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Studien: Wie verlässlich sind sie wirklich?

Studien liefern uns wichtige Erkenntnisse darüber, wie Krankheiten entstehen und wie sie sich wirksam behandeln lassen.

Berlin, 27.06.2023 - Studien liefern uns wichtige Erkenntnisse darüber, wie Krankheiten entstehen und wie sie sich wirksam behandeln lassen. Allerdings ist Studie nicht gleich Studie. Es gibt verschiedene Arten: Jede hat ihr eigenes Vorgehen und damit verbundene Stärken und Schwächen. Wir erklären die wichtigsten Studientypen in der medizinischen Forschung.

Verschiedene Arten von Studien beschäftigen sich mit verschiedenen Fragestellungen. Um z. B. die Wirkung eines Medikaments zu untersuchen, benötigt man eine andere Art von Studie, als wenn man Krankheitsursachen untersuchen möchte. In der medizinischen Forschung gibt es vor allem zwei wichtige Studientypen: Interventionsstudien und Beobachtungsstudien. Beide unterscheiden sich in ihrer Vorgehensweise und Aussagekraft.

Interventionsstudien: „Wirkt eine Behandlung?“

Mit Interventionsstudien wird untersucht, wie wirksam eine Behandlung gegen eine bestimmte Erkrankung ist. Im medizinischen Sprachgebrauch bedeutet Intervention so viel wie „Einschreiten“ oder „Eingreifen“. Gemeint ist der Eingriff in den Krankheitsverlauf durch eine Behandlung. Das kann z. B. ein Medikament sein, aber auch eine Operation oder eine Diät.

Typische Interventionsstudien sind randomisierte klinische Studien (RCTs) zur Wirksamkeit von Medikamenten. Solche Studien werden durchgeführt, wenn z. B. ein neues Medikament zugelassen werden soll.

Zulassungsstudien sind in der Regel randomisiert-kontrollierte Studien (RCTs). Dabei werden Teilnehmer in meist zwei Gruppen eingeteilt: Die eine Gruppe bekommt das neue Medikament oder die andere Behandlung. Die zweite Gruppe bekommt keine Behandlung. Die zweite Gruppe wird auch Kontrollgruppe genannt. In Medikamentenstudien bekommt die Behandlungsgruppe in der Regel ein Medikament ohne Wirkstoff – einen Placebo. Die Aufteilung der Gruppen erfolgt nach dem Zufallsprinzip, z. B. durch Auslosung.

Wird in der Behandlungsgruppe eine stärkere Wirkung der Therapie gemessen als in der Kontrollgruppe, lässt sich dies auf die Behandlung zurückführen.

Dieser Studientyp hat die höchste Aussagekraft und ist damit am besten geeignet, die Wirksamkeit und Sicherheit eines neuen Wirkstoffs zu beweisen. Denn eine randomisierte kontrollierte Studie (RCT) ist der einzige Studientyp, der es erlaubt, verlässliche Aussagen über Ursache und Wirkung zu treffen.

Zusammenhänge erklären keine Ursachen

Alle Studientypen, die nicht nach den Prinzipien randomisiert-kontrollierter Studien durchgeführt werden, können nur Zusammenhänge (Korrelationen) erfassen. Ob diese Korrelationen aber auch ursächlich miteinander verbunden sind (Kausalität), ist damit noch lange nicht gesagt. Seien Sie daher kritisch bei Behauptungen, die auf Korrelationen fußen.

Wenn eine Studie beispielsweise zeigt, dass Menschen, die viele Karotten essen, seltener an Brustkrebs erkranken als solche, die das nicht tun, liegt die Schlussfolgerung nahe: „Karotten schützen vor Brustkrebs“. Es könnte aber auch sein, dass Menschen, die viele Karotten essen, generell auf eine vollwertige Ernährung achten, einen gesünderen Lebensstil pflegen und schädliche Genussmittel wie Alkohol, Nikotin etc. meiden – und dies möglicherweise die hinter der Korrelation steckende Ursache ist. 

Beobachtungsstudien: „Was kann eine Erkrankung auslösen?"

