Angaben zur Dauer und Intensität der Schmerzen machen. In die Tabelle auf der zweiten Seite tragen Sie stets ein, was Ihren Schmerzen vorangegangen ist. Dann notieren Sie jeweils dazu, wie stark die Schmerzen waren, ggf. welche Maßnahmen zur Schmerzlinderung Sie getroffen und wie sich diese Maßnahmen auf die Schmerzen ausgewirkt haben. Sie können das Schmerztagebuch im Alltag mitnehmen, sodass Sie es auch unterwegs ausfüllen können.
Welche Hilfestellung können Selbsthilfegruppen bieten?
Selbsthilfegruppen wenden sich in der Regel an Menschen mit chronischen Erkrankungen, die mittel- oder längerfristig Begleitung oder Unterstützung suchen. Sie bieten Kranken und deren Angehörigen Rat und Hilfe im Umgang mit den jeweiligen Erkrankungen. Es gibt auch Selbsthilfegruppen, bei denen es nicht um eine spezielle Erkrankung geht, sondern um bestimmte Beschwerden – wie beispielsweise chronische Schmerzen.
Bei regelmäßigen Gruppentreffen bietet sich die Möglichkeit, Kontakte zu anderen Betroffenen zu knüpfen, die auch die typischen Beschwerden, Gefühle und Probleme im Alltag kennen.
Ob eine Selbsthilfegruppe tatsächlich dabei helfen kann, aktiv mit der Erkrankung umzugehen, und ob eine Teilnahme das Wissen über die Krankheit erhöht, wurde in einer deutschen Studie erforscht. Dazu wurden Mitglieder aus Selbsthilfegruppen zu chronischen Erkrankungen befragt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass bei verschiedenen Erkrankungen die Mitgliedschaft in einer Selbsthilfegruppe das Wissen über die Krankheit erhöht. Zudem gaben die Befragten an, dass für sie die Gruppen vor allem wichtig sind, um die Krankheit zu bewältigen und neue Wege im Umgang mit ihr zu finden. Auch fühlen sich viele durch die Gruppentreffen für das Arztgespräch gestärkt und finden, dass die Mitgliedschaft die Krankheitsbelastung generell senkt.
Wo finde ich Selbsthilfegruppen?
Selbsthilfegruppen für Menschen mit (chronischen) Schmerzen oder Rücken-/Kreuzschmerzen gibt es deutschlandweit. Die Nationale Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS) bietet u. a. eine Datenbanksuche an, die es ermöglicht, einen Ansprechpartner oder eine Selbsthilfegruppe zu suchen: nakos.de.
Zusätzlich gibt es in vielen Städten und Regionen „Kontakt- und Informationsstellen für Selbsthilfegruppen (KISS)“. Hierhin können Sie sich wenden, wenn Sie mit einer Selbsthilfegruppe Kontakt aufnehmen möchten. Da diese Kontakt- und Informationsstellen für Selbsthilfegruppen ausschließlich regional agieren, gibt es keine zentrale Anlaufstelle. Die KISS in Hamburg ist beispielsweise erreichbar unter: https://www.kiss-hh.de.
Welche Ärztinnen und Ärzte sind für Schmerzen im Rücken zuständig?
Eine erste Anlaufstelle bei Rückenschmerzen ist in der Regel die Hausärztin oder der Hausarzt sein, der Sie bei Bedarf an einen Facharzt, eine Fachärztin (z. B. für Orthopädie), überweist. Auch über die Onlineplattform www.gesund.bund.de können Sie einen Spezialisten oder eine Spezialistin in Ihrer Nähe finden.
Bei der Behandlung von Kreuzschmerzen wird versucht, die Schmerzen zu lindern und dadurch die Beeinträchtigungen zu verringern. Im Zentrum stehen dabei Aktivität und Bewegung.
Unsere Gesundheitsinformationen können eine gesundheitsbezogene Entscheidung unterstützen. Sie ersetzen nicht das persönliche Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin und dienen nicht der Selbstdiagnostik oder Behandlung.
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Unsere Angebote werden regelmäßig geprüft und bei neuen Erkenntnissen angepasst. Eine umfassende Prüfung findet alle drei bis fünf Jahre statt. Wir folgen damit den einschlägigen Expertenempfehlungen, z.B. des Deutschen Netzwerks für Evidenzbasierte Medizin.
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Erstellt am: 27.05.2025