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Rückenschmerzen

Hilft Akupunktur bei Kreuzschmerzen?

Wer von Rückenschmerzen betroffen ist, möchte vielleicht zusätzlich zur Standardtherapie (aktiv bleiben, ggf. Schmerzmedikamente nehmen) etwas tun, um die Schmerzen und Beeinträchtigungen zu verbessern. Als eine solche zusätzliche Behandlung kann laut medizinischer Leitlinie u. a. Akupunktur ausprobiert werden.

Die Akupunktur ist ein Verfahren der traditionellen chinesischen Medizin, bei dem unterschiedlich lange Nadeln an besondere Körperpunkte gesetzt werden. An diesen Punkten lösen sie Reize aus, die die Schmerzen lindern sollen. Welche Mechanismen im Körper die Wirkung genau auslösen, ist jedoch noch nicht abschließend geklärt.

Ist durch die zusätzliche Akupunktur eine weitere Verbesserung der Beeinträchtigungen bei Kreuzschmerzen möglich?

Um diese Frage zu beantworten, wurden im Rahmen einer systematischen Recherche die Ergebnisse von vier Studien analysiert. Die Studien untersuchten den Effekt von Akupunktur bei akuten unspezifischen Kreuzschmerzen  (Skonnord et al. 2020; Büyükşireci et al. 2022; Vas et al. 2012; Kennedy et al. 2008). Alle Studien setzten Akupunktur zusätzlich zur Standardtherapie ein, zu der etwa das Aktivbleiben oder gegebenenfalls die Einnahme von Schmerzmedikamenten zählten.

 

Die Studien kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen:

Einige Studien, wie die von Vas et al. (2012) und Büyükşireci et al. (2022), zeigen eine kurzfristige Verbesserung der Schmerzen und der körperlichen Beeinträchtigungen durch Akupunktur im Vergleich zur Standard- oder Placebotherapie. Diese Effekte hielten jedoch nicht in allen Untersuchungen langfristig an.

Langfristige Vorteile der Akupunktur, die über mehrere Monate hinausgehen, konnten in keiner der Studien überzeugend belegt werden.

Die Akupunktur wurde mit unterschiedlichen Behandlungen verglichen. Je nachdem welche Behandlung zum Vergleich herangezogen wurde, schwanken die Ergebnisse. Einen direkten Vergleich mit Placebo- oder Sham-Akupunktur gab es lediglich in der Studie von Vas et al. (2012). Hier waren die Unterschiede zwischen Akupunktur und Sham-Akupunktur (einer Placebo-Akupunktur) minimal, was darauf hinweisen könnte, dass die zusätzlichen Effekte der Akupunktur zum Teil auf Placebo-Effekte zurückzuführen sein könnten.

Die Akupunktur wurde mit unterschiedlichen Behandlungen verglichen. Je nachdem welche Behandlung zum Vergleich herangezogen wurde, schwanken die Ergebnisse. Einen direkten Vergleich mit Placebo- oder Sham-Akupunktur gab es lediglich in der Studie von Vas et al. (2012). Hier waren die Unterschiede zwischen Akupunktur und Sham-Akupunktur (einer Placebo-Akupunktur) minimal, was darauf hinweisen könnte, dass die zusätzlichen Effekte der Akupunktur zum Teil auf Placebo-Effekte zurückzuführen sein könnten.

Zusammenfassend liefern die hier vorgestellten Studien gemischte Ergebnisse zur Wirksamkeit der Akupunktur bei akuten unspezifischen Kreuzschmerzen. Zwar zeigen einige Untersuchungen kurzfristige Vorteile, ein klarer langfristiger Nutzen konnte jedoch nicht nachgewiesen werden. Aufgrund methodischer Schwächen der Studien und uneinheitlicher Ergebnisse bleibt die Evidenz begrenzt. Es ist weitere Forschung notwendig, um die Rolle der Akupunktur in der Behandlung akuter Kreuzschmerzen besser einordnen zu können.

Nachstehend wird die Studie von Vas et al. (2012) näher vorgestellt, da sie eine der umfangreichsten Analysen darstellt und besonders differenziert zwischen Akupunktur, Sham-Akupunktur, Placebo-Akupunktur und Standardtherapie unterscheidet. Die Ergebnisse bieten wichtige Einblicke in die kurz- und langfristigen Effekte von Akupunktur. Außerdem verdeutlicht sie, wie schwierig es ist, Akupunktur bei der Behandlung von Rückenschmerzen zu untersuchen und zu bewerten.

