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Hilft Zolpidem bei Schlafstörungen?

Studiencheck

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Insomnie zu behandeln. Eine davon ist die Einnahme des verschreibungspflichtigen Medikamentes mit dem Wirkstoff Zolpidem aus der Gruppe der sogenannten Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten. Laut der ärztlichen Leitlinie sollen diese aber erst dann zum Einsatz kommen, wenn eine kognitive Verhaltenstherapie nicht zum Ziel geführt hat. Schlaffördernde Medikamente aus der Gruppe der Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten lindern Ein- und Durchschlafprobleme, beseitigen jedoch nicht die Ursachen der Insomnie. Die Behandlung bleibt also rein symptomatisch. Zudem kann der Wirkstoff zur Gewöhnung und Abhängigkeit führen und sollte nicht länger als vier Wochen eingenommen werden. 

Zolpidem wirkt ähnlich wie Benzodiazepine . Es verstärkt die Wirkung eines körpereigenen beruhigenden Botenstoffes in Gehirn, indem es dessen Bindung an die schlaffördernden Nervenzellen unterstützt. Der Wirkstoff wird vom Körper schneller abgebaut als die Benzodiazepine. Daher sind die Beeinträchtigungen am Folgetag meist weniger ausgeprägt. 

Hier fassen wir die Studienlage zu Nutzen und Schaden von Zolpidem zur Verbesserung des Schlafs zusammen.

Die Ergebnisse auf einen Blick

Die Ergebnisse der systematischen Übersichtsarbeit sowie einer weiteren Studie geben Hinweise auf die Wirksamkeit von Zolpidem zur Behandlung von Insomnie. Allerdings sind die Ergebnisse zu unerwünschten Nebenwirkungen von Zolpidem uneinheitlich. Studienabbrüche wegen Nebenwirkungen in den Zolpidemgruppen waren teilweise häufiger als in den Placebogruppen. In einer Studie fiel eine höhere Rate an starker Benommenheit mit abnormer Schläfrigkeit tagsüber sowie eingeschränkter Aufmerksamkeit (Somnolenz) im Vergleich zur Placebogruppe auf. Rückfälle nach Absetzen der Medikamente und Rebound-Effekte  wurden festgestellt.

Einschränkung der Ergebnisse: Die methodische Qualität der Übersichtsarbeit ist gut. Die Qualität der Einzelstudien wird aufgrund von methodischen Mängeln als moderat eingestuft. Das Vertrauen in die Ergebnisse ist daher eingeschränkt. Die tatsächlichen Effekte könnten anders ausfallen.
 

Was wurde untersucht?

In einer systematischen Übersichtsarbeit aus insgesamt 14 randomisierten kontrollierten Studien (RCT)  wurden der Nutzen und Schaden der medikamentösen Behandlung mit dem Benzodiazepin-Rezeptor-Agonisten Zolpidem untersucht. 
In den Studien wurden Erwachsene mit Insomnie zufällig in zwei Gruppen aufgeteilt. Die Teilnehmenden der einen Gruppe erhielten Zolpidem, während die andere Gruppe ein Scheinmedikament (Placebo) bekam. Die Dosis, die Behandlungsdauer und die Art der Einnahme (jeden Abend oder nach Bedarf) der Medikamente variieren in den einzelnen Studien.

Die Studienteilnehmenden dokumentierten ihren Schlaf in Schlaftagebüchern . Dabei hielten sie fest, wie viele Minuten sie zum Einschlafen benötigten, wie lange sie wach blieben, als sie nachts aufwachten, und wie lang die Schlafzeit wie auch die im Bett verbrachte Zeit insgesamt waren. 
Die Schlafeffizienz der Teilnehmenden wurde aus der Schlafzeit und der Zeit im Bett errechnet. Bei einem Teil der Studien wurden dazu auch nächtliche Untersuchung im Schlaflabor durchgeführt.

Die Ergebnisse im Einzelnen

Nutzen der Behandlung mit Zolpidem

Nach Beendigung der Behandlungen wurden die Daten aus den Schlaftagebüchern beider Gruppen verglichen. Die Ergebnisse liegen für die jeweilige unterschiedliche Anwendung und Darreichungsform in den Studien vor:

Regelmäßige Einnahme von 10–15 mg Zolpidem

  • Einschlafzeit: 15 Minuten kürzer als bei Scheinmedikamenteneinnahme
  • Veränderung der Wachzeit während des Schlafes: keine Aussagen
  • Veränderung der Gesamtschlafzeit: 23 Minuten längere Schlafzeit als bei Einnahme von Scheinmedikamenten

