Um Diabetes Typ 2 erfolgreich zu behandeln, ist die Mitarbeit der Betroffenen besonders wichtig. Dafür müssen Menschen mit Diabetes verschiedene Kenntnisse und Fähigkeiten zu ihrer Erkrankung erlernen. Diabetesschulungen sollen diese Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln. In Deutschland gibt es dafür verschiedene Schulungsprogramme.
Die MEDIAS 2 ICT-Schulung richtet sich an Menschen, die schon lange an Diabetes Typ 2 erkrankt sind und mit einer intensivierten Insulintherapie behandelt werden. MEDIAS 2 steht für „Mehr Diabetes-Selbstmanagement für Typ 2“, ICT bedeutet intensivierte Insulintherapie.
Ziel der MEDIAS-2-ICT-Gruppenschulung ist unter anderem, die eigene Insulintherapie zu verstehen. Teilnehmende lernen, wie sie für verschiedene Lebensmittel und Speisen die richtige Insulindosis finden und an unterschiedliche Alltagssituationen anpassen können: zum Beispiel bei Feiern, Reisen oder bei Krankheit. Zudem erfahren die Teilnehmenden, wie sie, außer guten Blutzuckerwerten, auch gesunde Blutdruck- und Blutfettwerte erreichen.
Die MEDIAS 2 ICT-Schulung ist von der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) zertifiziert und vom Bundesamt für Soziale Sicherung (BAS) als Programm zur Verwendung im Rahmen des Disease Management Programms (DMP) anerkannt. Die Wirksamkeit der Schulung wurde in den Jahren 2009 und 2010 von einer deutschen Forschungsgruppe untersucht.
Wie waren die Studien aufgebaut?
In einer in Deutschland durchgeführten randomisiert-kontrollierten Studie mit 186 Teilnehmenden wurde die MEDIAS 2 ICT-Schulung mit einer Kombination aus zwei bestehenden evaluierten Schulungen verglichen.
Was sind die Ergebnisse?
Die Ergebnisse weisen auf den Nutzen der MEDIAS 2 ICT-Schulung hin. Die MEDIAS 2 ICT-Schulung und die Kontrollschulung führten beide dazu, dass die Teilnehmenden nach sechs Monaten einen niedrigeren Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c) aufwiesen. Außerdem war ihr Diabetes-Wissen größer als vor der Schulung. Die MEDIAS 2 ICT-Schulung half den Teilnehmenden psychische Belastungen durch die Erkrankung abzubauen. Darin war die MEDIAS 2 ICT-Schulung besser als die Kontrollschulung.
Auf die Selbstfürsorge und die gesundheitsbezogene Lebensqualität zeigten die Schulungen keine oder kaum Auswirkungen. Unerwünschte Wirkungen oder Schäden wurden nicht berichtet.
Ob die Effekte über einen längeren Zeitraum anhalten, ist unklar. Für eine verlässlichere Aussage sind Studien mit einer längeren Beobachtungsdauer notwendig.
Wie verlässlich sind die Ergebnisse?
Die Ergebnisse basieren auf einer Einzelstudie. Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Ergebnisse ist nur geringfügig eingeschränkt.
Eine randomisiert-kontrollierte Studie (RCT) untersuchte den Nutzen der MEDIAS 2 ICT-Schulung bei Menschen mit Diabetes Typ 2, die Insulin spritzen. Verglichen wurde die MEDIAS 2 ICT-Schulung mit einer Kombination aus zwei bestehenden evaluierten Schulungen: eine Schulung für Menschen mit Diabetes Typ 2, die Insulin spritzen, und eine zur Behandlung von Bluthochdruck. Diese Schulungen wurden in den 1980er- und 1990er-Jahren entwickelt. In der Studie wurde untersucht, ob die MEDIAS 2 ICT-Schulung einen vergleichbaren Nutzen hat wie das bereits länger angebotene Programm.
In der Studie wurden die Teilnehmenden per Zufall in zwei Gruppen aufgeteilt:
In der Wissenschaft überprüft man die Wirksamkeit einer Behandlung, indem man zwei Testgruppen miteinander vergleicht: Die eine Gruppe bekommt die Behandlung, während die andere Gruppe – die Kontrollgruppe – ohne Behandlung bleibt. So einfach ist es aber nicht immer. Denn für Diabetes gibt es ja bereits Schulungsprogramme, deren Nutzen erwiesen ist. Es wäre ethisch nicht vertretbar, der Kontrollgruppe keine Schulung zu ermöglichen. Deshalb wurde in dieser Studie die neue Schulung mit der älteren verglichen.
Beide Schulungen bestanden aus jeweils zehn Einheiten zu je 90 Minuten. Die Schulungen erstrecken sich über einen Zeitraum von fünf Wochen (zwei Einheiten pro Woche).
Sechs Monate nach der letzten Einheit wurde untersucht, wie wirksam die Schulungen waren. Dabei wurde unter anderem auf folgende Punkte geachtet:
Bewirkte die MEDIAS 2 ICT-Schulung eine Veränderung des Langzeit-Blutzuckerwerts (HbA1c)?
Der Langzeit-Blutzuckerwert entwickelte sich ein halbes Jahr nach der Schulung wie folgt:
Beide Schulungen führten demnach zu einer Verringerung des HbA1c-Wertes bei den Teilnehmenden.
Welche Wirkung hat die MEDIAS 2 ICT-Schulung auf das Diabeteswissen?
Der Wissensstand zum Diabetes wurde durch einen Wissenstest erhoben. Der Test bestand aus 14 Fragen.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass sich das Diabeteswissen in beiden Gruppen gleichermaßen verbesserte – sowohl die MEDIAS 2 ICT-Schulung als auch die Kontrollschulung führten zu einer Steigerung des Wissensstandes.
