Täglich ein Glas Milch, so lautet die Empfehlung von Fachgesellschaften. Denn sie stärkt die Knochen und ist gesund – heißt es. Aber stimmt das auch? Wir haben uns gängige Gesundheitsmythen rund um die Milch genauer angeschaut: Wie steht es um die Evidenz?
Bei 64% der Deutschen kommen täglich Milch und Milchprodukte auf den Tisch. Das ergab der Ernährungsreport 2020 des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Ob Milch, Joghurt, Quark oder Käse – sie sollen unseren Körper mit wichtigen Proteinen, Vitaminen und Kalzium versorgen. Doch braucht unser Körper Milchprodukte, um seinen Bedarf zu decken? Und kann zu viel Milch sogar schaden? Das sagen Studien zu gängigen Milchmythen:
Milch und Milchprodukte enthalten viel Kalzium und Vitamin D. Diese Nährstoffe werden für die Knochenbildung und -stabilität gebraucht. Unter anderem deshalb empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), täglich Milchprodukte wie Joghurt oder Käse zu konsumieren. Doch schützen Milch und Milchprodukte besonders gut vor Knochenbrüchen?
Eher nicht:
Es gibt keinen Zusammenhang zwischen starken Knochen und hohem Milchkonsum - zumindest im Erwachsenenalter. Es liegen sogar Daten vor, nach denen mit zunehmendem Verzehr von Milch das Knochenbruchrisiko steigt. Eine mögliche Erklärung: Milch fördert das Wachstum. Und größere Menschen wiederum haben ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche, wie Beobachtungsstudien zeigen.
Bei Kindern und Jugendlichen ist die Evidenz nicht ganz so eindeutig, da sie in der Wachstumsphase einen höheren Nährstoffbedarf haben.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass der Körper die Aufnahme von Kalzium selbst reguliert: Wird ihm viel Kalzium zugeführt, scheidet er die nicht benötigte Menge wieder aus. Erhält er weniger Kalzium aus der Nahrung, reguliert der Körper die Aufnahme des Nährstoffes nach oben. Der Körper kann seinen Kalziumbedarf für gesunde Knochen übrigens nicht nur aus Milch, sondern auch aus anderen Quellen decken, z. B. aus Grünkohl, Brokkoli oder Nüssen.
Warme Milch am Abend soll eine schlaffördernde Wirkung haben. Wissenschaftlich nachgewiesen ist das bislang nicht. Milch enthält zwar mehrere Verbindungen, von denen bekannt ist, dass sie gesunde Schlafzyklen unterstützen, darunter Tryptophan und Melatonin. Diese sind jedoch so gering konzentriert, dass ein einzelnes Glas Milch nicht ausreicht, um den Körper auf das Schlafen vorzubereiten. Experten vermuten vielmehr, dass ein allabendliches Glas warme Milch ein beruhigendes Einschlafritual ist.
Übrigens: Was man für einen erholsamen Schlaf noch tun kann, lesen Sie in unseren Schlaftipps.
Wer abnehmen will, soll Milchprodukte konsumieren. Das sagen zumindest einige Diätratgeber. So soll u.a. das in der Milch vorhandene Kalzium den Fettabbau fördern. Aber stimmt es tatsächlich, dass Milch beim Abnehmen unterstützt?
Das ist nicht der Fall:
Wer mehr Milchprodukte verzehrt, nimmt damit nicht ab – zumindest nicht, solange sie oder er nicht auch die sonstige Kalorienzufuhr begrenzt. Und auch bei einer begrenzten Kalorienaufnahme scheint der Abnehmerfolg mit Hilfe von Milchprodukten nur kurz anzuhalten. Einzig Joghurt kann möglicherweise einen positiven Effekt haben. Das muss aber noch genauer untersucht werden. Das ergab eine Meta-Analyse von 29 randomisiert-kontrollierten Studien.
