Adipositas bedeutet starkes Übergewicht ab einem BMI von 30 kg/m². Dadurch steigt das Risiko vieler weiterer Erkrankungen, z. B. Diabetes Typ 2 und Herzerkrankungen.
Adipositas wird in erster Linie durch eine Änderung der Lebensgewohnheiten behandelt. Man nennt dies auch die Basistherapie. Dabei sollen die Betroffenen ihre Ernährung umstellen und für mehr Bewegung im Alltag sorgen. Beides soll dazu beitragen, das Übergewicht abzubauen. Eine Verhaltenstherapie kann diese Umstellung begleiten.
Reicht diese Behandlung nicht aus, kann in Absprache mit dem Arzt, der Ärztin zusätzlich ein Medikament eingesetzt werden. Eines dieser Medikamente heißt Bupropion/Naltrexon. Es handelt sich um eine Kombination aus zwei Wirkstoffen: Naltrexon und Bupropion. Diese wirken auf zwei Bereiche des Gehirns und sollen dort den Appetit hemmen.
In der ersten Woche wird täglich eine Tablette eingenommen. Die Dosis wird wöchentlich gesteigert bis zu zweimal zwei Tabletten täglich ab der vierten Woche.
Adipositas ‒ oder Fettleibigkeit ‒ nimmt immer weiter zu und ist mit zahlreichen Folgeerkrankungen verbunden. Welche das sind und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt:
In mehreren randomisiert-kontrollierten Studien (RCTs) wurde untersucht, ob Bupropion/Naltrexon bei der Gewichtsabnahme hilft. Alle Menschen, die an den Studien teilnahmen, erhielten eine Basistherapie. Dann wurden sie nach dem Zufallsprinzip in jeweils zwei Gruppen eingeteilt:
Die Testgruppen erhielten das Kombi-Präparat Bupropion/Naltrexon.
Die Kontrollgruppen erhielten Tabletten ohne Wirkstoff (Placebo). In manchen Studien bekam die Kontrollgruppe auch gar kein Medikament verabreicht.
Menschen, die Bupropion/Naltrexon einnahmen, verloren mehr Gewicht als Menschen, die das Medikament nicht einnahmen. Es traten Nebenwirkungen auf, die insbesondere den Magen-Darm-Trakt und das Zentralnervensystem betrafen. Das Wohlbefinden verbesserte sich durch das Medikament kaum.
Einschränkung der Ergebnisse
Die Studien dauerten einige Monate bis höchstens zwei Jahre. Es lässt sich nicht sagen, wie Bupropion/Naltrexon über einen längeren Zeitraum wirkt. Die Ergebnisse lassen sich nicht auf Kinder, Jugendliche und ältere Menschen übertragen. Ob der Gewichtsverlust dauerhaft beibehalten wurde, zeigten die Studien nicht. Es nahmen Personen mit und ohne Begleiterkrankungen teil. Die Basistherapien unterschieden sich in den Studien. In einigen wurde der Kontrollgruppe ein Placebo ohne Wirkstoff verabreicht, in anderen jedoch nicht.
Ein Ziel ist laut ärztlicher Leitlinie ein Gewichtsverlust von fünf Prozent des Körpergewichts oder mehr bei Personen mit einem BMI von 25 bis 35 kg/m² bzw. ein Gewichtsverlust von zehn Prozent des Körpergewichts oder mehr bei einem BMI von über 35 kg/m² innerhalb von sechs bis zwölf Monaten.
Ärztliche Leitlinien empfehlen, dass Menschen mit Übergewicht (BMI 25 bis 35) innerhalb von einem Jahr 5 Prozent ihres Gewichts abnehmen sollten. Bei einer Person, die 100 Kilogramm wiegt, wären das z. B. 5 Kilogramm. Menschen mit einem BMI von 35 oder höher sollten sogar 10 Prozent ihres Körpergewichts abnehmen. Bei einer Person, die 100 Kilogramm wiegt, wären das also 10 Kilogramm.
65 von 100 Personen, die Bupropion/Naltrexon nahmen, verloren fünf Prozent oder mehr ihres Gewichts. In den Kontrollgruppen nahmen im Gesamtschnitt 27 von 100 Personen fünf Prozent oder mehr ihres Gewichts ab.
38 von 100 Personen, die Bupropion/Naltrexon einnahmen, verloren zehn Prozent oder mehr ihres Gewichts. In den Kontrollgruppen nahmen 11 von 100 Personen zehn Prozent oder mehr ihres Gewichts ab.
