Karies ist eine Erkrankung der harten Bestandteile der Zähne. Durch eine verbesserte Prophylaxe ist die Erkrankung in den vergangenen Jahren zurückgegangen – vor allem im bleibenden Gebiss. Unter den Sechs- bis Siebenjährigen mit Milchgebiss haben etwa 44 Prozent Karies. 56 Prozent der Kinder sind kariesfrei, etwa 50 Prozent haben nicht einmal erste Anzeichen beginnender Karies.
Um bei betroffenen Kindern das Fortschreiten der Karies in einem frühen Stadium zu stoppen oder sogar umzukehren, stehen allgemeine Maßnahmen oder mikroinvasive Behandlungen wie die Infiltration zur Verfügung. Bei der Karies-Infiltration wird flüssiger Kunststoff auf die betroffene Stelle aufgetragen, um sie zu verschließen. Wie die Karies-Infiltration genau abläuft, lesen Sie im Bereich Karies-Prophylaxe.
Um Karies in einem frühen Stadium zu stoppen, ohne dabei den Zahn zu schädigen, wurde die Infiltration entwickelt. Sie gehört zu den mikroinvasiven Behandlungen. In mehreren randomisiert-kontrollierten Studien hat man die Wirksamkeit dieses Verfahrens im Vergleich zu anderen Behandlungsmöglichkeiten untersucht.
An den Studien nahmen Kinder teil, bei denen an mindestens zwei Backenzähnen des Milchgebisses beginnende Karies vorlag. Die kariöse Stelle musste sich im Zwischenraum zweier Zähne befinden und noch ohne Loch sein. Die Zähne der Kinder wurden auf zwei unterschiedliche Arten behandelt, um das Ergebnis vergleichen zu können.
Alle Kinder erhielten allgemeine Prophylaxemaßnahmen, wie Fluoridierungen und Anleitung zur Mundhygiene, und sollten regelmäßig Zähne putzen (Standardversorgung). Die betroffenen Zähne erhielten zudem entweder
Es wurde untersucht, ob die Infiltration das Fortschreiten von Karies stoppen kann.
Die Ergebnisse der Studien deuten an, dass die Infiltration von Backenzähnen mit flüssigem Kunststoff beim Milchgebiss ein Fortschreiten der Karies verhindern kann. Diese Wirkung erscheint umso größer je mehr Karies die Kinder bereits hatten.
Nebenwirkungen, wie bitterer Geschmack (bei 4 Prozent der Kinder) und kurzfristige Schmerzen (bei 11 Prozent der Kinder), werden nur in einer Studie berichtet.
Einschränkung der Ergebnisse
Die Aussagekraft der Ergebnisse bezogen auf den Nutzen ist eingeschränkt. Hierzulande haben sechs- bis siebenjährige Kinder durchschnittlich weniger Karies als die Kinder in den Studien, daher lassen sich die Ergebnisse möglicherweise nicht übertragen.
Zudem sind Kinder aus den Studien ausgeschieden, weil ein Zahn oder beide Zähne innerhalb des Studienzeitraums ausgefallen sind. Unklar ist daher, ob an diesen Zähnen die Karies gestoppt worden wäre oder nicht.
An wie vielen Zähnen konnte Karies durch die Infiltration gestoppt werden?
Nach einem Jahr:
Die vier vorliegenden Studien kommen nach einem Jahr zu unterschiedlichen Ergebnissen. In einer Studie gibt es keinen Unterschied zwischen den behandelten Milchzähnen. In den drei anderen Studien wurde bei der Infiltration seltener ein Fortschreiten der Karies beobachtet: Durch die Infiltration verringerte sich der Anteil an fortschreitender Karies um 13 bis 38 Prozent.
Dabei scheint das Kariesrisiko eine Rolle zu spielen. Je nach Studie unterschieden sich die Kinder in der Häufigkeit ihrer bisherigen Karies und damit in ihrem Erkrankungsrisiko. In der Studie mit dem höchsten Anteil an Kindern mit hohem Kariesrisiko – das waren 67 Prozent der Kinder – schreitet mit zusätzlicher Infiltration die Karies an 23 Prozent der Zähne fort, während dies ohne Infiltration bei 62 Prozent der Zähne der Fall ist. In der Studie ohne Kinder mit hohem Kariesrisiko wird das Fortschreiten mit Infiltration bei 11 Prozent der Zähne beobachtet und ohne Infiltration bei 24 Prozent der Zähne.
Nach zwei Jahren:
Zwei Studien liefen über zwei Jahre. In diesen Studien konnte durch die Karies-Infiltration das Fortschreiten der Erkrankung um 21 bis 32 Prozent verringert werden. Auch nach zwei Jahren scheinen Kinder mit hohem Kariesrisiko einen größeren Nutzen von der Behandlung zu haben.
Bei wie vielen Kindern sind in Zusammenhang mit der Karies-Infiltration Nebenwirkungen aufgetreten?
Nur in einer Studie wurden Nebenwirkungen berichtet: Nach Entfernung des Spanngummis, der bei der Infiltration angelegt wird, bemerkten 4 Prozent der Kinder einen bitteren Geschmack und 11 Prozent verspürten Schmerzen am behandelten Zahn. Beides verschwand innerhalb von zwei Stunden nach der Behandlung.
Die Behandlung wurde von den Kindern gut akzeptiert und scheint keinen negativen Einfluss auf die Ängstlichkeit zu haben.
Die Aussagekraft der Ergebnisse ist eingeschränkt.
Kinder verlieren ihre Milchzähne früher oder später. Das passierte auch in den genannten Studien und die Kinder schieden deshalb aus. Die Zähne konnten nicht nachbeobachtet werden, so dass unklar ist, ob die Karies hier gestoppt worden wäre oder nicht.
Die durchschnittliche Karieserfahrung der untersuchten Kinder ist höher als bei den Kindern in Deutschland. Es ist daher unsicher, ob der Nutzen der Behandlung übertragbar ist.
Die Forscherinnen und Forscher von drei Studien gaben an, dass sie u. a. finanzielle Unterstützung vom Hersteller der Infiltration erhalten haben, z. B. durch Bereitstellung des Materials. Es kann sein, dass die Ergebnisse der einzelnen Studien dadurch beeinflusst wurden. Die Forscher der vierten Studie machten keine Angaben zur Finanzierung der Studie.
Die Infiltration wird nicht von jeder Zahnarztpraxis angeboten. Als individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) muss sie selbst gezahlt werden.
Die Informationen dieser Darstellung stammen aus vier randomisiert-kontrollierten Studien, die alle eine Besonderheit aufweisen: Die teilnehmenden Kinder erhielten in unterschiedlichen Bereichen des Mundes bzw. an unterschiedlichen Zähnen beide Behandlungsmöglichkeiten. Der Mund wird sozusagen in Bereiche aufgesplittet. Diese Studienanordnung nennt man daher auch Split-Mouth-Studie.
Die Informationen und Zahlen stellen keine endgültige Bewertung dar.
In den Studien erhielten zwischen 45 bis 90 Kinder im Alter von fünf bis neun Jahren die Behandlungen. An der Nachbeobachtung nahmen 25 bis 66 Kinder teil. Die Studien wurden in Brasilien, den USA, Neuseeland und Grönland durchgeführt.
Die allgemeinen Prophylaxemaßnahmen haben sich in den eingeschlossenen Studien etwas unterschieden, z. B. wurde nicht in allen Studien eine Fluoridierung durchgeführt.
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Erstellt am: 30.04.2019