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Depression

Suizidgefahr: Wie kann ich helfen?

Bei Menschen mit schwerer Depression kann der Gedanke aufkommen, dass sie nicht mehr leben möchten. Für Angehörige kann dieser Wunsch beängstigend und belastend sein. Auf dieser Seite finden Sie Informationen darüber, welche Umstände das Risiko eines Suizids erhöhen und was Sie in diesem Fall tun können.

HINWEIS: Der folgende Text richtet sich an Angehörige von Menschen mit Depression. Falls Sie selbst darüber nachdenken, sich das Leben zu nehmen oder mit jemandem reden möchten, können Sie sich z. B. an die Telefonseelsorge wenden. Hier erreichen Sie rund um die Uhr jemanden, der Ihnen zuhört. Der Anruf unter 0800 1110111 oder 0800 1110222 ist kostenlos.

Man geht davon aus, dass eine Depression hierzulande der häufigste Grund für einen Suizid ist – im Deutschen auch Selbsttötung genannt.

Für Menschen mit schwerer Depression ist Suizid eine Tat aus tiefster Verzweiflung. Sie empfinden ihre Situation als unerträglich schmerzhaft und hoffnungslos und sehen keine Möglichkeit, ihren Zustand zu verbessern. Suizidgedanken sind also kein „Aufgeben“ oder „Egoismus“, sondern die Folge einer schweren psychischen Erkrankung.

Für Außenstehende ist dabei nicht immer zu erkennen, ob jemand gefährdet ist. Nicht immer gibt es klar erkennbare Anzeichen oder Signale. Nur etwa die Hälfte der betroffenen Menschen sprechen mit jemandem über ihre Suizidgedanken.

Wenn Sie oder ein nahestehender Mensch sich in einer akuten Krise befinden, wenden Sie sich bitte an eine Ärztin, einen Arzt oder einen Psychotherapeuten, eine Psychotherapeutin. Sie können auch den Notruf unter 112 wählen. Die Telefonseelsorge erreichen Sie rund um die Uhr unter den kostenfreien Nummern 0800 1110111 und 0800 1110222.

Welche Risikofaktoren für einen Suizid gibt es?

Es ist kaum möglich vorauszusagen, ob und wann ein Mensch mit einer schweren Depression einen Suizidversuch unternehmen wird. Wenn der oder die Betroffene beginnt, den Suizid zu planen, also eine Zeit und einen Ort festlegt oder sich Materialien dafür beschafft, sind dies mögliche Warnzeichen.

Bestimmte Umstände können das Risiko für einen Suizid erhöhen. Mögliche Warnsignale sind, wenn der oder die Betroffene.

  • Suizidgedanken oder -pläne äußert oder Vorbereitungen für einen Abschied trifft,
  • schon früher Suizidversuche unternommen hat.
  • in der Familie oder im näheren Umfeld Fälle von Suizid erlebt hat.
  • das Gefühl äußert von anderen isoliert sein und keine Unterstützung zu bekommen.
  • an chronischen Schmerzen oder andauernden Schlafstörungen leidet.
  • große Hoffnungslosigkeit verspürt, Beziehungskonflikte oder Verluste erlebt hat. 
  • den Arbeitsplatz verliert oder in einer finanziellen Krise steckt.
  • abhängig von Drogen, Alkohol oder Medikamenten ist.

Was kann man als Angehöriger tun?

Vorschau Video mit Dr. med. Iris Hauth

Woran erkennt man Suizid-Absichten?
Bei vielen schweren psychischen Erkrankungen, besonders bei Depressionen, gehören Suizid-Absichten, also Gedanken nicht mehr leben zu wollen, dazu. Und man erkennt sie daran, indem die Menschen sich zurückziehen, aus den sozialen Beziehungen rausgehen, an nichts mehr Freude haben, oft dann auch so Bemerkungen machen: "Das ist mir alles zu viel. Ich halte das nicht mehr aus. Ich bin für euch eine Belastung." Und manchmal sogar auch richtig Anmerkungen machen: "Ich will nicht mehr leben."
 

