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Kniearthrose ohne Operation behandeln

Arthrose ist eine Gelenkerkrankung, die am häufigsten am Knie auftritt. Kniearthrose macht sich z. B. durch Schmerzen, Steifigkeitsgefühle und Bewegungseinschränkungen bemerkbar. Obwohl sie nicht heilbar ist, steht vor einer möglichen Operation eine Reihe verschiedener Therapien zur Verfügung, die kombiniert werden und das Ziel haben, Schmerzen zu lindern und die Gelenkfunktion zu erhalten oder zu verbessern. 

Welcher Nutzen und welche möglichen Risiken sind von einem Behandlungsprogramm bei Kniearthrose zu erwarten, das verschiedene konservative Behandlungsmöglichkeiten kombiniert?

Was wurde untersucht?

In einer randomisiert-kontrollierten Studie (RCT) wurden der Nutzen und der Schaden eines konservativen Behandlungsprogramms bei Erwachsenen mit Kniearthrose untersucht.

Die Teilnehmenden der Studie wurden dazu per Zufall in zwei Gruppen aufgeteilt:

  • Eine Gruppe nahm an einem konservativen Behandlungsprogramm teil.
  • Die andere Gruppe erhielt Informationen zur Erkrankung (Kontrollgruppe). 

Zu den konservativen Behandlungsmöglichkeiten zählten Schulung, Bewegung, Ernährungsberatung, Einlegesohlen und – bei Bedarf – die Einnahme von Schmerzmitteln. Die eine Gruppe der Patientinnen und Patienten mit Kniearthrose nahm an einem zwölfwöchigen Behandlungsprogramm teil. Verglichen wurde sie mit Patienten und Patientinnen, die Informationsbroschüren zu Kniearthrose und einem gesünderen Lebensstil sowie ein ausführliches Beratungsgespräch mit einer Ärztin, einem Arzt erhielten. 

Nach zwölf und 24 Monaten beurteilten die Teilnehmenden ihren Gesundheitszustand und die Schmerzstärke. Zudem wurden Gewichtsabnahme, Schmerzmitteleinnahme und unerwünschte Folgen wie z. B. eine Knieersatz-OP erfasst.

Die Ergebnisse auf einen Blick

Die Kombination verschiedener individuell angepasster konservativer Behandlungen kann im Gegensatz zur reinen Information sowohl den wahrgenommenen Gesundheitszustand als auch die Schmerzen verringern. Auch der Anteil an Betroffenen, die Schmerzmittel einnahmen, verringerte sich. Schwellungen am betroffenen Knie traten bei Teilnahme am Programm nicht häufiger auf.

Wenn sich die Beschwerden jedoch verstärkten, erfolgten weitere Behandlungen bis hin zu einer Knieersatzoperation, bei denen dann auch Nebenwirkungen auftraten.

Einschränkung der Ergebnisse

Die Ergebnisse beruhen nur auf einer randomisiert-kontrollierten Studie, die jedoch eine hohe methodische Qualität hat.

Nutzen der Behandlungsmethode

Wie beurteilten Patientinnen und Patienten ihren Gesundheitszustand nach zwölf und 24 Monaten?

Die Teilnehmenden bewerteten ihren Gesundheitszustand auf einer 100er-Skala.

Betroffene, die an einem konservativen Behandlungsprogramm teilnahmen, gaben nach zwölf Monaten durchschnittlich einen Wert von 70 auf einer 100er-Skala an. Bei jenen ohne konservatives Behandlungsprogramm lag der entsprechende Wert zu diesem Zeitpunkt bei 60. 

Nach 24 Monaten lag der Wert der Betroffenen mit konservativem Behandlungsprogramm weiterhin bei 70 auf der 100er-Skala. Jene ohne Programm gaben nach 24 Monaten den Wert mit 63 an.

Je höher der Wert für den Gesundheitszustand angegeben wird, desto weniger werden Beeinträchtigungen wahrgenommen. Ein Wert von 100 bedeutet also, dass die Betroffenen keinerlei Beeinträchtigungen verspüren.

Als für Patienten und Patientinnen wahrnehmbare Unterschiede werden Werte von zehn Punkten auf der 100er-Skala angenommen.   

Um den Gesundheitszustand zu bewerten, wurden Fragen zu den Bereichen Schmerz, andere Symptome (u. a. Schwellung, Steifigkeit), Aktivitäten des täglichen Lebens und Lebensqualität in Zusammenhang mit der Kniearthrose gestellt.

Wie beurteilten Patienten und Patientinnen die Schmerzstärke nach zwölf und 24 Monaten?

Auch die Beurteilung der Schmerzstärke wurde auf einer 100er-Skala erfasst.