Was wurde untersucht?

In einer randomisiert-kontrollierten Studie (RCT) von Vas et al. (2012) wurde Akupunktur als Ergänzung der Standardtherapie bei Menschen mit akuten nichtspezifischen Kreuzschmerzen untersucht.

Die Studienteilnehmer und -teilnehmerinnen erhielten entweder

  • Akupunktur an chinesischen Akupunkturpunkten, fünf Mal 20 Minuten innerhalb von zwei Wochen, als Ergänzung zur Standardtherapie oder
  • Standardtherapie aus Beibehalten der gewohnten Aktivität und ggf. Schmerzmedikamenten.

In zwei weiteren Gruppen erhielten die Teilnehmer zur Standardtherapie verschiedene Ausführungen einer Scheinakupunktur. Dabei wurden die Nadeln an Punkte gesetzt, die nicht der traditionellen chinesischen Medizin entsprechen, oder es gab eine Berührung des Rückens mit einer stumpfen Nadel an diesen Punkten.

Die Ergebnisse auf einen Blick

Durch die ergänzenden Akupunkturbehandlungen kam es bei der Studie nach drei Wochen zu beträchtlichen Linderungen der körperlichen Beeinträchtigungen und Schmerzen im Vergleich zur alleinigen Standardbehandlung. Einen langfristigen Nutzen gab es jedoch nicht. Als unerwünschte Folgen der Behandlungen wurden Nebenwirkungen der Schmerzmedikamente, wie Übelkeit, registriert. Wenige Akupunktur-Behandelte berichteten auch von einer Verstärkung der Schmerzen nach der Akupunktur.

Einschränkung der Ergebnisse

Die berücksichtigte Studie hat methodische Schwächen. Dies schränkt das Vertrauen in die Zuverlässigkeit des Ergebnisses ein. Außerdem zeigte sich ein kurzfristiger Nutzen auch bei der Scheinakupunktur und nicht nur bei der regelgerechten Akupunktur an den speziellen Akupunktur-Punkten. Der Nutzen war vergleichbar mit dem der „echten“ Akupunktur.

Nutzen der Behandlungsmethode

Haben die Studienteilnehmer mit Akupunktur eine deutliche Verbesserung bemerkt?

Innerhalb von drei Wochen besserten sich bei 74 von 100 Personen mit akuten Kreuzschmerzen, die ergänzend Akupunktur erhalten hatten, die Beschwerden. Von den Personen, die die Standardbehandlung erhalten hatten, besserten sich die Beschwerden bei 44 von 100 Personen mit Kreuzschmerzen.

Zum gleichen Zeitpunkt gaben mit Akupunktur 47 von 100 Personen an, dass sie noch Schmerzen im unteren Rücken hatten. Mit der alleinigen Standardtherapie waren es 72 von 100.

Wie viele Personen hatten nach drei Monaten immer noch Kreuzschmerzen?

10–17 von 100 Personen, mit oder ohne ergänzende Akupunktur zur Standardbehandlung, gaben an, nach drei Monaten noch Schmerzen im unteren Rücken zu haben.

Bei wie vielen Personen waren die Beschwerden nach drei Monaten deutlich verbessert?

In beiden Gruppen hatten sich bei etwa 95–98 von 100 Personen nach drei Monaten die Beschwerden deutlich gebessert. 

Bei wie vielen Personen traten die (initialen) Kreuzschmerzen innerhalb von drei Monaten wieder auf?

Unabhängig von der Behandlung traten bei etwa 6–10 von 100 Personen die Beschwerden wieder auf. 

Kam es nach/innerhalb von 12 Monaten zu neuen Schmerzepisoden im unteren Rücken?

In beiden Gruppen sind bei etwa der Hälfte der Teilnehmenden neue Kreuzschmerzen aufgetreten.

Welche Auswirkung hat die Akupunktur auf die Einnahme von Schmerzmedikamenten nach drei Wochen?

Im Vergleich zum Studienstart verbrauchte die Gruppe mit alleiniger Standardtherapie mehr Schmerzmittel. 12 von 100 Personen benötigten mehr Medikamente als zu Studienbeginn im Vergleich zu 2 von 100 Personen mit Akupunktur.

Schaden der Behandlungsmethode

Welche unerwünschten Wirkungen traten in den Behandlungsgruppen auf und wie häufig sind sie?