Einnahme von 10 mg Zolpidem bei Bedarf

  • Einschlafzeit: 15 Minuten kürzer als bei Einnahme eines Scheinmedikaments (Durchschnittswert der Nächte mit Zolpidemeinnahme)
  • Veränderung der Wachzeit während des Schlafes: in einer Studie kürzere Wachzeit während des Schlafes als bei Scheinmedikamenteneinnahme, in einer anderen kein Unterschied zur Scheinmedikamenteneinnahme
  • Veränderung der Gesamtschlafzeit: kein eindeutiges Ergebnis der Studien; in einer Studie längere Gesamtschlafzeit bei Zolpidemeinnahme, in einer anderen nicht 

Einnahme von 3,5 mg Zolpidem zur Auflösung unter der Zunge bei Bedarf 

  • Einschlafzeit: 18 Minuten kürzer als bei Scheinmedikamenteneinnahme
  • Veränderung der Wachzeit während des Schlafes: kein Unterschied zur Scheinmedikamenteneinnahme
  • Veränderung der Gesamtschlafzeit: kein Unterschied der Schlafzeit zwischen Zolpidemeinnahme und Einnahme von Scheinmedikamenten

Einnahme von 12,5 mg Zolpidem (mit verzögerter Wirkung)

  • Einschlafzeit: 9 Minuten kürzer als bei Scheinmedikamenteneinnahme
  • Veränderung der Wachzeit während des Schlafes: 16 Minuten kürzer als bei Scheinmedikamenteneinnahme
  • Veränderung der Gesamtschlafzeit: 25 Minuten längere Schlafzeit als bei Einnahme von Scheinmedikamenten

Änderte sich das Wohlbefinden oder die Lebensqualität?

Die randomisierte kontrollierte Studie zur Zolpidemeinnahme bei Bedarf gibt Hinweise auf ein höheres Wohlbefinden bei den Personen, die Zolpidem erhielten. Hinsichtlich der Lebensqualität unterschieden sich die Personen, die Zolpidem einnahmen, aber nicht von den Personen, die das Scheinmedikament bekamen.

Schaden bei der Behandlung mit Zolpidem

In der Zolpidemgruppe hörten 6 von 100 Teilnehmenden aufgrund von Nebenwirkungen auf, das Medikament zu nehmen. In der Placebogruppe waren es 2 von 100 Teilnehmenden. Dies Ergebnis beruht auf allen Studien zu Zolpidem, unabhängig von der Darreichungsform.
In der Zolpidemgruppe nannten 68 von 100 Personen mindestens eine Nebenwirkung. In der Kontrollgruppe waren es 67 von 100 Personen.

Bei 10 von 100 der Personen, die Zolpidem 10–15 mg regelmäßig einnahmen, traten starke Benommenheit mit abnormer Schläfrigkeit sowie eingeschränkter Aufmerksamkeit (Somnolenz) auf. Bei Personen, die ein Scheinmedikament erhielten, waren es 3 von 100.
Zwei der eingeschlossenen Studien berichteten von Entzugssymptomen und einem Wiederauftreten der Insomnie nach Absetzen der Medikamente. In zwei anderen Studien ist keine Rede von Unterschieden zwischen den Gruppen hinsichtlich Entzugssymptomen und Wiederauftreten der Insomnie.

Einschränkung der Ergebnisse

Die methodische Qualität der Übersichtsarbeit ist gut. Die Qualität der Einzelstudien wird aufgrund studienmethodischer Mängel als moderat eingestuft. Das Vertrauen in die Ergebnisse ist daher eingeschränkt. Die tatsächlichen Effekte könnten etwas anders sein.

Die Übersichtsarbeit berücksichtigte sechs Studien, in denen Zolpidem (10 oder 15 mg) in Tablettenform allabendlich eingenommen wurde. Das Durchschnittsalter betrug 44 Jahre und 58 Prozent der insgesamt 844 Teilnehmenden waren Frauen. Fünf Studien wurden in den USA und eine in Europa und Kanada erhoben. In vier Studien wurde eine Dosis von 10 mg und in zwei eine Dosis von 10 und 15 mg bewertet. Das Verzerrungspotenzial war in allen Studien moderat. Drei Studien wurden von der Pharmaindustrie finanziert und in zwei wurden staatliche Mittel bereitgestellt. Bei einer Studie war die Finanzierung unklar.

Die Übersichtsarbeit berücksichtigte drei Studien, die die Einnahme von Zolpidem (10 mg) nach Bedarf mit einer Placebogabe verglichen. Das Durchschnittsalter der 607 Teilnehmenden lag bei 44 Jahren und 73 Prozent waren weiblich. Zwei Studien wurden in den USA und eine in Frankreich durchgeführt. Zwei Studien finanzierte die Pharmaindustrie. In der dritten Studie war die Finanzierung unklar. Das Verzerrungspotenzial aller Studien war moderat.

