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Harninkontinenz

Wie wird Dranginkontinenz festgestellt?

Beschwerden wie plötzlicher Harndrang und ungewollter Urinverlust können Anzeichen von Dranginkontinenz sein. Erfahren Sie hier mehr darüber, wie diese Form der Inkontinenz festgestellt werden kann, was Sie beim Arztbesuch erwartet und welche Untersuchungen möglicherweise vorgenommen werden.

Wie kann Dranginkontinenz festgestellt werden?

Treten Beschwerden auf, die auf Dranginkontinenz hindeuten, zum Beispiel, dass man über eine gewisse Zeit plötzlich und häufig Harndrang verspürt und ungewollt Urin verliert, kann ein Hausarzt, eine Hausärztin hinzugezogen werden. Man kann sich auch an einen Urologen, eine Urologin oder eine Gynäkologin, einen Gynäkologen wenden. Der Arzt, die Ärztin kann mit Hilfe eines Arzt-Patienten-Gesprächs, der körperlichen Untersuchung und gegebenenfalls mit weiteren Untersuchungen feststellen, ob Dranginkontinenz vorliegt oder nicht. 

Bevor feststeht, ob es sich um Dranginkontinenz handelt, müssen andere Formen der Inkontinenz ausgeschlossen werden. Danach ist zu prüfen, ob bestimmte Erkrankungen die Dranginkontinenz verursacht haben können. In der Regel wird der Patient, die Patientin auch aufgefordert, ein sogenanntes Miktionstagebuch zu führen. 

So gelingt das Gespräch mit dem Arzt

Damit Sie wichtige Fragen nicht vergessen: Wie Sie sich gut auf ein Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin vorbereiten können.

Wie läuft das Gespräch mit dem Arzt oder der Ärztin ab?

Das Arzt-Patienten-Gespräch ist der erste Schritt, um Dranginkontinenz festzustellen oder auszuschließen und Anhaltspunkte für die möglichen Ursachen zu bekommen. Dabei wird die Krankengeschichte genau erfasst (Anamnese). Die Ärztin, der Arzt fragt im Gespräch oder mittels Fragebogen unterschiedliche Aspekte ab, die bei Dranginkontinenz eine Rolle spielen können. Dazu gehören zum Beispiel die genauen Beschwerden, der Verlauf sowie die Häufigkeit und Stärke, mit denen Symptome wie Harndrang oder Urinverlust auftreten. Auch wie sich die Beschwerden auf die Lebensqualität und die täglichen Aktivitäten auswirken, wird erfasst. 

Von Interesse ist außerdem, ob Beeinträchtigungen des Denkens oder andere Erkrankungen und Beschwerden neben der Inkontinenz vorliegen oder man Medikamente einnimmt. Denn manche Medikamente können Dranginkontinenz auslösen oder eine bestehende Dranginkontinenz verstärken. Auch bestimmte Erkrankungen kommen als Auslöser für Dranginkontinenz in Betracht. Diese Informationen können Hinweise liefern, die für die weitere Diagnostik und die Therapieauswahl eine Rolle spielen.

Schweigen und Scham: Offen über Inkontinenz zu reden, fällt oft schwer

Damit sich Arzt oder Ärztin ein möglichst genaues Bild von der Patientin oder dem Patienten machen kann, hilft es, die Beschwerden offen anzusprechen und genau zu schildern. Nicht jedem fällt das leicht. Das folgende Video erklärt, was das Reden über Harninkontinenz oft schwierig macht und warum es trotzdem wichtig ist.

Was passiert bei der körperlichen Untersuchung?

Bei der körperlichen Untersuchung, die in der Regel im Anschluss an das Arzt-Patienten-Gespräch erfolgt, macht sich der Arzt oder die Ärztin ein Bild von der körperlichen Verfassung des Patienten, der Patientin. Dabei werden zum Beispiel Gewicht und Beweglichkeit erfasst. 

Geprüft wird auch, ob es Hinweise auf Erkrankungen der Bauchorgane und der Harnblase gibt. Dazu werden Bauchraum und Beckenregion abgetastet. Durch die körperliche Untersuchung lassen sich weitere Anhaltspunkte für mögliche Ursachen der Dranginkontinenz gewinnen.