Die hier dargestellten Informationen wurden einer systematischen Übersichtsarbeit aus dem Jahr 2022 entnommen. Die Ergebnisse beruhen dabei auf sechs Studien (RCTs) mit insgesamt 4348 Teilnehmenden mit Adipositas oder Übergewicht. Das Durchschnittsalter lag bei 42–54 Jahren. 53–90 Prozent waren Frauen. Zu Beginn der Behandlungen hatten die Teilnehmenden einen BMI von 35 bis 35 - 37 kg/m2. Die Studien dauerten zwischen sechs und 15 Monaten.
Die Studien wurden ausschließlich in den USA erhoben. Die Aussagekraft zur Gewichtsabnahme wird als moderat, für den Anteil der Personen mit fünf bzw. zehn Prozent Gewichtsabnahme als hoch eingestuft.
Welchen Einfluss hat Bupropion/Naltrexon auf die Lebensqualität?
Der Anteil der Personen, bei denen sich das Wohlbefinden steigerte, war in den Gruppen mit Bupropion/Naltrexon größer als in den Kontrollgruppen. Im Durchschnitt war die Verbesserung jedoch gering, sodass unklar ist, ob sie sich spürbar auf den Alltag der Betroffenen ausgewirkt hat.
Die Informationen über das persönliche Wohlbefinden beruhen auf zwei systematischen Übersichtsarbeiten, die jeweils vier Einzelstudien (RCTs) mit 3362 bzw. 3695 Teilnehmenden berücksichtigten. Der durchschnittliche BMI der Teilnehmenden betrug 35-36 kg/m2. Die Personen waren durchschnittlich 40-61 Jahren alt, der Frauenanteil lag je nach Studie bei 55-85 Prozent. Angaben zu Begleiterkrankungen wurden nicht gemacht. Die Lebensqualität wurde mit dem Fragebogen IWQoL-Lite („Impact of Weight on Quality of Life“, übersetzt „Einfluss des Körpergewichts auf die Lebensqualität“) gemessen. Die einbezogenen Einzelstudien hatten eine Dauer von etwa einem Jahr und wurden in den USA erhoben. Die Qualität der Evidenz gilt insgesamt als moderat.
Welche Nebenwirkungen können unter Bupropion/Naltrexon auftreten und wie häufig sind sie?
Insgesamt traten bei Menschen, die Bupropion/Naltrexon einnahmen, mehr Nebenwirkungen auf als in den Kontrollgruppen. In einem Zeitraum von zwölf Monaten kam es in den Bupropion-/Naltrexon-Gruppen bei 87 von 100 Personen zu Nebenwirkungen. In den Kontrollgruppen, die ein Scheinmedikament verabreicht bekamen, berichteten 74 von 100 Personen von Nebenwirkungen.
Magen-Darm-Beschwerden
Am häufigsten berichteten Menschen, die Bupropion/Naltrexon einnahmen, von Übelkeit, Verstopfung und Erbrechen. In einem Zeitraum von zwölf Monaten traten in den Bupropion-/Naltrexon-Gruppen bei 87 von 100 Personen Beschwerden des Magen-Darm-Traktes auf. In den Kontrollgruppen berichteten 23 von 100 Personen von Beschwerden des Magen-Darm-Traktes. Schwerwiegende Nebenwirkungen, die in der Klinik behandelt werden mussten, traten in jeweils beiden Gruppen gleich häufig auf.
Beschwerden des zentralen Nervensystems
Nebenwirkungen wie Kopfschmerzen, Schwindel und Schlaflosigkeit traten bei Personen mit Bupropion/Naltrexon häufiger auf als in den Kontrollgruppen.
Beschwerden der Psyche
In einer Studie (RCT) wurde festgestellt, dass 3 von 100 Menschen, die Bupropion/Naltrexon einnahmen, die Studie wegen psychischer Beschwerden wie Angstzuständen oder Halluzinationen abbrachen. In den Kontrollgruppen brach nur eine Person von 100 die Studie wegen psychischer Beschwerden ab.
Schwerwiegende Nebenwirkungen
Schwerwiegende Nebenwirkungen, die einen Arztbesuch oder Klinikaufenthalt notwendig machen, traten in beiden Gruppen gleich häufig auf.
Die Zahlen zu den Nebenwirkungen und den Beschwerden des Magen-Darm-Traktes entstammen zwei systematischen Übersichtsarbeiten. Eine Übersichtsarbeit zog die Daten von drei einzelnen Untersuchungen (RCTs) heran. Insgesamt nahmen an diesen drei Untersuchungen 3410 Personen teil. Das Durchschnittsalter lag bei 45 Jahren, der Frauenanteil betrug 86 Prozent. Der durchschnittliche BMI betrug 36 kg/m². Die zweite Übersichtsarbeit schloss sieben RCTs mit insgesamt 10.191 Personen ein. Das Durchschnittsalter lag hier bei etwa 40–61 Jahren. Etwa 55–85 Prozent der Teilnehmenden waren Frauen. Zu Beginn der Behandlungen hatten die Teilnehmenden einen BMI von 35 bis 36 kg/m2.