Schwere Nebenwirkungen traten in keiner der Studiengruppen auf. Insgesamt traten bei etwa 4 von 100 Teilnehmern Beschwerden wie Übelkeit oder Schmerzen im Oberbauch auf. Diese wurden auf die Schmerzmedikamente zurückgeführt. 

Als eine unerwünschte Folge der Akupunkturbehandlung berichteten etwa vier Prozent der Teilnehmenden, die eine Akupunktur erhalten hatten, dass sich die Schmerzen im Anschluss an die Behandlung verstärkt hätten.

Die (körperlichen) Beeinträchtigungen im Alltag durch die Rückenschmerzen wurden durch eine Selbsteinschätzung der Teilnehmenden erfasst. Es wurde dafür der Fragebogen Roland and Morris Disability Questionnaire (RMDQ) genutzt. Das Ergebnis reicht von 0 Punkten (keine Einschränkung) bis 24 Punkte (maximale Einschränkung). Als bedeutsame, fühlbare Verbesserung gilt in dieser Studie eine Reduktion der Punkte des RMDQ-Fragebogens um mindestens 35 % des Ausgangswertes.

Die Ergebnisse basieren nur auf einer einzigen randomisiert-kontrollierten Studie. Durch Mängel in der Berichterstattung der Studienmethodik und Ergebnisse bzw. der Studiendurchführung ist die Zuverlässigkeit der Ergebnisse eingeschränkt. 

Sowohl bei der Akupunktur als auch bei der Scheinakupunktur zeigte sich innerhalb der ersten Wochen bei mehr Teilnehmenden eine Verbesserung. Auch in einer weiteren Pilotstudie (Teststudie) konnten keine Unterschiede zwischen einer Gruppe, die zusätzliche zur leitliniengerechten Therapie echte Akupunktur erhielt und einer Gruppe, die zusätzlich zur leitliniengerechten Therapie eine Scheinakupunktur erhielt, festgestellt werden. Es bleibt also offen, ob die Schmerzlinderung tatsächlich auf die zusätzliche Akupunktur zurückzuführen ist. Es könnte sein, dass die besseren Ergebnisse zum Teil oder ganz durch die zusätzliche Betreuung bei den Akupunktur-Terminen bedingt sind. Oder auch ein Placebo-Effekt wirkt.

Die hier dargestellten Informationen entstammen einer randomisiert-kontrollierten Studie, die von 2006 bis 2007 in Spanien durchgeführt wurde. Insgesamt nahmen 275 Personen in vier Gruppen daran teil. Für die vorliegende Darstellung wurden die Ergebnisse aus zwei Gruppen mit 138 Personen  herangezogen. Das Durchschnittsalter lag bei 41-44 Jahren und 57-64% der Teilnehmenden waren Frauen. Für die Teilnahme an der Studie durften die akuten Rückenschmerzen nicht länger als zwei Wochen vorliegen. Die mittleren Schmerzwerte lagen zu Beginn bei 70-72 auf einer 100er Skala und die körperliche Beeinträchtigung bei 12-13 auf dem RMDQ Fragebogen. Die Behandlungsdauer betrug zwei Wochen und die Teilnehmenden wurden insgesamt ein Jahr nachbeobachtet.

Quellen und Hinweise

Unsere Gesundheitsinformationen können eine gesundheitsbezogene Entscheidung unterstützen. Sie ersetzen nicht das persönliche Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin und dienen nicht der Selbstdiagnostik oder Behandlung.

Büyükşireci, Dilek Eker; Demirsoy, Nesrin; Mit, Setenay; Geçioğlu, Ersel; Onurlu, İlknur; Günendi, Zafer (2022): Comparison of the Effects of Myofascial Meridian Stretching Exercises and Acupuncture in Patients with Low Back Pain. In: J ACUPUNCTURE MERIDIAN STUD 15 (6), S. 347–355. DOI: 10.51507/j.jams.2022.15.6.347.

Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale Versorgungsleitlinie nicht-spezifischer Kreuzschmerz – Langfassung. 2017; 2. Auflage (Version 1).

Kennedy S, Baxter GD, Kerr DP, Bradbury I, Park J, McDonough SM. Acupuncture for acute non-specific low back pain: a pilot randomised non-penetrating sham controlled trial. Complement Ther Med 2008; 16(3):139–46.