Sollen Angehörige das Thema Suizid ansprechen?
Es gibt ja so ein Vorurteil, wenn man es anspricht, dann verstärkt man noch die Idee. Das ist überhaupt nicht der Fall. Die Erfahrung ist, dass die Menschen eher entlastet sind, wenn man darüber spricht. Wichtig ist eben, sehr offen zu fragen, nicht verschämt, nicht versteckt, sondern offen zu fragen. Zum Beispiel: "Du bist jetzt schon so lange psychisch krank, hast eine Depression und ich habe gelesen, ich habe gehört, dass man dann auch lebensmüde Gedanken kriegt. Hast du sowas, hast du solche Gedanken? Hast du vielleicht auch schon Pläne gemacht, hast du dir schon überlegt, wie du dir das Leben nehmen willst? Wie drängend ist das? Geht das wieder vorbei oder ist das den ganzen Tag?" 
Und ganz wichtig, eben kein Schuldgefühl machen den Patienten. Weil oft sind die Menschen schon eh mit sehr viel Hoffnungslosigkeit, aber auch Selbstwertzweifel, manchmal sogar Selbsthass ausgestattet. Also keine Schuldgefühle machen, entlasten, offen darüber sprechen.

Wie kann man auf geäußerte Suizid-Absichten reagieren?
Für Angehörige ist es ja oft ganz schwer auszuhalten, wenn jemand lange depressiv ist und dann noch lebensmüde Absichten äußert. Wichtig ist, mitzuteilen: "Ich sehe, wie schlecht es dir geht. Ich sehe, dass du eine Depression hast, sehe, dass du Not hast und wir müssen gemeinsam was unternehmen, dass du da raus kommst." Nachdrücklich sagen: "Du brauchst Hilfe, wir gehen zusammen zum Psychiater, zum Psychotherapeuten." Nachdrücklich dabei bleiben, ein Hilfsangebot, auch von Externen, aufzusuchen.

Was, wenn Betroffene Unterstützung verweigern?
Also wenn der Angehörige die Hilfe verweigert, was oft vorkommen kann, weil er Selbstzweifel hat und sich nicht traut, Hilfe zu holen, dann ist es wichtig, jemand anderen dazu zu holen. Vielleicht noch jemanden aus der Familie oder aber auch, wenn gar nichts geht, wenn man überhaupt nicht durchdringt bei dem depressiven Patienten, dann eben auch externe Hilfen holen. In jeder Stadt gibt es einen Sozialpsychiatrischen Dienst. Der ist im Gesundheitsamt beheimatet und den kann man anrufen. Die machen auch Hausbesuche. Und in vielen Städten gibt es auch sogenannte Krisendienste. Auch die haben 24 Stunden am Tag Bereitschaft und können nach Hause kommen. Und wenn das alles nicht möglich ist, dann, wie bei einem körperlichen Notfall 112, die Feuerwehr rufen und sagen: "Hier ist Gefahr in Verzug, dieser Mensch ist selbsttötungsgefährdet." Und dann muss die Feuerwehr kommen und ihn auch gegen den Willen in die Klinik bringen.

Was passiert dann in der Klinik?
Also wenn jemand in die Klinik kommt, wird erstmal geklärt: Wie stark sind die suizidalen Absichten? Und es kann durchaus auch sein, dass man sagt, das geht mit einer ambulanten Behandlung, in der Institutsambulanz oder aber auch mit einer Aufnahme in einer Tagesklinik, die nur tagsüber Therapie anbietet. Wenn die Gedanken allerdings sehr stark sind, dann muss eine stationäre Aufnahme sein. Und wenn sie superstark sind, dann auch in einem eher geschützten Bereich, Intensivbereich, manchmal sogar mit eins zu eins-Betreuung die ersten Stunden. Wichtig ist, dass der Betroffene das Gefühl hat, er ist erstmal in einem Schutzraum. Und manchmal ist es sogar so, dass Patienten sagen: "Hier fühle ich mich erstmal geschützt." und sind erstmal ein Stück entlastet, wenn sie dann da sind. 
Und danach beginnt die Therapie. Man versucht natürlich, Vertrauen aufzubauen, zu erklären, was passiert in der Therapie. Und das ist einerseits die Psychotherapie, also Gespräche führen: "Was ist der Hintergrund für die Depression, für die suizidalen Gedanken?" Und bei schweren Depressionen auch eine antidepressive Medikation. Dazu gehört natürlich auch, dass die Angehörigen, wann immer Sie wollen, dazu kommen können, auch mit einbezogen werden, auch mit ihrer Sicht auf die Entwicklung einbezogen werden und für den Patienten natürlich auch vertrauensbildende Maßnahmen, zu wissen: Ich bin nicht weggesperrt, sondern ich habe jederzeit die Möglichkeit, auch meine Familie, meine Freunde zu sehen.