Ernährung ist seit längerem ein Thema, an dem sich die Geister scheiden. Menschen suchen Orientierung und Antworten, denn die hohe Anzahl an unterschiedlichen Botschaften zum Thema Ernährung verunsichert. Doch mit konkreten Empfehlungen tut sich die Wissenschaft oft schwer. Warum das so ist, erklärt Experte Prof. Dr. Gerd Antes im Interview.
Milch ist auch reich an Kalium. Dieser Nährstoff soll den Blutdruck positiv beeinflussen. Außerdem soll Milch vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen schützen können. Ist da etwas dran?
Kommt drauf an:
Die sogenannte DASH-Studie gab Hinweise darauf, dass Milch den Blutdruck positiv beeinflussen kann. ABER: Es kommt immer darauf an, wie sich die Studienteilnehmer zuvor ernährt haben. Wenn Milch gesüßte Getränke oder rotes Fleisch ersetzt, fallen die Ergebnisse für die Milch positiv aus. Hätten die Teilnehmer Milchprodukte wiederum durch Nüsse, Gemüse oder Früchte ersetzt, wäre die Studie wahrscheinlich zu einem anderen Ergebnis gekommen.
Zu den angeblichen Herz-Kreislauf-Effekten von Milchprodukten sind die Aussagen ebenfalls kontrovers. Bislang gibt es keinen Zusammenhang zwischen dem Verzehr von Milch und der Häufigkeit von koronaren Herzerkrankungen oder Schlaganfällen. Lediglich bei Menschen in einkommensschwachen Ländern könnte Milch kardiovaskulären Erkrankungen vorbeugen. Grund sind fehlende Nährstoffe, die mit Milchprodukten ausgeglichen werden könnten.
Sorgen verschiedene Stoffe in der Milch, wie z.B. Hormone oder Substanzen, die die Bildung von bestimmten Hormonen anregen, für schlechte Haut? Oder hat Milch gar keinen Einfluss auf die Haut?
Tatsächlich besteht ein Zusammenhang:
Zwischen dem Konsum von Milch und einem erhöhten Risiko für Akne besteht ein Zusammenhang. Das zeigten mehrere Beobachtungsstudien mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter von sieben bis 30 Jahren. Je mehr Milch getrunken wurde, desto stärker fällt dieser Zusammenhang aus. Diese Ergebnisse sind allerdings mit Vorsicht zu interpretieren, da die einzelnen Studien unterschiedlich durchgeführt wurden und es z.T. auch starke methodische Mängel gab.
Bislang ist nicht geklärt, was genau die gesundheitsfördernde oder auch schädliche Wirkung der Milch ausmacht. Letztlich ist die Milch so reich an Bestandteilen, dass auch beide Effekte denkbar sind. Die empfohlenen Tagesmengen von Milch und Milchprodukten lassen sich aber zumindest in Frage stellen. Die optimale Zufuhr hängt von der Ernährungsweise der einzelnen Person ab: Wer wenig Nährstoffe und Essen von geringer Qualität zu sich nimmt, für den kann Milch zu einer ausgeglicheneren Ernährungsweise beitragen. Wer sich hingegen vielfältig und mit hochwertigen Lebensmitteln ernährt, hat durch zusätzliche Milchprodukte wahrscheinlich keinen nennenswerten Mehrwert.
Macht Spinat stark? Erhöhen zu viele Eier tatsächlich den Cholesterinspiegel? Macht Schokolade glücklich oder nicht? Wer nach Informationen zu Ernährung sucht, stößt auf eine Vielzahl an Mythen. Welche davon stimmen und welche nicht, zeigt ein Blick auf die Studienlage.
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Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Deutschland, wie es isst: Der BMEL-Ernährungsreport 2020; 2020 [Stand: 29.01.2021]. Verfügbar unter: https://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/DE/Broschueren/ernaehrungsreport-2020.html.
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Erstellt am: 11.03.2021