Sollten sich beispielsweise Anhaltspunkte aus dem Arzt-Patienten-Gespräch für eine Nervenschädigung oder Nervenerkrankung ergeben, werden zusätzliche Untersuchungen nötig, mit denen man diese Ursachen erkennen kann.

Wie funktioniert die Harnblase?

Damit die Harnblase richtig funktionieren kann, müssen Nerven und Muskeln präzise zusammenspielen. Welche Prozesse laufen dabei ab? Und wo werden sie gesteuert?

Was ist ein Miktionstagebuch?

Miktionstagebücher werden verwendet, um Zeit, Art und Menge der täglichen Flüssigkeitsaufnahme und Urinabgabe bei der Blasenentleerung genau zu dokumentieren. Auch die Häufigkeit und Intensität, in der man Harndrang verspürt hat, und wann Urinverlust aufgetreten ist, wird in das Miktionstagebuch eingetragen. Es wird zum Beispiel über einen Zeitraum von drei bis sieben Tagen geführt.

Die Aufzeichnungen im Miktionstagebuch geben der Ärztin oder dem Arzt Hinweise darauf, um welche Form der Inkontinenz es sich handeln könnte und wie schwerwiegend die Inkontinenz ist. Das komplette Miktionstagebuch mit einer Anleitung können Sie mit einem Klick auf unten stehenden Link herunterladen.

Miktionstagebuch als PDF-Download

Welche weiteren Untersuchungen können notwendig sein?

Um Dranginkontinenz zu erkennen und Erkenntnisse über mögliche Ursachen zu gewinnen, können neben der eingangs durchgeführten körperlichen Untersuchung auch weitere Untersuchungen notwendig sein ‒ zum Beispiel folgende:

Der Beckenboden ist ein Verschluss aus Muskeln und Bindegewebe im Becken- und Bauchraum. Ein schwacher Beckenboden kann zu einer Harninkontinenz führen. Daher wird bei manchen Menschen mit Harninkontinenz empfohlen, den Beckenboden untersuchen zu lassen. Fachleute empfehlen die Untersuchung für Frauen sowie für Männer, bei denen die Prostata in einer Operation entfernt wurde. Ein schwacher Beckenboden lässt sich mithilfe von Beckenbodentraining stärken.

Dranginkontinenz kann durch Harnwegsinfekte verursacht werden. Daher kann bei Verdacht auf Dranginkontinenz eine Urinuntersuchung notwendig sein. Bestimmte Stoffe im Urin können Auskunft über das Vorliegen einer Harnwegsinfektion geben.

Restharn ist die Menge an Urin, die sich nach dem Toilettengang noch in der Harnblase befindet. Normalerweise wird die Blase vollständig geleert. Zu Restharn kann es kommen, wenn die Blasenentleerung gestört ist. Restharn kann die Beschwerden bei Dranginkontinenz verstärken oder auch Harnwegsinfekte und andere Krankheiten fördern.

Bei der Restharnbestimmung macht der Arzt oder die Ärztin ein Ultraschallbild von der Harnblase, nachdem die Blase entleert wurde. Alternativ kann zur Bestimmung des Restharns einmalig ein kleiner Schlauch über die Harnröhre in die Harnblase geschoben und darüber der verbliebene Urin abgelassen werden.

Auch Untersuchungen dazu, wie gut der Blasenmuskel arbeitet oder die Harnblase Urin speichert und abgibt, können notwendig sein. Solche Untersuchungen nennt man auch urodynamische Untersuchungen oder kurz „Urodynamik“.

Urodynamische Untersuchungen finden beispielsweise statt, wenn nach dem Arzt-Patienten-Gespräch anhand der Patientengeschichte und der körperlichen Untersuchung keine eindeutige Diagnose möglich war oder eine bisherige Inkontinenzbehandlung nicht erfolgreich verlaufen ist.