Betroffene, die an einem konservativen Behandlungsprogramm teilnahmen, gaben nach zwölf Monaten eine Schmerzstärke von 34 auf einer 100er-Skala an. Betroffene ohne ein solches Programm bewerteten die Schmerzstärke zu diesem Zeitpunkt mit 43. 

Nach 24 Monaten lag der Wert bei den Teilnehmenden an einem konservativen Behandlungsprogramm bei 32 auf der 100er-Skala. Die Betroffenen ohne Programm gaben nach 24 Monaten einen Wert von 38 auf der 100er-Skala an.

Je niedriger der Schmerz-Wert angegeben wird, desto weniger stark werden die Schmerzen wahrgenommen. Ein Wert von null bedeutet demnach, dass die Betroffenen schmerzfrei sind.

Als für Patientinnen und Patienten wahrnehmbare Unterschiede werden Werte von zehn Punkten auf der 100er-Skala angenommen.

Nahmen weniger Betroffene Schmerzmittel ein? 

Der Anteil an Patienten und Patientinnen mit konservativem Behandlungsprogramm, die regelmäßig Schmerzmittel einnahmen, verringerte sich über den Zeitraum von zwölf und auch 24 Monaten von etwa 60 auf 40 von 100 Personen. 

Bei der Behandlungsoption „Aufklärung“ veränderte sich der Anteil der Personen, die regelmäßig Schmerzmittel einnahmen, nach zwölf Monaten nicht und sank nach 24 Monaten leicht. 

Verloren übergewichtige Patientinnen und Patienten in den zwölf Monaten Gewicht und wie war das nach 24 Monaten?

In beiden Gruppen verloren übergewichtige Teilnehmende (mit einem Ausgangs-BMI von mehr als 25) innerhalb von zwölf Monaten durchschnittlich 2,4 kg. Dies entsprach etwa 3% ihres Körpergewichtes. Um Beschwerden wahrnehmbar zu verbessern, sind 5% Gewichtsabnahme notwendig.

Nach 24 Monaten war das Gewicht in beiden Gruppen gegenüber dem Ausgangsgewicht leicht verringert.

Schaden der Behandlungsmethode

Wie viele Patienten und Patientinnen hatten innerhalb der Beobachtungszeit Beschwerden wie Schmerzen oder Schwellungen am betroffenen Knie aufgrund der Teilnahme an einem konservativem Behandlungsprogramm?

Unabhängig von der Art der Behandlung litten 34 von 100 Betroffenen an Beschwerden. Die Teilnahme an einem konservativen Behandlungsprogramm verursachte keine zusätzlichen Beschwerden.

Hatten Patientinnen und Patienten im Studienzeitraum weitergehende Behandlungen vornehmen lassen? Wie viele Betroffene hatten sich innerhalb von 24 Monaten für einen Kniegelenkersatz entschieden?

Hatten sich bei den Teilnehmenden der Studie die Beschwerden in dem Beobachtungszeitraum verstärkt, entschieden sich manche von ihnen für andere Behandlungsmethoden, wie z. B. invasive Verfahren. Dazu zählen Injektionen ins Knie, Kniespiegelungen oder Kniegelenkersatzoperationen.

Bei diesen Verfahren konnten Komplikationen wie Infektionen oder Gefäßverschlüsse auftreten. Die Folge: Schmerzen, Schwellungen und instabile Gelenke.

Innerhalb der zwei Jahre entschieden sich 20% der Teilnehmenden aus der Informationsgruppe für einen Kniegelenkersatz. Bei den Betroffenen mit konservativem Behandlungsprogramm waren es 14% innerhalb von zwei Jahren. Dabei traten in beiden Studiengruppen vereinzelt schwere Komplikationen auf (z. B. Gelenksteifigkeit, die einer Mobilisierung unter Anästhesie bedurfte).

Die Ergebnisse beruhen nur auf einer einzigen randomisiert-kontrollierten Studie, die jedoch eine hohe methodische Qualität aufweist. Die Maßnahmen in der Kontrollgruppe entsprechen nicht der in Deutschland verfügbaren Standardbehandlung, sondern fallen geringer aus.

Aussagen über einzelne Bestandteile des konservativen Behandlungsprogramms lassen sich nicht treffen und zusätzliche oder weitergehende Behandlungen könnten sich auf die Ergebnisse der Selbsteinschätzungen z. B. für Gesundheitszustand oder Schmerzen auswirken. Dies gilt für beide Studiengruppen im gleichen Maße.

Es ist möglich, dass Nebenwirkungen und invasive Behandlungen nicht erfasst und berücksichtigt wurden, wenn sie nicht den Erhebenden gemeldet wurden oder außerhalb der teilnehmenden Kliniken erfolgten.