Bei vielen Krankheiten gibt es Eigenschaften, Verhaltensweisen oder Umwelteinflüsse, die das Risiko zu erkranken erhöhen. Man spricht dann von Risikofaktoren. Rauchen gilt beispielsweise als ein Risikofaktor für Lungenkrebs. Dass Rauchen tatsächlich eine Ursache für Lungenkrebs ist, ließe sich durch eine randomisiert-kontrollierte Studie sicherlich belegen. Allerdings ist es ethisch nicht vertretbar, Studienteilnehmer Zigarettenrauch auszusetzen, um deren Effekt auf die Entstehung von Krebs zu untersuchen. Hier kommen nicht-interventionelle Beobachtungsstudien ins Spiel. 

In einer Beobachtungsstudie wird eine Gruppe von Personen über einen bestimmten Zeitraum beobachtet, ohne dass die Untersucher die Bedingungen steuern oder kontrollieren. Die Forscher betrachten lediglich, wie sich z.B. ein Risikofaktor, eine Ernährungsweise oder eine laufende Behandlung auswirkt. Dann werden Untergruppen mit verschiedenen Merkmalen – zum Beispiel Raucher und Nichtraucher - im Hinblick auf ihren Gesundheitszustand verglichen.

Beobachtungsstudien haben im Vergleich zu randomisiert-kontrollierten Studien eine geringere Aussagekraft. Auch wenn es in der beobachteten Rauchergruppe mehr Lungenkrebsfälle gibt, stellt sich die Frage, ob der Unterschied tatsächlich auf das untersuchte Merkmal (Rauchen bzw. Nichtrauchen) zurückzuführen ist oder ob andere Einflüsse, die nicht erfasst wurden, der Grund sind. Tatsächlich ist es so, dass Rauchen der Risikofaktor Nummer eins für Lungenkrebs ist. Theoretisch könnte aber auch eine allgemein ungesunde Lebensweise der wahre Grund für die höhere Krebsrate sein.

Beispiele für Beobachtungsstudien

Es gibt verschiedene Arten von Beobachtungsstudien. Sie verfolgen unterschiedliche Ziele.

Hier werden Patienten mit einer bestimmten Erkrankung („Fälle“) mit Menschen ohne diese Erkrankung („Kontrollen“) hinsichtlich möglicher Einflussgrößen rückblickend verglichen. Beispielsweise werden Patienten mit bzw. ohne Lungenkrebs nach ihrem Tabakkonsum, Ernährungsgewohnheiten und Krebsfällen in der Familie befragt, um Risikofaktoren für Lungenkrebs herauszufinden.

Fall-Kontroll-Studien sind auch ein wichtiges Instrument, um bei Ausbrüchen von Erkrankungen zu klären, wo der Erreger herkommt.

Ein Beispiel: Auf einem Kreuzfahrtschiff hat ein Drittel der Teilnehmer schweren Durchfall. Es werden alle Passagiere gefragt, was sie am Vortag gegessen haben. Sollte sich herausstellen, dass ein Großteil der Erkrankten das Pilzgericht gegessen hatte, die Gesunden jedoch keine Pilze zu sich genommen hatten, ist die Ursache mit hoher Wahrscheinlichkeit gefunden.

Fall-Kontroll-Studien haben aber Nachteile. Der größte Nachteil ist die Anfälligkeit für Verzerrung, so kann die Kontrollgruppe falsch ausgewählt worden sein. Oder die Fälle (die Erkrankten) sind untereinander nicht ausreichend vergleichbar.

Eine Kohorte ist eine Gruppe von Menschen mit einem gemeinsamen Merkmal, z. B. Rauchen. Um herauszufinden, ob Rauchen ein Risikofaktor für Lungenkrebs ist, beobachtet man Raucher und Nichtraucher und schaut nach einigen Jahren, wie viele von ihnen Lungenkrebs bekommen haben.

In einer Kohorten-Studie wird also typischerweise eine Gruppe, die einem gesundheitlichen Risikofaktor ausgesetzt ist (Exponierte), mit einer anderen Gruppe, die diesem nicht ausgesetzt ist, verglichen. Nach einem gewissen Zeitraum lässt sich erkennen, ob in beiden Gruppen eine Erkrankung auftritt bzw. wie sich eine vorhandene Erkrankung weiterentwickelt. 

Mithilfe von Kohorten-Studien lassen sich Risikofaktoren für bestimmte Erkrankungen erkennen. Außerdem kommen sie bei Anwendungsbeobachtungen von Arzneimitteln zum Einsatz.