Welche Wirkung hat die MEDIAS 2 ICT-Schulung auf die diabetesbedingte Belastung?
Mit einem speziellen Fragebogen wurde erhoben, wie sehr die Teilnehmenden sich durch ihren Diabetes psychisch belastet fühlten. Der Fragebogen besteht aus 20 Fragen zu verschiedenen Schwierigkeiten im Umgang mit der Erkrankung. Die Befragten gaben an, inwieweit ein bestimmter Bereich für sie eine Belastung darstellte, beispielsweise die Sorge vor Unterzuckerungen, Zukunftsängste oder Schwierigkeiten bei der Bewältigung von Folgeerkrankungen.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die MEDIAS 2 ICT-Schulung nach sechs Monaten zu einer Verringerung der diabetesbezogenen Belastung führte. In der Kontrollgruppe blieb die diabetesbezogene Belastung unverändert.
Welche Wirkung hat die MEDIAS 2 ICT-Schulung auf die Selbstfürsorge?
Die Selbstfürsorge wurde mittels Fragebogen erhoben. Darin erfassten die Teilnehmenden, an wie vielen Tagen pro Woche sie etwas für ihre Selbstfürsorge getan haben. Zur Selbstfürsorge zählten gesunde Ernährung, körperliche Bewegung, Selbstüberwachung des Blutzuckers oder Fußpflege.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die MEDIAS 2 ICT-Schulung nach sechs Monaten zu einer geringfügig verbesserten Selbstfürsorge führte. In der Kontrollgruppe blieb das Selbstfürsorgeverhalten unverändert. Der Unterschied zwischen den Gruppen ist jedoch nicht bedeutsam.
Welche Wirkung hat die MEDIAS 2 ICT-Schulung auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität?
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität wurde mittels Fragebogen erhoben. Der Fragebogen besteht aus zwölf Fragen zu verschiedenen Bereichen wie dem psychischen Wohlbefinden, der Funktionsfähigkeit des Körpers und zu körperlichen Schmerzen. Mithilfe des Fragebogens lässt sich der persönliche Gesundheitszustand der Befragten beschreiben.
Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die MEDIAS 2 ICT-Schulung nach sechs Monaten keine Auswirkung auf die gesundheitsbezogene Lebensqualität hatte.
Welche unerwünschten Folgen oder Nebenwirkungen sind aufgetreten?
Es wurden keine unerwünschten Folgen der MEDIAS 2 ICT-Schulung berichtet. Das bedeutet nicht, dass solche Folgen nicht auftreten können.
Die Ergebnisse basieren nur auf einer einzigen randomisiert-kontrollierten Studie (RCT). Es fehlen Informationen, ob die Teilnehmenden und das Schulungspersonal verblindet waren und ob die Datenauswertung verblindet erfolgte. Durch eine fehlende Verblindung können bestimmte Erwartungen an die Schulung und ihre Wirkung entstehen. Es besteht ein Risiko, dass die Ergebnisse dadurch verzerrt werden.
Mit insgesamt 186 Teilnehmenden beruhen die Ergebnisse auf einer kleinen Studienpopulation. Das Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Ergebnisse ist daher leicht eingeschränkt.
Aussagen, die über den untersuchten Zeitraum von sechs Monaten hinausgehen, sind nicht möglich.
Die dargestellten Informationen stammen aus einer randomisiert-kontrollierten Studie, die 2009 und 2010 in Deutschland durchgeführt wurde. An der Studie nahmen 186 Personen im Durchschnittsalter von rund 63 Jahren teil. Im Schnitt waren die Teilnehmenden seit 14 Jahren an Diabetes Typ 2 erkrankt und wurden im Mittel ca. fünf Jahre mit Insulin behandelt.
Die Gruppe, die an der MEDIAS 2 ICT-Schulung teilnahm, bestand zu 52 Prozent aus Frauen. Der durchschnittliche Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c) lag zu Studienbeginn bei 8,4 Prozent.
Die Gruppe, die an der Kontrollschulung teilnahm, bestand zu 37 Prozent aus Frauen. Der durchschnittliche Langzeit-Blutzuckerwert (HbA1c) lag zu Studienbeginn bei 8,3 Prozent.
Diabetes Typ 2 ist eine Erkrankung des Stoffwechsels, die dazu führt, dass sich zu viel Zucker im Blut ansammelt. Dauerhaft erhöhte Blutzuckerwerte können zu schweren Komplikationen und Folgeerkrankungen führen.
Wie Diabetes Typ 2 entsteht, welche Folgen er haben kann und wie die Erkrankung behandelt wird, erfahren Sie hier: > Diabetes Typ 2 im Überblick
Mehr über die Schulungsprogramme zu Diabetes Typ 2 können Sie hier nachlesen: > Alles Wichtige zu Diabetesschulungen im Überblick
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Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale VersorgungsLeitlinie Diabetes – Strukturierte Schulungsprogramme – Langfassung, 1. Auflage. Version 4 [online]. 2012. https://www.leitlinien.de/mdb/downloads/nvl/diabetes-mellitus/archiv/schulungsprogramme/dm-schulungsprogramme-1aufl-vers4-lang.pdf [23.07.2021].
Hermanns N, Kulzer B, Maier B, Mahr M, Haak T. The effect of an education programme (MEDIAS 2 ICT) involving intensive insulin treatment for people with type 2 diabetes. Patient Education and Counseling 2012;86(2):226–32.
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Erstellt am: 30.07.2021