Urodynamische Messungen erfassen zum Beispiel den Blasendruck und die Muskelaktivität in der Harnblase. Sie werden mithilfe von Sonden, die in die Harnblase und den Enddarm eingeführt werden, und mit Elektroden vorgenommen. Die Messwerte geben Aufschluss darüber, wie gut der Blasenmuskel funktioniert und sich die Harnblase dehnen und zusammenziehen kann. Diese Eigenschaften sind wichtig für die Blasenentleerung und die Urinspeicherung.

Wenn der Verdacht auf krankhafte Veränderungen der Harnblase oder Harnröhre besteht oder verschiedene Behandlungen nicht erfolgreich waren, können auch Untersuchungen wie eine Blasenspiegelung oder Röntgenuntersuchung der Harnblase nötig werden, um die Ursache der Inkontinenzbeschwerden zu finden.

Dranginkontinenz behandeln

Bei Dranginkontinenz gibt es vielfältige Behandlungsmöglichkeiten, die die Beschwerden lindern und die Lebensqualität verbessern sollen. Erfahren Sie hier mehr, welche Möglichkeiten dies im Einzelnen sind und wann und mit welchen Zielen sie eingesetzt werden.

Quellen und Hinweise

Unsere Gesundheitsinformationen können eine gesundheitsbezogene Entscheidung unterstützen. Sie ersetzen nicht das persönliche Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin und dienen nicht der Selbstdiagnostik oder Behandlung.

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Unsere Angebote werden regelmäßig geprüft und bei neuen Erkenntnissen angepasst. Eine umfassende Prüfung findet alle drei bis fünf Jahre statt. Wir folgen damit den einschlägigen Expertenempfehlungen, z.B. des Deutschen Netzwerks für Evidenzbasierte Medizin.

Informationen dazu, nach welchen Methoden die Stiftung Gesundheitswissen ihre Angebote erstellt, können Sie in unserem Methodenpapier nachlesen.

Autoren und Autorinnen:
Claudia Höppner
Claudia Höppner

Claudia Höppner

Referentin Evidenzbasierte Medizin
Claudia Höppner ist Gesundheitswissenschaftlerin (MPH) und Soziologin. Für die Stiftung erarbeitet sie Inhalte für multimediale Informationsangebote auf Basis der Methoden der evidenzbasierten Medizin und unterstützt bei wissenschaftlichen Projekten.
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Jochen Randig
Jochen Randig

Jochen Randig

Senior-Multimedia-Producer / Fachleitung multimediale Formate
Jochen Randig ist Kommunikationswissenschaftler mit Schwerpunkt Bewegtbild. Für die Stiftung konzipiert er multimediale Formate und ist für die Qualitätssicherung und Dienstleistersteuerung in diesem Bereich zuständig.
Wissenschaftliche Beratung:
Univ. Ass. Mag. rer. nat. Thomas Semlitsch
Portrait Univ.Ass. Mag.rer.nat. Thomas Semlitsch

Univ. Ass. Mag. rer. nat. Thomas Semlitsch

Mag. rer. nat. Thomas Semlitsch studierte Chemie mit dem Ausbildungsschwerpunkt Biochemie und Zellbiologie der Karl Franzens Universität Graz. Vor seiner Anstellung an der Medizinischen Universität Graz war er mehrere Jahre im Bereich Qualitätsmanagement und als Koordinator klinischer Studien an einer österreichischen Privatklinik tätig und absolvierte 2007 eine Post-Graduate Ausbildung zum Good Laboratory Practice (GLP) -Beauftragten für den Bereich analytisches Labor. Von 2008 bis 2014 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Research Unit „EBM Review Center“ der Medizinischen Universität Graz und von 2011 bis 2014 auch am Institut für Biomedizin und Gesundheitswissenschaften der Joanneum Research Forschungsgesellschaft tätig. Seit 2015 ist er als Univ. Assistent am Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung im Fachbereich Evidenzbasierte Medizin beschäftigt. Herr Semlitsch ist seit 2018 Fachbereichssprecher der Sektion Österreich und somit Mitglied des erweiternden Vorstands des Deutschen Netzwerks Evidenz basierte Medizin (DNEbM).
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Mag. (FH) Christine Loder

Mag. (FH) Christine Loder

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Erstellt am: 12.06.2024