Kovacs FM, Llobera J, Gil Del Real MT, Abraira V, Gestoso M, Fernández C et al. Validation of the spanish version of the Roland-Morris questionnaire. Spine 2002; 27(5):538–42.

Skonnord, Trygve; Skjeie, Holgeir; Brekke, Mette; Klovning, Atle; Grotle, Margreth; Aas, Eline et al. (2020): Acupuncture for acute non-specific low back pain: a randomised, controlled, multicentre intervention study in general practice-the Acuback study. In: BMJ open 10 (8), e034157. DOI: 10.1136/bmjopen-2019-034157.

Vas J, Aranda JM, Modesto M, Benítez-Parejo N, Herrera A, Martínez-Barquín DM et al. Acupuncture in patients with acute low back pain: a multicentre randomised controlled clinical trial. Pain 2012; 153(9):1883–9.

Unsere Angebote werden regelmäßig geprüft und bei neuen Erkenntnissen angepasst. Eine umfassende Prüfung findet alle drei bis fünf Jahre statt. Wir folgen damit den einschlägigen Expertenempfehlungen, z.B. des Deutschen Netzwerks für Evidenzbasierte Medizin.

Informationen dazu, nach welchen Methoden die Stiftung Gesundheitswissen ihre Angebote erstellt, können Sie in unserem Methodenpapier nachlesen.

Autoren und Autorinnen:
Anne Engler
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Anne Engler

Referentin Evidenzbasierte Medizin
Anne Engler ist Gesundheitswissenschaftlerin. Für die Stiftung erarbeitet sie mit den Methoden der evidenzbasierten Medizin Inhalte für multimediale Informationsangebote.
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Lisa-Marie Ströhlein
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Lisa-Marie Ströhlein

Medical Writerin
Lisa-Marie Ströhlein studierte Medizinische Biologie mit dem Schwerpunkt Wissenschaftskommunikation. Für die Stiftung bereitet sie komplexe medizinische Themen und Inhalte in laienverständlicher Sprache auf.
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Michael Mibs
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Michael Mibs

Referent Evidenzbasierte Medizin
Michael Mibs ist studierter Gesundheitswissenschaftler und Soziologe. Für die Stiftung erarbeitet er Inhalte für multimediale Informationsangebote auf Basis der Methoden der evidenzbasierten Medizin und konzipiert Analysen mit Bezug zur klinischen Versorgung.
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Nastasia Vogelsang
Nastasia Heilemann

Nastasia Vogelsang

Senior-Multimedia-Producerin
Nastasia Vogelsang studierte Angewandte Medienwirtschaft mit Schwerpunkt TV-Producing. Für die Gesundheitsinformationen der Stiftung konzipiert sie multimediale Formate und steuert deren Umsetzung.
Wissenschaftliche Beratung:
Dr. med. Dagmar Lühmann
Dr. med. Dagmar Lühmann

Dr. med. Dagmar Lühmann

Dr. med. Dagmar Lühmann absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester und studierte anschließend Medizin an der Universität zu Lübeck. Nach dem Examen arbeitete sie als Assistenzärztin am Institut für Transfusionsmedizin und Immunologie und promovierte dort zum Thema "Auswirkungen von Quecksilberexposition auf das menschliche Immunsystem". Später arbeitete sie am Institut für Sozialmedizin an der Universität zu Lübeck mit dem Schwerpunkt evidenzbasierte Medizin und Bewertung von medizinischen Verfahren (Health Technology Assessment). Seit 2013 ist sie als Forschungskoordinatorin am Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig.
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Prof. Dr. med. Martin Scherer
Prof. Dr. Martin Scherer

Prof. Dr. med. Martin Scherer

Prof. Dr. med. Martin Scherer studierte Humanmedizin in Marburg, Wien und Paris. Als Professor an der Universität Lübeck untersuchte er das Thema „Versorgungsforschung und ihre Methoden“. Seine Forschungsschwerpunkte liegen u.a. in der Über- und Unterversorgung und der Entwicklung von Qualitätsindikatoren und Leitlinien. Seit 2012 ist Scherer Leiter der klinischen Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Er ist zudem Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) und Mitglied in weiteren medizinischen Fachgesellschaften. Seit 2015 berät Prof. Dr. med. Martin Scherer die Stiftung Gesundheitswissen.
Unter Mitwirkung von: Christopher Jäger, Anne Stark und Stefanie Butz.

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Erstellt am: 28.05.2025