Ein Gläschen Wein zum Essen kann nicht schaden, die jährliche Grippeimpfung aber schon? Oft entscheiden wir aus einem Bauchgefühl heraus, was wir gefährlich und was beherrschbar finden. Doch unsere Einschätzung liegt nicht selten weit von der Wirklichkeit entfernt. Wie können wir Gesundheitsgefahren besser einschätzen?
Zwei Beispiele für verzerrte Risikowahrnehmung sind die Themen Alkohol und Impfen: Viele Menschen fürchten sich vor den Nebenwirkungen von Impfungen, obwohl moderne Impfstoffe gut verträglich und schwere Nebenwirkungen äußerst selten sind. Gleichzeitig unterschätzen viele die langfristigen Gesundheitsgefahren, die mit regelmäßigem Alkoholkonsum verbunden sind.
Beispiel Impfungen: Ist Impfen gesundheitsschädigend?
Die Sicherheit der in Deutschland zugelassenen Impfstoffe ist belegt. Dennoch empfinden manche Menschen die Gesundheitsgefährdung durch mögliche Impfschäden als hoch. Das liegt beispielsweise an Fehlinformationen, die in den Medien oder durch irreführende Studien verbreitet werden. Gleichzeitig werden die Krankheiten, vor denen die Impfungen schützen sollen, als wenig bedrohlich angesehen. Ein Grund dafür mag sein, dass die Krankheiten dank der Impfungen in vielen Regionen kaum noch vorkommen. Der Erfolg der Impfungen hat die Gesundheitsgefährdung durch diese Krankheiten aus dem Bewusstsein verdrängt, während die (vermeintlichen) Gesundheitsgefahren stärker wahrgenommen werden, obwohl Impfungen sicher und schwere Nebenwirkungen selten sind.
So wurden in den Jahren 2022 und 2023 mehr als 105 Millionen Impfungen vorgenommen. Bei etwa 8 von 100.000 Impfungen wurden Verdachtsfälle von Nebenwirkungen oder Komplikationen gemeldet.
Beispiel Alkohol: Ist Trinken harmlos?
Alkohol ist ein Giftstoff, der in größeren Mengen allen Organen schaden kann. Er begünstigt Krankheiten wie Leberzirrhose, Krebs, Herz-Kreislauf-Krankheiten und Diabetes. Außerdem kann häufiges Trinken weitere Folgen haben wie psychische Probleme oder den Verlust des Arbeitsplatzes.
Dennoch ist es in Deutschland weitgehend akzeptiert, Alkohol zu trinken. Etwa 16 Prozent der erwachsenen Männer und 11 Prozent der erwachsenen Frauen trinken wöchentlich gesundheitsschädigende Mengen Alkohol. Im Jahr 2020 waren fast 300.000 Krankenhausaufenthalte auf alkoholbedingte Erkrankungen zurückzuführen.
Harmlos oder gefährlich? Solche Einschätzungen treffen wir nicht nur aus Vernunft. Auch Gefühle, Erfahrungen oder die Meinung anderer können uns beeinflussen.
Normalerweise empfinden wir Gesundheitsgefahren als größer, wenn:
Wenn Menschen wiederholt mit den gleichen Gesundheitsgefahren konfrontiert werden, verringert sich oft ihre Wahrnehmung der Gefahr. Dieser Gewöhnungseffekt führt dazu, dass sich eine Toleranz entwickelt und das Risiko weniger bedrohlich erscheint.
Auch wenn wir glauben, vernünftige Entscheidungen zu treffen: Unsere Gefühle und Erfahrungen können dazu führen, dass wir Gefahren für die Gesundheit über- oder unterschätzen. Auch der Umgang mit äußeren Einflüssen spielt eine Rolle.
Einige Beispiele:
Viele Menschen neigen dazu, Gesundheitsgefahren, die in den Medien viel Aufmerksamkeit erhalten, wie Naturkatastrophen oder Terroranschläge, als besonders bedrohlich zu empfinden. Dabei werden oft langfristige, weniger sichtbare Gesundheitsgefahren wie der Verlust der Berufsfähigkeit oder die Pflegebedürftigkeit im Alter unterschätzt. Auch wenn solche Gesundheitsgefahren den Eindruck von Kontrollierbarkeit vermitteln, ist das nicht immer der Fall.
Um Gesundheitsgefahren realistischer zu bewerten, ist es deshalb wichtig, sich auf verlässliche, gut recherchierte Daten und Statistiken zu stützen. Zahlen vermitteln einen unvoreingenommenen Eindruck von der Größenordnung einer Gefahr.