Mehr Informationen zum Thema Depression und Suizid-Gedanken finden Sie auf dem Gesundheitsportal der Stiftung Gesundheitswissen.
Wissen ist gesund.

Für Angehörige eines Menschen mit Depression kann es sehr schwierig sein, Suizidabsichten zu erkennen. Denn nicht immer sprechen die gefährdeten Personen darüber und unter Umständen brechen sie sogar Kontakte zu Familie und Freunden ab.

Wenn Sie Sorge haben, dass ein Angehöriger sich etwas antun könnte, sprechen Sie ihn oder sie behutsam und offen darauf an. Vielleicht befürchten Sie, dass Sie Ihren Angehörigen durch die Ansprache aktiv auf die Idee zum Suizid bringen – dem ist aber nicht so.

Portrait Dr. Iris Hauth
„Das offene Gespräch kann die Erkrankten entlasten, wenn man einfühlsam auf sie eingeht, zum Beispiel: 'Du bist jetzt schon so lange depressiv, und ich habe gelesen, dass man dann auch lebensmüde Gedanke kriegt. Hast du so was?'“
Dr. Iris Hauth, Fachärztin für Psychiatrie

Wenn ein Angehöriger Suizidgedanken äußert, können Sie versuchen, ihn oder sie zu einem gemeinsamen Besuch bei der Ärztin oder beim Psychotherapeuten zu überreden. Das Fachpersonal wird die Suizidgedanken offen und direkt mit Ihrem Angehörigen besprechen und über das weitere Vorgehen beraten. Die Entscheidung über den weiteren Verlauf wird immer gemeinsam mit dem Patienten, der Patientin getroffen.

Was können Ärzte und Psychotherapeuten bei Suizidgefahr tun?

Die Ärztin oder der Psychotherapeut wird sich zunächst ein möglichst genaues Bild von der Situation des erkrankten Menschen verschaffen. Dazu gehören auch konkrete Nachfragen zu den Suizidgedanken und wie ausgereift diese schon sind.

Aus einer genauen Befragung und Untersuchung lässt sich ableiten, welche Unterstützung Ihr Angehöriger benötigt. Bei der Behandlung geht es darum, den betroffenen Menschen zu betreuen und ihm einen schützenden Rahmen zu schaffen. Dazu kann auch eine Aufnahme ins Krankenhaus gehören – die Entscheidung darüber wird gemeinsam mit den Patienten, der Patientin getroffen.

In einer Akuttherapie kommen Gespräche zur Entlastung von Problemen und zur Bewältigung der Krise in Betracht. Diese sollen die Situation Ihres Angehörigen erleichtern und damit die Suizidgefahr verringern. Bei schweren Depressionen ist es notwendig, antidepressive Medikamente zu verabreichen. Der Arzt oder die Ärztin wird gemeinsam mit Ihrem Angehörigen mögliche Behandlungen besprechen, die zur Besserung der akuten Probleme beitragen könnten.

Können Menschen auch gegen ihren Willen in eine Klinik eingeliefert werden?