Eine Studie in der Übersichtsarbeit untersuchte Zolpidem zur Auflösung unter der Zunge (3,5 mg) nach Bedarf. Das Durchschnittsalter der 295 Personen, die an dieser Studie teilnahmen, betrug 43 Jahre; 68 Prozent waren weiblich. Die Studie wurde von einer Pharmafirma finanziert und in den USA erhoben. Das Risiko einer Verzerrung war moderat.

In einer Studie wurde Zolpidem (12,5 mg) mit verlangsamter Wirkstofffreisetzung (retard) untersucht. Unter den 1018 Teilnehmenden waren 61 Prozent weiblich. Das Durchschnittsalter betrug 46 Jahre. Die Studie wurde von einem Pharmaunternehmen finanziert und in den USA erhoben. Das Risiko einer Verzerrung aus methodischen Gründen war gering.

Ergänzende Ergebnisse

Eine aktuelle Studie aus dem Jahr 2019, die nicht in der Übersichtsarbeit enthalten war, untersuchte die Einnahme von Zolpidem (6,35 mg) bei Menschen im Alter von über 55 Jahren. Die Vergleichsgruppe erhielt ein Scheinmedikament.

Die Ergebnisse dieser Studie decken sich mit den Ergebnissen der Übersichtsarbeit. Es wurde in der Zolpidemgruppe eine Verkürzung der Einschlafzeit und der Wachzeit während des Schlafs festgestellt. Die Schlafeffizienz war bei Einnahme von Zolpidem höher als bei der Einnahme von Scheinmedikamenten.
Unerwünschte Ereignisse traten bei Personen, die Zolpidem einnahmen, häufiger auf als bei Personen, die Scheinmedikamente einnahmen. Die Teilnehmenden an der Studie berichteten von Kopfschmerzen, Somnolenz, Harnwegsinfekten, Nasopharyngitiden, Atemwegsinfekten und Schwindel.

In dieser randomisierten kontrollierten Studie wurden 472 Personen mit Insomnie aus 67 nordamerikanischen und europäischen Studienzentren untersucht. Die Behandlung dauerte 30 Tage. Der Frauenanteil betrug 87 Prozent.

Die methodische Qualität der Studie ist sehr gut. Sie untersuchte nur Menschen im Alter von über 55 Jahren. Die Ergebnisse sind daher nicht auf jüngere Personen übertragbar.

Quellen und Hinweise

Unsere Gesundheitsinformationen können eine gesundheitsbezogene Entscheidung unterstützen. Sie ersetzen nicht das persönliche Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin und dienen nicht der Selbstdiagnostik oder Behandlung.

Brasure M, MacDonald R, Fuchs E, Olson CM, Carlyle M, Diem S et al. Management of insomnia disorder. AHRQ Comparative Effectiveness Reviews. Rockville (MD): Agency for Healthcare Research and Quality; 2015.

Rosenberg R, Murphy P, Zammit G, Mayleben D, Kumar D, Dhadda S et al. Comparison of Lemborexant with plazebo and Zolpidem tartrate extended release for the treatment of older adults with insomnia disorder: A phase 3 randomized clinical trial. JAMA Netw Open 2019;2(12):e1918254. 

Riemann D, Baum E, Cohrs S, Crönlein T, Hajak G, Hertenstein E et al. S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen. Somnologie 2017;21(1):2–44.

Wilt T, MacDonald R, Brasure M, Olson CM, Carlyle M, Fuchs E et al. (2016): Pharmacologic treatment of insomnia disorder: An evidence report for a clinical practice guideline by the American College of Physicians. Annals of Internal Medicine 2016;165(2):103–112.

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Informationen dazu, nach welchen Methoden die Stiftung Gesundheitswissen ihre Angebote erstellt, können Sie in unserem Methodenpapier nachlesen.

Erstellt vom Team Stiftung Gesundheitswissen.

Wissenschaftliche Beratung:
Dr. med. Dagmar Lühmann
Dr. med. Dagmar Lühmann

Dr. med. Dagmar Lühmann

Dr. med. Dagmar Lühmann absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester und studierte anschließend Medizin an der Universität zu Lübeck. Nach dem Examen arbeitete sie als Assistenzärztin am Institut für Transfusionsmedizin und Immunologie und promovierte dort zum Thema "Auswirkungen von Quecksilberexposition auf das menschliche Immunsystem". Später arbeitete sie am Institut für Sozialmedizin an der Universität zu Lübeck mit dem Schwerpunkt evidenzbasierte Medizin und Bewertung von medizinischen Verfahren (Health Technology Assessment). Seit 2013 ist sie als Forschungskoordinatorin am Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig.

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Erstellt am: 15.12.2020