Außerdem gilt es zu bedenken, ob und wie häufig man einer Gesundheitsgefahr überhaupt ausgesetzt ist. Denn selbst sehr kleine Gesundheitsgefahren treten mit wachsender Wahrscheinlichkeit ein, je häufiger man damit konfrontiert wird.
In der Wissenschaft spricht man eher von Gesundheitsrisiken, wobei es für diesen Begriff verschiedene Definitionen gibt. Im Kern besagen sie alle, dass ein Ereignis anders ausfällt als erwartet.
Entweder treten dabei nur negative Folgen wie Verluste oder Schäden auf oder ein Risiko geht gleichzeitig mit einer Chance einher. Dadurch sind sowohl negative als auch positive Ergebnisse möglich.
Im Alltag verstehen wir unter Risiko eher die Gefahr, dass ein negatives Ereignis eintritt.
Gesundheitsgefahren oder Risiken gehören zu den wichtigsten Kennzahlen in der medizinischen Forschung. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten, ein Risiko zu beziffern: das absolute Risiko und das relative Risiko.
Das absolute Risiko zeigt, wie wahrscheinlich es ist, dass in einer bestimmten Gruppe von Menschen ein ungünstiges Ereignis innerhalb eines bestimmten Zeitraums passiert.
Das relative Risiko dagegen zeigt, wie viel häufiger ein bestimmtes Ereignis in einer Gruppe im Vergleich zu einer anderen Gruppe vorkommt.
Um das besser zu verdeutlichen, folgt hier ein Beispiel anhand der ausgedachten Flausenkrankheit:
In einer Gruppe von 1000 Menschen sind 500 Erwachsene und 500 Kinder. 10 Erwachsene und 50 Kinder erkrankten innerhalb eines Jahres an der Flausenkrankheit.
Das absolute Risiko, die Flausenkrankheit zu bekommen, beträgt 2 Prozent bei Erwachsenen und 10 Prozent bei Kindern.
Das relative Risiko, die Flausenkrankheit zu bekommen, ist bei Kindern also fünfmal höher als bei Erwachsenen.
Manchmal kann ein relatives Risiko dramatisch wirken, obwohl die tatsächlichen Zahlen klein sind. Eine Schlagzeile könnte zum Beispiel lauten: „Gefahr der Flausenkrankheit: Kinder erkranken fünfmal häufiger als Erwachsene“. Das klingt sehr alarmierend, obwohl das absolute Erkrankungsrisiko für Kinder auch „nur“ 8 Prozent höher liegt als für Erwachsene.
Um gute Entscheidungen zu treffen, ist es wichtig, Risiken richtig einzuschätzen. Nur absolute Risiken lassen sich direkt miteinander vergleichen.
In der Wissenschaft werden Daten analysiert, um herauszufinden, wie wahrscheinlich es ist, dass bestimmte Ereignisse, wie zum Beispiel Krankheiten, eintreten. Dazu werden oft große Gruppen von Menschen über längere Zeiträume hinweg beobachtet. Um mögliche Zusammenhänge zu erkennen, werden beispielsweise Beobachtungsstudien durchgeführt. Dabei nehmen die Forscher keine Eingriffe in den Alltag der Menschen vor, sondern beobachten, wie sich verschiedene Umstände wie z. B. Ernährung, Bewegung oder Umwelt auf die Gesundheit auswirken. Die gesammelten Daten werden dann analysiert, um Zusammenhänge aufzuspüren.
Ein Risiko, das für die gesamte Bevölkerung ermittelt wird, muss nicht zwingend auf Einzelpersonen zutreffen. So kann z. B. das Risiko für eine Krankheit mit zunehmendem Alter steigen. Das bedeutet jedoch nicht, dass jeder das gleiche Erkrankungsrisiko hat. Manche Menschen haben aufgrund ihrer genetischen Veranlagung ein geringeres Risiko, die Krankheit zu entwickeln. Andere Risiken lassen sich zum Beispiel durch eine gesunde Lebensweise senken.
Einflüsse, die das persönliche Risiko für eine Krankheit erhöhen, werden Risikofaktoren genannt. Manche Risikofaktoren sind beeinflussbar. Dazu zählen bestimmte Lebensgewohnheiten wie Rauchen, Alkoholkonsum, Bewegungsmangel oder ungesunde Ernährung. Andere Risikofaktoren lassen sich nicht beeinflussen, etwa Erbanlagen, Alter oder Geschlecht. Auch das Umfeld, in dem wir leben und arbeiten, kann auf die Gesundheit einwirken.
Unsere Gesundheitsinformationen können eine gesundheitsbezogene Entscheidung unterstützen. Sie ersetzen nicht das persönliche Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin und dienen nicht der Selbstdiagnostik oder Behandlung.
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Erstellt am: 17.09.2025