Bei psychisch schwer kranken Menschen kann der freie Wille aufgrund der Erkrankung vorübergehend beeinträchtigt sein. In solchen Fällen ist es möglicherweise notwendig, Erkrankte gegen ihren Willen in ein Krankenhaus einzuweisen. Dafür müssen folgende drei Bedingungen erfüllt sein:

  • Die Person ist psychisch krank, geistig behindert oder suchtkrank.
  • Es besteht Gefahr, dass die Person sich selbst oder anderen Schaden zufügt.
  • Diese Gefahr ist nicht auf andere Weise abzuwenden.

Begeben sich Menschen, die akut gefährdet sind, freiwillig in eine Klinik, können Angehörige oder Freunde sie dorthin bringen. Die Nationale Versorgungsleitlinie empfiehlt jedoch, professionelle Hilfe und Begleitung anzufordern, etwa über Polizei, Feuerwehr oder Ordnungsamt der jeweiligen Gemeinde.

Quellen und Hinweise

Unsere Gesundheitsinformationen können eine gesundheitsbezogene Entscheidung unterstützen. Sie ersetzen nicht das persönliche Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin und dienen nicht der Selbstdiagnostik oder Behandlung.

Bundesärztekammer (BÄK), Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF). Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression – Langfassung, Version 3.0. 2022. 

Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Sk2-Leitlinie Notfallpsychiatrie. AWMF-Registernummer: 038-023 2019.

Hoyer J, Knappe S, Hrsg. Klinische Psychologie & Psychotherapie. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg; 2020.

Unsere Angebote werden regelmäßig geprüft und bei neuen Erkenntnissen angepasst. Eine umfassende Prüfung findet alle drei bis fünf Jahre statt. Wir folgen damit den einschlägigen Expertenempfehlungen, z.B. des Deutschen Netzwerks für Evidenzbasierte Medizin.

Informationen dazu, nach welchen Methoden die Stiftung Gesundheitswissen ihre Angebote erstellt, können Sie in unserem Methodenpapier nachlesen.

Autoren und Autorinnen:
Dr. Eugenia Marbach-Breitrück
Dr. Eugenia Marbach-Breitrück

Dr. Eugenia Marbach-Breitrück

Referentin Interventionsentwicklung / Fachleitung Informationsangebote
Dr. Eugenia Marbach-Breitrück ist promovierte Biomedizinerin mit Schwerpunkt Stoffwechselerkrankungen. Für die Stiftung erarbeitet sie auf Basis der Methoden der evidenzbasierten Medizin Inhalte für multimediale Informationsangebote und setzt sich vertiefend mit deren Weiterentwicklung auseinander.
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Lisa-Marie Ströhlein
Lisa-Marie Ströhlein

Lisa-Marie Ströhlein

Medical Writerin
Lisa-Marie Ströhlein studierte Medizinische Biologie mit dem Schwerpunkt Wissenschaftskommunikation. Für die Stiftung bereitet sie komplexe medizinische Themen und Inhalte in laienverständlicher Sprache auf.
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Nastasia Vogelsang
Nastasia Heilemann

Nastasia Vogelsang

Senior-Multimedia-Producerin
Nastasia Vogelsang studierte Angewandte Medienwirtschaft mit Schwerpunkt TV-Producing. Für die Gesundheitsinformationen der Stiftung konzipiert sie multimediale Formate und steuert deren Umsetzung.
Wissenschaftliche Beratung:
Dr. med. Iris Hauth
Dr. med. Iris Hauth

Dr. med. Iris Hauth

Dr. med. Iris Hauth ist ärztliche Direktorin und Chefärztin der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik am Alexianer St. Joseph-Krankenhaus, Berlin-Weißensee. Seit 2004 ist sie Mitglied des Vorstandes der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN) und Past-Präsidentin. Sie ist Verfasserin des Buches „Keine Angst! Was wir gegen Ängste und Depressionen tun können.“

Die Stiftung Gesundheitswissen hat das Ziel, verlässliches Gesundheitswissen in der Bevölkerung zu stärken. Die an der Erstellung unserer Angebote beteiligten Personen haben keine Interessenkonflikte, die eine unabhängige und neutrale Informationsvermittlung beeinflussen.

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Erstellt am: 31.03.2023