Die Informationen zum Studienabbruch bei psychischen Beschwerden stammen aus einer randomisiert-kontrollierten Studie (RCT). 8905 Personen mit unterschiedlichen Begleiterkrankungen wurden untersucht. Der durchschnittliche BMI der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer lag bei 37 kg/m2. Die Personen waren durchschnittlich 60 Jahre alt, der Frauenanteil lag bei 54 Prozent. Die Studie dauerte etwa zwei Jahre.
Alle Untersuchungen wurden in den USA durchgeführt. Die Qualität der Evidenz wurde insgesamt als moderat eingestuft.
Es liegen keine Langzeitergebnisse vor. Daher bleibt unbekannt, ob der Gewichtsverlust erhalten geblieben ist oder die Teilnehmenden nach Ablauf der Studie wieder zugenommen haben. Solange es keine langjährigen Untersuchungen gibt, bleiben langfristige gesundheitliche Verbesserungen und Nebenwirkungen unbekannt.
Die Basistherapie zur Lebensstiländerung war nicht in allen durchgeführten Untersuchungen völlig gleich. Es bleibt daher unklar, ob es eine besonders wirksame Kombination von Basistherapie und Bupropion/Naltrexon gibt.
Sowohl in den Medikamentengruppen als auch in den Kontrollgruppen führten viele Teilnehmende die Studien nicht bis zum Ende durch. Eine hohe Abbrecherquote kann dazu führen, dass das Ergebnis verzerrt ist.
Die Ergebnisse lassen sich nicht auf Kinder, Jugendliche und ältere Menschen übertragen, da die Studien nicht an Personen in diesem Alter durchgeführt wurden.
An den Studien nahmen Personen mit und ohne Begleiterkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck teil. Daher bleibt unklar, ob eine Gruppe eher von einer medikamentösen Behandlung profitiert als eine andere.
Es gibt noch weitere Medikamente, die bei Adipositas eingesetzt werden können.
Auch für diese haben wir uns die Studienlage angeschaut:
Zum Studiencheck Liraglutid
Zum Studiencheck Orlistat
Zum Studiencheck Semaglutid
Unsere Gesundheitsinformationen können eine gesundheitsbezogene Entscheidung unterstützen. Sie ersetzen nicht das persönliche Gespräch mit einem Arzt oder einer Ärztin und dienen nicht der Selbstdiagnostik oder Behandlung.
Deutsche Adipositas-Gesellschaft. Interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S3 zur „Prävention und Therapie der Adipositas“: Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG); 2014. Verfügbar unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/050-001l_S3_Adipositas_Prävention_Therapie_2014-11-abgelaufen.pdf
SRH Hochschule für Gesundheit, Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG). Patientenleitlinie zur Diagnose und Behandlung der Adipositas [Eine Leitlinie für Betroffene, Angehörige und nahestehende Personen, die sich auf eine ärztliche Leitlinie stützt: die „S3-Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas“]; 2019. Verfügbar unter: https://register.awmf.org/assets/guidelines/050-001p_S3_Adipositas_Prävention_Therapie_2019-01.pdf
European Medicines Agency. Assessment report Wegovy: International non-proprietary name: Semaglutide; procedure no. EMEA/H/C/005422/0000. Verfügbar unter: https://www.ema.europa.eu/en/documents/assessment-report/wegovy-epar-public-assessment-report_en.pdf
Shi Q, Wang Y, Hao Q, Vandvik PO, Guyatt G, Li J et al. Pharmacotherapy for adults with overweight and obesity: A systematic review and network meta-analysis of randomised controlled trials. 2021/12/14. Lancet; 2022 (Bd. 399). Verfügbar unter: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/34895470.
Hong K, Herrmann K, Dybala C, Halseth AE, Lam H, Foreyt JP. Naltrexone/Bupropion extended release-induced weight loss is independent of nausea in subjects without diabetes. Clin Obes 2016; 6(5):305–12. doi: 10.1111/cob.12157.
Nissen SE, Wolski KE, Prcela L, Wadden T, Buse JB, Bakris G et al. Effect of naltrexone-bupropion on major adverse cardiovascular events in overweight and obese patients with cardiovascular risk factors: A randomized clinical trial. JAMA 2016; 315(10):990–1004. Verfügbar unter: https://jamanetwork.com/journals/jama/articlepdf/2499275/joi160015.pdf
Khera R, Pandey A, Chandar AK, Murad MH, Prokop LJ, Neeland IJ et al. Effects of weight-loss medications on cardiometabolic risk profiles: A systematic review and network meta-analysis. Gastroenterology 2018; 154(5):1309–1319.e7. doi: 10.1053/j.gastro.2017.12.024.
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Erstellt am: 04.08.2023