Verdacht auf Behandlungsfehler - was tun?

Medizinrechtsexperte Dr. Rainer Hess

Jurist im Medizin- und Gesundheitsbereich 

  • bis 2024 Stiftungsratsvorsitzender der Stiftung Gesundheitswissen
  • 2004 - 2012 unparteiischer Vorsitzender des Gemeinsamen Bundesausschusses.  
  • 1988 - 2003 Hauptgeschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. 

Schwerpunkt: Systemberatung im Sozial- und Gesundheitswesen

Berlin, 03.09.2021 - Fehler passieren uns allen. Doch wenn Ärzte oder Ärztinnen Fehler machen, kann das mitunter gravierende Folgen haben. Der Gesetzgeber hat deshalb einen rechtlichen Rahmen für das Vorgehen bei einem Verdacht auf Behandlungsfehler gegeben. Wir erklären, was Sie in einem ersten Schritt selbst tun können und an wen Sie sich wenden können.

Wenn im medizinischen Bereich Fehler passieren, kann das Diagnose genauso wie eine Behandlung betreffen. Ob ein Behandlungsfehler vorliegt oder nicht, ist oft sehr schwierig zu beurteilen. Denn medizinische Sachverhalte und Behandlungen sind sehr komplex und häufig schwer zu verstehen. Sollten Sie einen Behandlungsfehler vermuten, gibt es verschiedene Möglichkeiten vorzugehen.

  • Sind für den Arzt Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren. Vermuten Sie einen Behandlungsfehler, sprechen Sie offen mit der verantwortlichen Ärztin oder dem verantwortlichen Arzt darüber. Unbegründete Zweifel können sich so ausräumen lassen. 
  • Ihre Krankenkasse ist ein wichtiger Ansprechpartner bei einem Verdacht auf einen Behandlungsfehler. Sie ist verpflichtet, ihre Mitglieder bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen zu unterstützen. So können Sie beispielsweise kostenlos ein Sachverständigengutachten des Medizinischen Dienstes einholen. Dieser prüft, ob tatsächlich ein Fehler vorliegt. 
  • Hilfe bekommen Sie auch von der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) sowie von Verbraucherzentralen und Selbsthilfeorganisationen. 
  • Die Ärzteschaft selbst hat Einrichtungen gegründet, die Patentinnen und Patienten bei der Klärung eines Behandlungsfehlerverdachts unterstützen. Diese Gutachterkommissionen oder Schlichtungsstellen sind meistens bei der jeweils zuständigen Landesärztekammer oder der Landeszahnärztekammer eingerichtet. 

Beweislast liegt beim Patienten

Grundsätzlich gilt: Die Beweislast trägt der Patient oder die Patientin. Außerdem muss der Behandlungsfehler die Ursache des Schadens sein. Häufig ist dieser Zusammenhang nur schwer zu belegen. Deswegen trägt der Arzt in bestimmten Fällen die Beweislast, etwa, wenn er besonders gravierend gegen medizinische Standards verstoßen, bspw. ein falsches Organ entnommen hat oder notwendige Befunde nicht oder falsch dokumentiert hat.

Ansprüche auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld sollten Sie nicht zu lange aufschieben – sie verjähren, mit einigen Ausnahmen, nach drei Jahren. Erhebt der Patient den Vorwurf einer Verletzung der ärztlichen Aufklärungspflicht (Selbstbestimmungsaufklärung), so trägt der Arzt die Beweislast dafür, dass der Patient hinreichend aufgeklärt wurde und somit wirksam eingewilligt hat.

Klarheit über die Abläufe verschaffen

Verschaffen Sie sich in einem ersten Schritt Klarheit über die Abläufe. Diese müssen von der Praxis bzw. vom Krankenhaus vollständig und nachvollziehbar dokumentiert und in einer Patientenakte festgehalten werden. Ärzte sind verpflichtet, alle medizinischen Aspekte, wie die Krankengeschichte, Diagnosen, Untersuchungen und deren Ergebnisse, medikamentöse Therapien und ihre Wirkungen zu erfassen. Auch Eingriffe, Aufklärungen, Einwilligungen sowie Arztbriefe sind aufzuführen.

Patientinnen und Patienten können ihre Akte jederzeit einsehen. Sollten Sie vermuten, dass bei Ihrer Behandlung Fehler gemacht wurden und Ihnen dadurch Nachteile entstanden sind, ist es hilfreich, die Dokumentation einsehen zu können. Manchmal lässt sich daraus bereits erkennen, ob gravierende Fehler gemacht wurden. Fordern Sie deshalb Kopien der Unterlagen an. Das kann zwar kostenpflichtig sein - ist aber unerlässlich, falls es tatsächlich zu einem Rechtsstreit kommt.

Expertenchat Behandlungsfehler

Die Stiftung Gesundheitswissen hat dem Thema Behandlungsfehler einen Expertenchat gewidmet - gemeinsam mit der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD).

