Medikamente müssen in Deutschland in einem aufwendigen Verfahren geprüft und zugelassen werden. So schreibt es das Arzneimittelgesetz vor. Die Hersteller überprüfen in klinischen Studien die Wirksamkeit und Sicherheit und die Zulassungsbehörde entscheidet anhand der vorgelegten Daten über die Zulassung der Arzneimittel. Wir haben uns das Zulassungsverfahren für Arzneimittel angeschaut.
Arzneimittel haben eine besondere Wirkung auf den Körper. Diese Wirkungen können nützlich, aber in manchen Fällen auch schädlich sein. Aus diesem Grund benötigen neue Arzneimittel in Deutschland erst eine Zulassung, bevor sie in den Handel gelangen. So schreibt es das Arzneimittelgesetz vor.
Um eine Arzneimittelzulassung in Deutschland zu bekommen, müssen Medikamente aufwändig in klinischen Studien geprüft werden. Erst danach kann der Hersteller eine Zulassung für das Arzneimittel beantragen.
Der Weg von der Entwicklung bis zur Arzneimittelzulassung in Deutschland ist lang. Zunächst gilt es, einen Stoff zu finden, aus dem ein neues Arzneimittel entstehen kann. Dafür werden mehrere Tausend pflanzliche oder tierische Stoffe getestet. Wurde ein vielversprechender Stoff gefunden, beginnen Tests, zuerst in Zellkulturen, danach an Tieren und später an Menschen. Diese Tests laufen in verschiedenen Phasen ab. Die Studienphasen werden entsprechend der Reihenfolge unterteilt, in der sie stattfinden:
Bevor ein Wirkstoff an Menschen erprobt werden kann, wird der Wirkstoff in Zellkulturen und an Tieren getestet. Diese Tests liefern grundlegende Informationen darüber, wie der Stoff wirkt und ob er sicher ist. So wird zum Beispiel untersucht, ob der Wirkstoff giftig ist, Krebs auslöst oder Gene verändert.
Um die Genehmigung für eine klinische Studie zu erhalten, hat ein Pharmaunternehmen der zuständigen Behörde die Ergebnisse der Laboruntersuchungen vorzulegen. Außerdem muss es für jede klinische Studie einen ausführlichen Prüfplan erstellen, den ebenfalls die Behörde genehmigen muss.
Für den Ablauf klinischer Studien gelten strenge Regeln. Diese sollen vor allem die Studienteilnehmenden schützen. Sie sollen aber auch gewährleisten, dass die Ergebnisse der Studie verlässlich sind.
In Phase-0-Studien wird der neue Wirkstoff an wenigen gesunden Freiwilligen (etwa 4 bis 10 Personen) oder Patienten getestet. Die Dosis ist dabei so gering, dass eine schädliche Wirkung nahezu ausgeschlossen werden kann. Die Phase 0 soll zeigen, wie der Körper den neuen Wirkstoff verarbeitet und abbaut. Diese Studien sind nicht vorgeschrieben und werden auch nicht immer durchgeführt. Sie dienen unter anderem dazu, ungeeignete Wirkstoffkandidaten früher zu erkennen.
In Phase-1-Studien wird getestet, wie sicher und verträglich der Wirkstoff ist. Dabei überprüft man einerseits die Dosis, aber auch die Darreichungsform – also ob der Wirkstoff als Tablette, Tropfen oder in anderer Form besser funktioniert. An Phase-1-Studien nehmen in der Regel 10 bis 100 junge gesunde Erwachsene teil. In Ausnahmefällen können auch Patienten an Phase-1-Studien teilnehmen, wie Patienten mit fortgeschrittener Krebserkrankung oder auch Kinder (bei Kinderkrankheiten). Sobald feststeht, dass der Wirkstoff sicher und gut verträglich ist, erfolgt der Übergang zur Studienphase 2.
In Phase-2-Studien wird das Arzneimittel an 50 bis 500 Patientinnen und Patienten getestet. In dieser Studienphase überprüft man die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit sowie die optimale Dosis.
In Phase-3-Studie wird das neue Medikament an großen Patientengruppen von 1000 Personen oder mehr getestet. Hier muss der neue Wirkstoff nachweisen, dass er wirksam, verträglich und sicher ist. Dabei wird der Wirkstoff mit einer bereits bestehenden Standardbehandlung verglichen. Gibt es keine Standardtherapie, erfolgt ein Vergleich mit einer Scheinbehandlung (Placebo).