Die hier dargestellten Informationen beruhen auf den Ergebnissen einer randomisiert-kontrollierten Studie aus Dänemark mit 100 Kniearthrose-Betroffenen, die alle noch nicht für eine Knieersatzoperation in Frage kamen und deren Schmerzen (in der Woche vor dem Studienstart) weniger als 60 auf einer 100er-Skala betrugen. Die Teilnehmenden waren zur Hälfte weiblich, das durchschnittliche Alter betrug etwa 65 Jahre und der BMI betrug etwa 30. Die Ergebnisse wurden zunächst nach zwölf Monaten und dann erneut nach 24 Monaten gemessen.

Ausgangspunkt des Studienchecks bildete eine systematische Literaturrecherche in den relevanten Datenbanken. Gesucht wurde zunächst nach systematischen Übersichtsarbeiten und Metaanalysen aus RCTs und nachfolgend nach RCTs, die zur Fragestellung passten. Anhand vorher festgelegter Kriterien haben zwei Personen die vorgefundene Literatur unabhängig voneinander gesichtet und geprüft. Nicht geeignete Studien wurden dabei ausgeschlossen. Aus den am Ende ausgewählten Studien wurden die Informationen zu Nutzen und Schaden geprüft und entnommen. 

Die Informationen stellen keine endgültige Bewertung dar, sondern basieren auf den besten derzeit verfügbaren Erkenntnissen.

Quellen und Hinweise

Unsere Gesundheitsinformationen können eine gesundheitsbezogene Entscheidung unterstützen. Sie ersetzen nicht das persönliche Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin und dienen nicht der Selbstdiagnostik oder Behandlung.

Skou ST, Rasmussen S, Laursen MB, Rathleff MS, Arendt-Nielsen L, Simonsen O, Roos EM. The efficacy of 12 weeks non-surgical treatment for patients not eligible for total knee replacement: A randomized controlled trial with 1-year follow-up. Osteoarthritis Cartilage 2015;23:1465–75.

Skou ST, Roos EM, Laursen MB, Rathleff MS, Arendt-Nielsen L, Rasmussen S et al. Total knee replacement and non-surgical treatment of knee osteoarthritis: 2-year outcome from two parallel randomized controlled trials. Osteoarthritis Cartilage 2018;26(9):1170–80.

Unsere Angebote werden regelmäßig geprüft und bei neuen Erkenntnissen angepasst. Eine umfassende Prüfung findet alle drei bis fünf Jahre statt. Wir folgen damit den einschlägigen Expertenempfehlungen, z.B. des Deutschen Netzwerks für Evidenzbasierte Medizin.

Informationen dazu, nach welchen Methoden die Stiftung Gesundheitswissen ihre Angebote erstellt, können Sie in unserem Methodenpapier nachlesen.

Erstellt vom Team Stiftung Gesundheitswissen.

Wissenschaftliche Beratung:
Dr. med. Dagmar Lühmann
Dr. med. Dagmar Lühmann

Dr. med. Dagmar Lühmann

Dr. med. Dagmar Lühmann absolvierte eine Ausbildung zur Krankenschwester und studierte anschließend Medizin an der Universität zu Lübeck. Nach dem Examen arbeitete sie als Assistenzärztin am Institut für Transfusionsmedizin und Immunologie und promovierte dort zum Thema "Auswirkungen von Quecksilberexposition auf das menschliche Immunsystem". Später arbeitete sie am Institut für Sozialmedizin an der Universität zu Lübeck mit dem Schwerpunkt evidenzbasierte Medizin und Bewertung von medizinischen Verfahren (Health Technology Assessment). Seit 2013 ist sie als Forschungskoordinatorin am Institut und Poliklinik für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf tätig.
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Prof. Dr. med. Martin Scherer
Prof. Dr. Martin Scherer

Prof. Dr. med. Martin Scherer

Prof. Dr. med. Martin Scherer studierte Humanmedizin in Marburg, Wien und Paris. Als Professor an der Universität Lübeck untersuchte er das Thema „Versorgungsforschung und ihre Methoden“. Seine Forschungsschwerpunkte liegen u.a. in der Über- und Unterversorgung und der Entwicklung von Qualitätsindikatoren und Leitlinien. Seit 2012 ist Scherer Leiter der klinischen Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Er ist zudem Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) und Mitglied in weiteren medizinischen Fachgesellschaften. Seit 2015 berät Prof. Dr. med. Martin Scherer die Stiftung Gesundheitswissen.

Die Stiftung Gesundheitswissen hat das Ziel, verlässliches Gesundheitswissen in der Bevölkerung zu stärken. Die an der Erstellung unserer Angebote beteiligten Personen haben keine Interessenkonflikte, die eine unabhängige und neutrale Informationsvermittlung beeinflussen.

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Alle unsere Angebote beruhen auf den derzeit besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen. Sie stellen keine endgültige Bewertung dar und sind keine Empfehlungen.

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Erstellt am: 31.10.2021