Den Rechtsweg beschreiten

Wenn ein Schlichtungsverfahren zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis geführt hat, steht Ihnen der Rechtsweg offen – mit entsprechenden Forderungen auf Schadenersatz oder Schmerzensgeld. In einem zivilrechtlichen Verfahren müssen Sie nachweisen, dass Sie durch das fahrlässige oder sorgfaltswidrige Verhalten der Ärztin oder des Arztes einen Gesundheitsschaden erlitten haben.

Es gibt speziell ausgebildete Fachanwälte für Medizinrecht oder Juristen mit entsprechendem Themenschwerpunkt, an die Sie sich wenden können. Ist das Verfahren erfolgreich, muss der verurteilte Arzt die Kosten des Verfahrens und auch die Anwaltskosten übernehmen. 

Wie häufig sind Behandlungsfehler?

Wie häufig Behandlungsfehler tatsächlich vorkommen, lässt sich schwer sagen – unter anderem, weil hierzu unterschiedliche Statistiken vorliegen. 2019 wurden knapp 11.000  Fälle vermuteter Behandlungsfehler von den Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen bei den Ärztekammern bewertet. Einen tatsächlichen Behandlungsfehler fanden die Gutachter dabei in 1.871 Fällen. Der Medizinische Dienst der Krankenversicherungen (MDK) hat im selben Zeitraum rund 14.500 fachärztliche Gutachten zu vermuteten Behandlungsfehlern erstellt. In jedem vierten Fall wurde ein Fehler bestätigt. Die Dunkelziffer dürfte laut Experten jedoch weit höher ausfallen, weil viele Betroffene den großen Aufwand, den solche ein Begutachtungsverfahren mit sich bringen, scheuen oder gar nicht wissen, an wen sie sich überhaupt wenden können.

Wo sind die Patientenrechte geregelt?

Viele Patientenrechte sind im Patientenrechtegesetz (PRG) geregelt, das 2013 in Kraft trat. Die bis dahin gültige Rechtsprechung wurde in einem neuen Unterkapitel des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zusammengefasst und konkretisiert und zugleich die Patientenrechte im Fünften Sozialgesetzbuch (SGB V) ergänzt und erweitert (§§ 630a – 630h BGB). Wir stellen Ihnen die Details zu wichtigen Regelungen vor.

Quellen und Hinweise

Unsere Gesundheitsinformationen können eine gesundheitsbezogene Entscheidung unterstützen. Sie ersetzen nicht das persönliche Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin und dienen nicht der Selbstdiagnostik oder Behandlung

Bundesärztekammer. Statistische Erhebung der Gutachterkommissionen und Schlichtungsstellen für das Statistikjahr 2019. 2020. [online] https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/downloads/pdf-Ordner/Behandlungsfehler/Statistische_Erhebung_2019.pdf [25.08.2021]

Bundesärztekammer / Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern. Patientenrechtegesetz. [online]
http://www.bundesaerztekammer.de/recht/gesetze-und-verordnungen/patientenrechtegesetz/ [25.08.2021]

Bundesministerium für Gesundheit (BMG): Informiert und selbstbestimmt: Ratgeber für Patientenrechte. 2019. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Praevention/Broschueren/Ratgeber_Patientenrechte_bf.pdf [25.08.2021]

IGES Institut. Patientenrechtegesetz: Verbesserungen reichen noch nicht aus.  [online]
http://www.iges.com/kunden/gesundheit/forschungsergebnisse/2016/patientenrechtegesetz-verbesserungen-reichen-noch-nicht-aus/index_ger.html [25.08.2021]

Medizinischer Dienst der Krankenkassen (MDK). MDK-Behandlungsfehler-Begutachtung: Vertrauen schaffen durch mehr Patientensicherheit. 2020. [online] https://www.medizinischerdienst.de/aktuelles-presse/meldungen/artikel/behandlungsfehlerjahresstatistik-2019 [25.08.2021]

Erstellt vom Team Stiftung Gesundheitswissen.

Dieser Text wurde ursprünglich am 24.08.2021 erstellt und wird regelmäßig überprüft.

Informationen dazu, nach welchen Methoden die Stiftung Gesundheitswissen ihre Inhalte erstellt, können Sie hier nachlesen.

Bei der Erstellung dieser Gesundheitsinformationen lagen keine Interessenkonflikte vor.

Alle unsere Informationen beruhen auf den derzeit besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie stellen keine endgültige Bewertung dar und sind keine Empfehlungen.

Auch wenn Zahlen den Eindruck von Genauigkeit vermitteln, sind sie mit Unsicherheiten verbunden. Denn Zahlen aus wissenschaftlichen Untersuchungen sind fast immer nur Schätzwerte. Für den einzelnen Menschen lassen sich keine sicheren Vorhersagen treffen.

Weitere wichtige Hinweise zu unseren Gesundheitsinformationen finden Sie hier.