Zeigen die Studien, dass der Nutzen des neuen Arzneimittels die Risiken überwiegt, dann kann das Pharmaunternehmen die Zulassung des Arzneimittels bei einer zuständigen Zulassungsbehörde beantragen. In Deutschland sind dafür das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut zuständig.
Wenn ein Pharmaunternehmen ein neues Arzneimittel entwickelt hat und die klinischen Studien erfolgreich waren, kann es die Zulassung eines Arzneimittels für den Handel bei einer Zulassungsbehörde beantragen. Für die Zulassung muss das Pharmaunternehmen verschiedene Unterlagen einreichen. Dazu gehören Angaben über Inhaltsstoffe, Anwendungsgebiete, Wirkungen und Nebenwirkungen, Herstellung und Dosierung. Außerdem muss das Pharmaunternehmen alle relevanten Studienunterlagen vorlegen, um die Sicherheit, die Wirksamkeit und Verträglichkeit des neuen Arzneimittels zu belegen.
Die Zulassungsstelle prüft diese Unterlagen und entscheidet dann, ob das Arzneimittel zugelassen werden kann.
Je nachdem wo das Arzneimittel verkauft werden soll, gibt es verschiedene Wege der Zulassung. In Deutschland entscheidet das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) entscheidet über die Zulassung von neuen Arzneimitteln. Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) entscheidet unter anderem über die Zulassung von neuen Impfstoffen in Deutschland.
Soll das neue Arzneimittel eine Genehmigung für den Handel in europäischen Ländern erhalten, beantragt man die Zulassung bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA).
Die EMA hat ihren Sitz in Amsterdam. Die zentrale EMA-Zulassung für Arzneimittel ist in manchen Fällen zwingend vorgeschrieben, wie bei neuen Medikamenten gegen Krebs, Diabetes, Viruserkrankungen oder seltene Erkrankungen.
Hat das Pharmaunternehmen eine europaweite EMA-Zulassung für den europäischen Wirtschaftsraum erhalten, so muss es keine zusätzliche PEI- oder BfArM-Zulassung für Deutschland beantragen.
Ist das Arzneimittel zugelassen, so ist die Zulassung vorerst auf fünf Jahre beschränkt. Danach kann der Hersteller des Arzneimittels eine Verlängerung beantragen, die unbegrenzt gilt.
Die Entwicklung des Arzneimittels ist auch nach Zulassung und Markteinführung nicht abgeschlossen. Auch dann werden Informationen zur Sicherheit, Wirksamkeit und Verträglichkeit des Arzneimittels unter Alltagsbedingungen gesammelt.
In dieser sogenannten Phase 4 können z. B. sehr seltene Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten auftreten. Das Pharmaunternehmen wird in diesen Fällen versuchen, das Arzneimittel noch weiter zu verbessern. Behörden haben das Recht, diese Studien vom Arzneimittelhersteller anzufordern.
Beobachtet man nach der Zulassung noch schwerwiegende Nebenwirkungen, kann die Zulassung für das Arzneimittel wieder eingeschränkt oder ganz zurückgenommen werden.
Ärzte und Ärztinnen, die das neue Arzneimittel einsetzen, und auch Patienten und Patientinnen haben die Möglichkeit, Nebenwirkungen zu melden. Dafür steht das gemeinsame Melde-Portal des Paul-Ehrlich-Instituts und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zur Verfügung.
Während der Corona-Pandemie wurde über den Begriff „bedingte Zulassung“ gesprochen. Dieser bezog sich auf die Impfstoffe gegen Covid-19, die damals zugelassen wurden.
Bei einer bedingten Zulassung liegen noch nicht alle Studiendaten zur Wirksamkeit und Sicherheit vor. Es ist aber bereits sehr wahrscheinlich, dass der Nutzen des Arzneimittels größer ist als mögliche Risiken. Eine bedingte Zulassung gibt es meist für Arzneimittel gegen schwere, seltene oder lebensbedrohliche Krankheiten. Sie soll Patienten und Patientinnen einen schnelleren Zugang zu neuen Arzneimitteln ermöglichen.
Der Hersteller des Arzneimittels muss nach der Zulassung umfangreiche Studiendaten zur Wirksamkeit und Sicherheit vorlegen. Eine bedingte Zulassung ist ein Jahr gültig und wird jährlich überprüft. Wenn alle Auflagen erfüllt sind, kann die bedingte Zulassung auch in eine reguläre Zulassung umgewandelt werden.
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§22 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Oktober 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 324) geändert worden ist.
§25 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Oktober 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 324) geändert worden ist.
§30 des Gesetzes über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz - AMG) vom 12. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3394), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Oktober 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 324) geändert worden ist.
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Erstellt am: 18.09.2025