Ein Vorteil von Kohorten-Studien ist, dass gezielt Menschen, die einem Risikofaktor ausgesetzt waren, für die Untersuchung ausgewählt und so auch seltene Risikofaktoren und Erkrankungen erforscht werden können.

Nachteile von Kohorten-Studien sind, dass sie oft viele Jahre dauern und anfällig für Verzerrungen sind. Um wirklich Ursachen ausmachen zu können, müssen sehr viele mögliche Einflussfaktoren beobachtet, erfasst und dokumentiert werden – und selbst dann ist es möglich, dass die tatsächliche Ursache nicht erfasst und damit nicht erkannt wird.

Fortschritt durch Evidenz

Was evidenzbasierte Medizin leistet und warum sie uns hilft

Daten erheben oder auswerten: Was ist der Unterschied?

Eine Studie kann neue Daten erheben. Man nennt solche Studien prospektiv. Bei einer prospektiven (vorausschauenden) Studie werden der Ablauf und die Datenauswertung so geplant, dass eine vorab festgelegte Fragestellung damit beantwortet werden kann. Die Daten werden erst ab Studienbeginn erhoben und ausgewertet.

Eine Studie kann aber auch bereits vorhandene Daten auswerten. Das nennt man retrospektiv. Bei einer retrospektiven (rückwärtsgerichteten) Untersuchung wird vorhandenes Datenmaterial analysiert oder Personen rückblickend zu ihrer Erkrankung befragt. Die Geschehnisse liegen zu Studienbeginn in der Vergangenheit. Die Daten sind dann beispielsweise in Krankenakten bereits dokumentiert, oder sie werden durch Befragungen rückblickend erhoben. Ein typisches Beispiel ist die Fall-Kontroll-Studie.

Was ist eine Meta-Analyse?

Eine Meta-Analyse fasst die Ergebnisse aus mehreren Studien zusammen. Dafür suchen Forscher mit einem festem System nach Studien, die sich mit einer bestimmten Fragestellung beschäftigen, zum Beispiel: Hilft Sport beim Abnehmen? Die gefundenen Studien und ihre Ergebnisse werden kritisch bewertet und zu einer Schlussfolgerung zusammengefasst.

Meta-Analysen können hilfreich sein, um die Aussagekraft einzelner Studien zu verbessern. Wenn viele Studien zu demselben Ergebnis kommen, z. B. dass Sport beim Abnehmen hilft, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass diese Schlussfolgerung der einzelnen Studien auch übergreifend stimmt. Problematisch ist es dann, wenn die Qualität der eingeschlossenen Studien schlecht ist oder auch die Einzelstudien zu unterschiedlich sind, um sie miteinander vergleichen zu können. Dann kann auch eine Meta-Analyse nicht aussagekräftig sein.

Titelbild: © iStock.com/Chainarong Prasertthai

 

Quellen und Hinweise

Unsere Gesundheitsinformationen können eine gesundheitsbezogene Entscheidung unterstützen. Sie ersetzen nicht das persönliche Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin und dienen nicht der Selbstdiagnostik oder Behandlung.

Amboss. Studientypen der medizinischen Forschung; 2022. Verfügbar unter: https://next.amboss.com/de/article/1j02zf?q=studientypen+der+medizinischen+forschung#Z91064578493b1b11a03044f853e7eec6.

Benesch M SE. Klinische Studien lesen und verstehen. 2. Aufl. Wien: facultas; 2018.

Röhrig B, Prel JB, Wachtlin D, Blettner M. Studientypen in der medizinischen Forschung. Dtsch Arztebl Int 2009; (106):262–8

Unsere Angebote werden regelmäßig geprüft und bei neuen Erkenntnissen angepasst. Eine umfassende Prüfung findet alle drei bis fünf Jahre statt. Wir folgen damit den einschlägigen Expertenempfehlungen, z.B. des Deutschen Netzwerks für Evidenzbasierte Medizin.

Informationen dazu, nach welchen Methoden die Stiftung Gesundheitswissen ihre Angebote erstellt, können Sie in unserem Methodenpapier nachlesen.

Erstellt vom Team Stiftung Gesundheitswissen.

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Erstellt am: 19.02.2020